Die Weltwoche - 08.08.2019

(Ben Green) #1

Weltwoche Nr. 32.19 47
Bild: Kevin Dietsch (Newscom, Keystone); Illustration: Bianca Litscher (www.sukibamboo.com)


D


ie amerikani-
schen Demo-
kraten finden kein
Rezept gegen Präsi-
dent Donald Trump.
Dieser hat ein gutes
Halbjahr hinter sich,
und seine Perspekti-
ven für eine Wieder-
wahl im nächsten Jahr haben sich verbessert.
Seine Politik ist über weite Strecken erfolg-
reich – in der Wirtschaft generell, aber auch in
der Einwanderungspolitik.
Die Demokraten wirken ideenlos. Nach-
dem sie alle Karten auf den Sonderermittler
Mueller gesetzt hatten, um Trump zu delegi-
timieren, stehen sie nun mit leeren Händen
da. Als letzten Akt der Verzweiflung schwin-
gen sie die Rassismuskeule, wo immer sie
können. Selbst Barack Obama wird aus der
Versenkung geholt, um den Amoklauf in El
Paso Trump in die Schuhe zu schieben.
Die Politisierung der Massenmorde wird
auch nicht zum Ziel führen, denn die Motive
der Killer sind schillernd und weisen in alle
politischen Richtungen. Die Demokraten
kommen nicht darum herum, eine Politik zu
formulieren, die nicht nur ihre Basis in den
gros sen Staaten an der Küste für gut befindet.
Es nützt wenig, mehr Stimmen dort zu holen,
wo sie ohnehin zahlreich sind.
Sie müssten mit einer geeigneten Politik jene
Staaten anvisieren, die letztes Mal Trump ge-
wählt haben. Sie machen genau das Gegenteil.
Alle ihre über zwanzig Präsidentenanwärter
sind stark nach links gerutscht – und zwar links
von Positionen, die einst die Administration
Obama eingenommen hatte. Dabei hat Trump
Zustimmungsraten, die solide sind, aber selten
mehr als 44 Prozent erreichen.


Erfolgreich im veganen Oregon


Die Demokraten vertreten eine Politik, die
bestenfalls im waldigen Vermont, im veganen
Oregon und im intellektuellen Hub von
Berkeley, Kalifornien, mehrheitsfähig ist. Die
grossen Medienhäuser, mit Ausnahme von
Fox News und der Meinungsseite des Wall
Street Journal, unterstützen die Demokraten in
ihrem Todeswunsch.
So stand jüngst im New Yorker Folgendes zu
lesen: «In den letzten Monaten gab es eine Serie
von grösseren Ereignissen, darunter die langer-
wartete Publikation des Mueller-Reports; eine
Verschlechterung der humanitären Krise an der


Südgrenze; der Präsident, der rassistische Vor-
würfe an demokratische Mitglieder des Kon-
gresses schleudert und eine grössere amerikani-
sche Stadt eine abscheuliche, von Nagetieren
verpestete Schweinerei nennt.»
Trump ist kein Rassist, Mueller war ein Rohr-
krepierer, die Grenzsicherung im Süden macht
Fortschritte. Aber Baltimore wird seit Jahr-
zehnten von Demokraten regiert und schickt
demokratische Abgeordnete in den Kongress.
Amerika ist über das Stadium hinaus, dass
allein die Hautfarbe vor Kritik schützt. Und
Trumps Wirtschaftspolitik begünstigt auch die
schwarze und Latino-Mittelklasse.
Vernünftigere demokratische Parteigänger
räumen ein, dass Trump recht hat. Er nennt
Dinge beim Namen, die in besserer Gesellschaft
nicht erwähnt werden. Das macht einen gros-
sen Teil seiner Anziehungskraft aus.
Dem setzen die Demokraten eine sogenannt
progressive Politik gegenüber, die die Privat-
wirtschaft zurückdrängen und den staatlichen
Einfluss stark erhöhen würde. Bernie Sanders
ist ein selbsternannter Sozialist, andere wie
Elizabeth Warren sind es de facto. Es geht um
drastische Steuererhöhungen, um eine staatli-
che Zwangsverpflichtung auf den «Green New
Deal», um eine staatliche Krankenversicherung
(«Medicare for All»), um offene Grenzen (Dekri-
minalisierung illegaler Grenzübertritte), um

Reparationszahlungen für die Epoche der Skla-
verei und um anderes mehr – Programme, die
in Peoria, Illinois, nicht punkten.
Der einzige Demokrat, der nicht vorbehalt-
los auf der Linkswelle schwimmt, ist der
Spitzenreiter, der ehemalige Vizepräsident Joe
Biden. Biden steht aber unter Druck und kor-
rigiert laufend Positionen, die er vor Jahren in
seiner langen Karriere vertreten hat. Er rech-
net damit, dass er später diese Korrekturen
wieder umpolen kann.

Hält Biden durch?
Biden ist 76 Jahre alt und wirkt älter. Seine
Präsenz in den Debatten lässt nach, und es ist
schwer vorstellbar, dass er durchhält. Dass er
trotz pausenloser Attacken vom linken Flügel
das Feld mit Abstand anführt, reflektiert den
innigen Wunsch demokratischer Wähler nach
einem besonnenen Kandidaten. Ob Biden dem
Wunsch wirklich entspricht, ist eine andere
Frage. Aber er ist der Einzige, dem zugetraut
wird, Trump schlagen zu können. Die andern
sind Kanonenfutter.
Was genau die Partei Roosevelts, Trumans,
Kennedys, Johnsons und Clintons dazu treibt,
die politische Vernunft in den Wind zu schla-
gen, ist kaum zu ergründen. Noch bei den
Kongresswahlen 2018 fanden sie genügend
«gemässigte», will sagen glaubwürdige Kandi-
daten, um die Mehrheit im Repräsentanten-
haus zu gewinnen.
Von diesen hört man kaum mehr etwas – es
sind vielmehr die vier lauten Kongressfrauen
des «Squad», die, von den Medien angestachelt,
alles dominieren. Für Trump sind sie ein Pars
pro Toto, eine bequeme Zielscheibe, auf der
alles, was die Demokraten ausmacht, getroffen
werden kann.

Ausland


Todeswunsch der US-Demokraten


Von Hansrudolf Kamer _ Die Demokraten wollen Präsident Trump


aus den Angeln heben. Bisher sind alle Ansätze gescheitert.


Die Flucht in den Staatskapitalismus wird auch nicht helfen.


Wirken ideenlos: Kandidaten Julián Castro, Cory Booker, Joe Biden, Kamala Harris, Andrew Yang (v.l.).
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