Weltwoche Nr. 32.19 45
Bild: Sebastian Kahnert (DPA, Picture Alliance)
der AfDEuropaAbgeordnete Maximilian
Krah hatte mir am Abend zuvor davon erzählt,
er ist ebenfalls dabei.
«Ich soll Sie herzlich grüssen.»
«Grüssen Sie zurück!»
«Wird denn der Kreis bestehen bleiben,
trotz Markus Söders KontaktsperreAnord
nung? Oder anders: Ist Söder stärker als der
liebe Gott?»
Patzelt lacht. In Worte übersetzt: Aber klar!
Mittlerweile, sage ich, hätten die Wetter
hähne die Kreuze der Kirche ersetzt. «Natür
lich war es verheerend, dass Reinhard Marx
und Heinrich BedfordStrohm auf dem Tem
pelberg ihre Kreuze versteckt haben!»
Eindringlich wird in diesen Zeiten von den
Rednerpulten (Kanzeln gibt es nicht mehr) vor
der AfD gewarnt. Ein Christ dürfe dort nicht
mitmischen, meinte Kardinal Marx, der Vor
sitzende der Deutschen Bischofskon ferenz
(DBK). «Reinheitsgebote also auch im Glauben
- so weit geht das schon!», schäume ich.
Patzelt hingegen bleibt gelassen. Er wird am
nächsten Vormittag in Berlin auf dem Podium
sitzen und über ein Papier der deutschen Kirche
zum «Rechtspopulismus» debattieren. Die DBK
ist besorgt über rechtspopulistische Tendenzen,
die «weit in die Kirche hineinreichen», und hat
ein Arbeitspapier erarbeitet, «einen Leitfaden
für die Gemeinden, um diesen Tendenzen zu wi
derstehen». Das Papier sei gar nicht schlecht,
sagt er. (Zu meiner Enttäuschung.)
Hm. Ein paar Tage später werden einige Bi
schöfe die «Seenotretterin» und kriminelle
Schlepperin Carola Rackete im Namen der
Menschlichkeit rühmen, und Patzelt wird am
Telefon spotten: «Jetzt gibt’s neben Greta
Thunberg eben noch eine zweite Heilige.» (Na
bitte, geht doch.) Sein Sohn kehrt in die Woh
nung zurück und setzt sich zu uns, kurze Kha
kis, grünes Poloshirt, kurze Haare, kräftige
Radfahrer waden. Er kommt vom Klavierun
terricht. Aufgeweckter Junge, die Harmonie
zwischen Vater und Sohn ist auf die schönste
Weise spürbar; er wird sich mit ihm in den
Wahlkampf stürzen.
Wir reden über den Konservatismus. Patzelt
ist allem Neuen gegenüber durchaus aufge
schlossen, «aber es hat nicht von vornherein
recht, sondern muss sich schon auch bewäh
ren, bevor man an ihm festhält». Das wäre
seine Definition von Konservatismus.
Sohn Willi fällt ein und zitiert den Paulus
brief an die Thessalonicher: «Prüfet alles, das
Gute behaltet.»
Patzelt, der Professor, führt dann im
Anschluss an Augustinus den Unterschied
zwischen der «civitas terrena» und der
«civitas Dei» aus: Unsere Aufgabe sei es nicht,
das Paradies auf Erden zu errichten, das
grenze nämlich an menschlichen Allmachts
wahn – worin wir ausnahmsweise überein
stimmen, und ich erinnere an die Umbau
pläne der Grünen und an Katrin
GöringEckardts begeisterten Ausruf:
«Dieses Land wird sich ändern, und zwar ra
dikal, und das ist auch gut so.»
(Gleichzeitig denke ich damit auch an die
grüne Kanzlerin, die dieses Land tatsächlich
radikal verändert hat. In anderen Worten:
ruiniert hat. Und die CDU scheint wild ent
schlossen, ihr in den SonnenUntergang zu
folgen. Mittlerweile hat ExGeneralsekretär
Peter Tauber die Kampfzone sogar ausge
weitet und fällt keifend über altgediente
Parteimitglieder wie Erika Steinbach und
Max Otte her.)
Was wird sie tun nach Ende der Amtszeit?
«Promoveatur, ut amoveatur», wünscht sich
Patzelt, also «befördern, um sie loszuwerden».
(Und schon wieder erinnert er mich an den
seligen Franz Josef Strauss, der gerne lateini
sche Weisheiten in seine Rede mischte. Aller
dings fehlt ihm dann doch das Wilde, das
Kampfschweinhafte.) Das wird dann einige
Tage später auch tatsächlich Wirklichkeit, al
lerdings nicht für Merkel, sondern für die von
ihr als EUKommissionsPräsidentin vorge
schlagene, als Verteidigungsministerin glück
lose Ursula von der Leyen.
Auf meinen Wunsch setzt sich Willi ans
SchimmelKlavier und spielt eine Partita von
Bach. Er wiegt sich ein in das virtuose Zähl
werk der Komposition, schliesst die Augen bei
den halsbrecherischen Läufen, als wären sie
ein Kinderspiel.
Nun taucht Angad auf, der schlanke, fein
gliedrige indische Austauschschüler, überaus
höflich und klug, Sohn eines Architekten. Wil
li war in dessen Familie zu Gast in der süd
indischen Millionenstadt Bangalore; das hier
ist Angads Gegenbesuch. (Warum haben wir
nicht eine Million von seiner Sorte eingela
den?)
Zeit für den Aufbruch
Während wir auf dem Balkon aufs Taxi war
ten, bleibt unten einer auf der Strasse stehen,
Handtuch um die Schulter, Joggingschuhe in
der Hand, ein Kollege vom Institut für Evange
lische Theologie. Er ruft hoch: «Wie geht’s?»
- «Könnte nicht besser sein», ruft Patzelt nach
unten, «keine Pflichten mehr, nur noch
Rechte!» Er lacht.
Das ist die Version eines bayerischen Lebens
künstlers! In Wahrheit gab es zu Anfang des
Jahres einen Spiessrutenlauf für Patzelt, einen
weiteren, einen ideologischen. Die Senior
Professur mit der Chance auf Drittmittel für
weitere Forschung, die ihm in Aussicht ge
stellt worden war, eine Routineregelung für
zur Emeritierung anstehende Professoren –
im letzten Moment war sie verweigert worden,
und zwar aus offensichtlich politischen
Gründen.
Hinterrücks taten sich da manche als Ver
leumder hervor. Ein Soziologieprofessor
brachte es tatsächlich fertig, vor Kollegen zu
bezweifeln, dass Patzelt überhaupt noch auf
dem Boden des Grundgesetzes stehe. Hexen
jagden an den Universitäten!
Patzelt, der bayerische Lockenkopf, scheint
das alles mit bajuwarischer Gelassenheit zu
nehmen. Zum Abschied drückt er mir neben
einem Buch über die Liturgie der frühchristli
chen AgapeFeiern, dessen Mitverfasser er war,
eines über die heutigen politisch korrekten
Einengungen des akademischen Betriebes in
die Hand. Er hat dazu ein Kapitel über eigene
Erfahrungen beigesteuert.
Ob ihm nicht manchmal der Gedanke
kommt, dass er sich parteipolitisch an der fal
schen Front verkämpft? «Nein», sagt er und
lächelt. «Ich bin mit mir völlig im Reinen.» g
«Ernstzunehmenden Gründe»: CDUPolitiker Alexander Dierks (l.), Patzelt.