Die Weltwoche - 08.08.2019

(Ben Green) #1
Weltwoche Nr. 32.19 65

D


ie Frage nach dem besten Sportwagen
zieht natürlich so viele Antworten nach
sich, wie es Leute gibt, die eine Meinung dazu
haben. Trotzdem habe ich bei einer Kurzum-
frage bei befreundeten Autotesterkollegen
einen gemeinsamen Nenner gefunden: Am
häufigsten genannt wurde der Porsche GT3.
Denn wir sprechen nicht von PS-Monstern
oder sogenannten Hypercars, sondern von
Alltagssportautos.
Der GT3 hat, seit es ihn gibt, drei unver-
kennbare Charaktereigenschaften: Sechs-
zylinder-Boxer-Saugmotor, Heckantrieb und
ein Heckspoiler, so gross wie ein Stehpult im
Grossraumbüro. Im Gegensatz zum GT3 RS
(Weltwoche Nr. 42/18) ist der normale GT3 nicht
nur günstiger, sondern auch etwas weniger
ausladend, was die Karosserieform anbelangt,
und das Fahrwerk ist etwas angenehmer auf
Alltagsanforderungen abgestimmt.
Kürzlich konnte ich alle drei Generationen
des Porsche-Alltags-Rennwagens hintereinan-
der auf Schweizer Alpenpässen fahren: ab An-

dermatt über den Gotthard, Nufenen, Grim-
sel, Susten und wieder zurück nach Andermatt.
Es gibt vermutlich keine besseren Strecken für
ein solches Auto. Von der Rennstrecke natür-
lich einmal abgesehen, aber ich persönlich
finde ja Rennstrecken etwas langweilig.

Windjacken und Wohnwagenanhänger
Zwar musste ich kurz an meiner eigenen Mei-
nung zweifeln, als ein 125er-Scooter mit Berner
Kennzeichen und einem Fahrer in Windjacke
mir das Überholen für einige Minuten verun-
möglichte. Und warum bloss sollte man mit
einem Wohnwagenanhänger mit 45 km/h eine
Passstrasse hinaufkriechen wollen? Oder was
bringt einen dazu, mitten in einer Landstrasse
sein Motorrad abzustellen und vom Mittelstrei-
fen aus ein Foto von der Aussicht zu machen?
Passstrassen sind ein faszinierender Mikrokos-
mos menschlicher Verhaltensauffälligkeiten.
Aber zurück zum Kern dieser Kolumne: Der
beste GT3 ist natürlich das letzte Modell, das
aus der Baureihe 991, und es zeigt auch, war-

um dies einer der besten alltagstauglichen
Sportwagen überhaupt ist. Während bei Tur-
bomotoren um 7000 U/min in der Regel
Schluss ist, beginnt beim 500-PS-Aggregat des
Porsches dort erst die Musik zu spielen. Und
weil der Saugmotor bis 9000 Umdrehungen
leisten kann, hat man eigentlich nie zu wenig
Kraft, was gerade am Berg natürlich vorteil-
haft ist. Eine Grundsatzentscheidung ist die
Wahl zwischen Handschaltung und Doppel-
kupplungsgetriebe (PDK). Ich empfehle Letz-
teres, weil es angenehmer und schneller ist.
Was der GT3 vermutlich besser kann als die
meisten Sportwagen dieses Kalibers, ist – be-
sonders bei der letzten Generation – die sofor-
tige Herstellung einer Direktverbindung zwi-
schen Mensch und Maschine. Man setzt sich
rein, startet mit einem bedrohlichen Donner-
grollen den Motor und weiss schon nach den
ersten Kurven, dass hier alles passt. Dass der
Wagen genau das macht, was man sich vorge-
nommen hat, bevor man um die Ecke biegen
wollte.

Auto


Mikrokosmos Passstrasse


Der Porsche GT3 ist seit zwanzig Jahren ganz vorne dabei, wenn
man kompromisslos schnell sein möchte. Von David Schnapp

Porsche 911 GT3 (Typ 991)
Leistung: 500 PS/368 kW, Hubraum: 3996 ccm;
max. Drehmoment: 460 Nm bei 6000 U/min;
Höchstgeschwindigkeit (PDK): 320 km/h; Beschleunigung
0–100 km/h: 3,4 sec; Verbrauch: 12,7 l/100 km; Ocassionen
ab ca. Fr. 152 416; neu ab Fr. 198 000.– (in Deutschland)
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