Die Weltwoche - 08.08.2019

(Ben Green) #1

54 Weltwoche Nr. 32.19
Bild: Canal+


D


er Film «Wolkenbruch» über die
wundersame Reise des orthodoxen
Juden Motti in die Arme der schönen
Schickse Laura liess den Stern der 28-jähri-
gen Noémie Schmidt aus Sitten auch in der
Schweiz aufgehen. Um ein Vielfaches be-
kannter ist Schmidt allerdings in Frank-
reich, wo sie seit fünf Jahren lebt. Ihre Rol-
len in der Netflix-Serie «Versailles», der
teuersten je in Europa gedrehten TV-Serie,
sowie im Netflix-Film «Paris est à nous»
bescherten ihr Auftritte in gros sen Talk-
shows, wo sie das Publikum mit ihrer
elfenhaft-eleganten, natürlich-dezenten
Art für sich einnahm.
Schmidt wartet an einem frühen Som-
mernachmittag in einem Hipster-Lokal
nahe der Place de la Nation in Paris. Sie ist
ungeschminkt zum Treffen gekommen,
fällt aber trotzdem auf mit ihren leuchtend
grünen Hot Pants, dem knallgelben Ten-

nis-Shirt, den weissen Sneakers und den
gelb-blau-gemusterten Socken. Um ihren
Hals hängt eine Sonnenbrille, und zwischen
ihre Knie hat sie einen schwarzen Leder-
rucksack geklemmt, der, was ihr erst beim
Öffnen auffällt, innen mit Kebab-Sauce
verschmiert ist.
«Iiih.» Schmidt verzieht das Gesicht. «Ah
ja.» Sie erinnert sich. Ihr Freund habe in der
Nacht, um fünf Uhr morgens, den Mitternachts-
Snack für die Taxifahrt verstauen müssen. Sie
spricht lebhaft, trotz wenig Schlaf, jedoch nur,
wenn ihr das Thema passt. Make-up zum Bei-
spiel, in der Schauspielerei ein grosses Thema,
interessiert sie nicht. Trotzdem kramt Schmidt
in ihrem Rucksack, bis sie ein Döschen findet.
«Ich habe noch Glitzer von der Gay Pride.» Sie
tupft sich einen bordeauxroten Schimmer an
die Schläfe. «Solche Schminke ist cool.» Ob ich
das auch möge, fragt sie, als sie mich bereits mit
ihrem Zeigefinger verziert.

Film


«In Paris könnte die Revolution beginnen»


Noémie Schmidt, 28, aus Sitten ist in Frankreich ein Star. Sie spielt in der grössten TV-Produktion,


die je in Europa gedreht wurde, und realisierte mit Freunden schon einmal einen eigenen Film.


Ihre Kunst versteht sie politisch. Was hat sie als Nächstes vor? Von Roman Zeller


Frau Schmidt, danke, dass wir jetzt beide
glitzern. Sie leuchten dabei unvergleichbar
stärker, gelten in Frankreich als Star und ge­
wannen mit dem Film «Wolkenbruch» die
Herzen der Kinobesucher in der Schweiz.
Woher kommt dieser Erfolg?
Erfolg? Der ist mir egal. Ich bin dankbar, ja.
Aber Erfolg, wie Sie das nennen, bedeutet
mir nichts. Ich hätte nicht mal gedacht, dass
ich Schauspielerin werden würde. Theater
war einfach meine Leidenschaft, ich liebe es.
Was lieben Sie daran?
Geschichten zu erzählen, ein Leben vorzu-
täuschen oder eine neue Welt zu erfinden.
Ich mag aber auch die Herausforderungen
des Showbusiness.
Was war Ihre grösste Herausforderung bisher?
Nein sagen zu können.
Und, klappt’s?
Jetzt schon. Früher hatte ich manchmal das
Gefühl, dass ich ja sage, ohne mir Gedanken

«Es geht immer um die spektakulären Kleider»: Schauspielerin Schmidt als Henrietta von England in «Versailles».

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