Die Weltwoche - 08.08.2019

(Ben Green) #1

Weltwoche Nr. 32.19 57


doch schon einigermassen vorne. Djurdjevic
ist, auch, ein Longhitter, da ist er unter den
fünf Besten der Welt. Longhitting ist einfach,
wer den Ball mit dem Driver am weitesten
schlagen kann, es ist ein Spektakel und wahr-
scheinlich eine wesentliche Facette der Zu-
kunft dieses Sportes. Djurdjevics offizieller
Rekord ist 368 Meter, 430 Meter inoffiziell.
Wenn man neben ihm steht und er abschlägt,
bekommt man mindestens Gänsehaut und
gleich danach eine kleine Depression, weil
man selbst zu jenen Golfern gehört, die die
Welt umarmen würden, träfe man endlich ein-
mal das 250 Meter entfernte Netz am Ende der
Driving- Range.
Er habe, so sagte er nach seiner 64er-Runde,
bisher das beste Golf seines Lebens gespielt. Im
Ryder Cup Trust ist das den Europäern ein
ganz klein wenig besser gelungen als den
Amerikanern, aber es schien, als die drei Tage
an der Bar des «Palace» sich langsam verflüs-
sigten, beinahe nebensächlich. Weil alle drei
Tage in einer sich wie wirklich anfühlenden
Illusion gelebt haben, dass ein Hirn gar nicht
anders könnte, als einen Menschen glücklich
zu machen.

Da trafen sich Golfspieler und fanden sich
Menschen.
Howard Carpendale, der fast so gut Golf
spielt, wie er singt, beschrieb das Glück dieser
drei Tage am letzten Abend, dem Galadiner
im «Palace», so: «Drei Tage lang trafst du
Menschen, und keiner war unangenehm.»
Wenn einer haderte, dann nur mit sich selbst,
weil seine Runde nicht ganz rund war, aber
die Enttäuschung über sich selber hielt nie
lange an, weil da genug andere waren, die
waren wie der Wind, der durch das Engadin
zog und die Staubkörner im Getriebe eines
Daseins wegblies. Und so waren die Tage wie
eine Idee einer Welt, die nicht an vielen Orten
von Idioten besiedelt ist, die dem Glück im
Wege stehen.


Gänsehaut und Depression


Alle, die dabei waren, brachten jenen Rucksack
mit, in dem ihre Geschichte liegt. Manche Ruck-
säcke waren schwerer, andere leichter. Schwer
zu sagen, wie schwer jener von Howard Carpen-
dale war. Hatte gerade eine Tournee hinter sich,
eine vor sich, fuhr hauptsächlich mit dem Golf-
car und rauchte Kette, Marlboro Rot. Zündete


sich im Golfcar eine an, lief hoch zum Abschlag,
warf die Zigarette ins Grab, schlug ab, der Ball
flog stets schön, weil Howard, wie er sagt, acht
Tage die Woche Golf spielt, nahm die Zigarette
wieder auf, lief zurück zum Wagen und fuhr
los. Wie das so gehe, mit Kettenrauchen und
Marlboro Rot, war eine Frage: «Ich rauche nur
auf dem Golfplatz», antwortete Howard, «und
frag mich nicht, warum, buddy, ich weiss es auch
nicht.» Die Sache mit dem Rucksack mit der
eigenen Schwere drin und Golf ist die; man legt
seinen Rucksack ab und streift den Golfbag
über. Das ist nicht immer eine Erlösung, fühlt
sich aber zumindest am Anfang stets als Er-
leichterung an.
Der Rucksack von Ilija Djurdjevic ist noch
leicht, er ist jung, kaum dreissig Jahre alt, er
war wahrscheinlich der beste Golfer an diesen
drei Tagen, einer der bestgelaunten sowieso.
Am Samstag, als die meisten vom Ryder Cup
Trust wieder abgereist waren, spielte er noch
den Golfcup der Hotels «Badrutt’s Palace»,
«Baur au Lac» und «Beau-Rivage» und ge-
wann mit acht Schlägen unter Paar. Djurdjevic
ist Golfprofi, im Ranking ungefähr die Num-
mer 2000, das klingt nach weit hinten, ist aber

Der feinfühlige Longhitter: Profi Djurdjevic.

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