Süddeutsche Zeitung - 09.08.2019

(Frankie) #1
München– Die Nachricht kam völlig über-
raschend, auch für viele Beteiligte. Allianz
Global Investors (Allianz GI), einer der bei-
den Vermögensverwalter des Münchner
Versicherers, lehnt das Übernahmeange-
bot für Osram ab. Die beiden amerikani-
schen Finanzinvestoren Bain Capital und
Carlyle wollen das Münchner Lichtunter-
nehmen erwerben und dafür rund vier Mil-
liarden Euro zahlen. Ob sie mit ihrer Offer-
te am Ende erfolgreich sind, ist nun ziem-
lich zweifelhaft. „Es wird sehr eng“, sagt
ein Beteiligter.
Allianz GI ist mit knapp zehn Prozent
der größte Aktionär bei Osram und lehnt
die Offerte als zu gering ab. Bain Capital
und Carlyle bieten 35 Euro je Aktie, die An-
gebotsfrist läuft noch bis Anfang Septem-
ber. Der Erfolg ist aber daran geknüpft,
dass mindestens 70 Prozent der Aktien ein-
gesammelt werden. Diese sogenannte Min-
destannahmeschwelle zu erreichen, dürfte

nach der Absage von Allianz GI nahezu un-
möglich werden. Bis Anfang dieser Woche
hatten lediglich 0,9 Prozent der Aktionäre
zugestimmt. Neben der Allianz sind mehre-
re große Finanzinvestoren beteiligt, etwa
Blackrock, aber auch einige größere Ban-
ken. Sie dürften nun nach der harschen Kri-
tik von Allianz GI den Verkauf ihrer Aktien

noch genauer prüfen. Dazu kommt, dass
rund 20 Prozent der Papiere in der Hand
von insgesamt fast 400 000 Privataktionä-
re sind. Osram gehörte ursprünglich zum
Siemens-Konzern und wurde abgespalten.
Alle Siemens-Anteilseigner erhielten da-
mals automatisch Osram-Papiere, viele
sind immer noch investiert. So ist die gro-

ße Zahl von Aktionären zu erklären, die
auch nur schwer zu mobilisieren sind.
Osram ist seit Längerem in Turbulen-
zen und macht Verluste. Das klassische Ge-
schäft mit Glühbirnen und Lampen wurde
verkauft, die neuen Bereiche mit Autobe-
leuchtung und Opto-Halbleitern schwä-
cheln. Der Vorstand unter Olaf Berlien und
der Aufsichtsrat unterstützen das Angebot
von Bain Capital und Carlyle. Allianz GI kri-
tisiert die Osram-Führung ungewöhnlich
scharf. „Nachdem sich Allianz GI im ver-
gangenen Jahr um einen konstruktiven Di-
alog mit dem Vorstand und dem Aufsichts-
rat von Osram bemüht hat, ist es umso be-
dauerlicher, dass die beiden Gremien kein
ausreichendes Vertrauen in das von ihnen
geführte Unternehmen zu haben scheinen,
sondern es stattdessen vorziehen, es zu ei-
nem Preis zu verkaufen, der nach einem
Abschlag aussieht“, heißt es in der Mittei-
lung.

Die Fondsmanager hatten bereits auf
der Hauptversammlung gegen die Entlas-
tung von Vorstandschef Berlien gestimmt.
Das Paket von Allianz GI ist derzeit rund
300 Millionen Euro wert, der Investor ist
schon lange dabei und war zu höheren Kur-
sen eingestiegen. Auch die Börse glaubt
nicht mehr an die Übernahme. Die Osram-
Aktie ging um mehr als sieben Prozent
nach unten und liegt bei gut 31 Euro, wei-
ter unter den angebotenen 35 Euro.
Sollte die Übernahme platzen, wäre die
Zukunft von Osram völlig ungewiss. Zu-
letzt gab es immer wieder Interesse an
einer Übernahme, unter anderem von chi-
nesischen Unternehmen oder vom österrei-
chischen Halbleiteranbieter AMS. Auch
eine feindliche Übernahme gegen den Wil-
len von Osram wäre möglich. Eine Erhö-
hung des Angebots von Bain Capital und
Carlyle könnte an einer fehlenden Finanzie-
rung scheitern. caspar busse

DEFGH Nr. 183, Freitag, 9. August 2019 HF2 15


Daniel Křetínský hat ins „Executive Termi-
nal“ geladen.An diesem Rand des Flugha-
fens Düsseldorf landen Geschäftsleute mit
ihren Privatflugzeugen. Der Milliardär hat
75 Minuten, bis er weiterfliegt. Křetínský
begrüßt mit „Guten Tag“, zieht sein dunkel-
blaues Sakko aus und bestellt einen grü-
nen Tee. Dann räumt der Tscheche ein:
„Unser freiwilliges öffentliches Übernah-
meangebot wird nicht erfolgreich sein.“
Das stehe zu 99,9 Prozent fest.
Der 44-Jährige, der im Zuge der Privati-
sierung der osteuropäischen Energiewirt-
schaft reich wurde, hat versucht, den Han-
delskonzern Metro zu übernehmen. In der
Nacht zu Donnerstag ist die Offerte abge-
laufen. Doch hat Křetínskýs Beteiligungs-
gesellschaft ihr Ziel, mindestens 67,5 Pro-
zent der Stimmrechte und damit die Kon-
trolle zu übernehmen, weit verfehlt.
„Selbstverständlich hatte ich auf ein ande-
res Ergebnis gehofft“, sagt der promovier-
te Jurist in höflichem Englisch, „ich habe
mich auf die Arbeit bei Metro gefreut.“
Nach der gescheiterten Offerte bleiben
Křetínský, der auch in tschechische Medi-
en und den Fußballverein Sparta Prag in-
vestiert hat, nun 17,5 Prozent der Metro-An-
teile. Die hatte Křetínskýs Firma vor allem
vom Familienunternehmen Haniel ge-
kauft. Vorschnell zurückziehen will er sich
nicht: Man denke grundsätzlich langfristig
und werde nun um einen Sitz im Metro-
Aufsichtsrat bitten. „Das wäre sehr lo-
gisch.“ Freilich müsste dafür entweder ein
Aufseher vorzeitig einen Platz räumen,
oder Křetínský müsste bis zur nächsten
Hauptversammlung warten. Selbst einzie-
hen wolle er nicht, dafür hat er seine Leute.
Anderthalb Jahre habe sich sein Team
im Detail mit der Metro beschäftigt. Sie sei
eine großartige Firma, lobt Křetínský.
Aber ihre bisherige Wachstumsgeschichte,
den westlichen Großhandel in Schwellen-
länder zu exportieren, stoße an Grenzen.
Hinzu komme Konkurrenz von Lieferdiens-


ten. Und sehe man von einmaligen Immobi-
lienverkäufen ab, verdiene Metro zu wenig
Geld im Kerngeschäft. Den Weg zu höhe-
ren Gewinnen vergleicht Křetínský jedoch
mit einem schweren Gang durch den Wald.
Der Tscheche spricht frei, er hat keine
Präsentation dabei, nur einen leeren Notiz-
block vor sich. Im Hintergrund dröhnt alle
paar Minuten ein Flugzeug. „Eine solche
Transformation ist viel schwieriger in ei-
ner Situation, in der eine Firma permanent
gute Nachrichten liefern muss“, sagt
Křetínský. Daher sein Angebot: 16 Euro je
Aktie, und er nimmt Metro von der Börse.
Doch lehnten vor allem die Großaktionä-
re Beisheim-Gruppe und Meridian-Stif-
tung, die knapp 21 Prozent der Anteile hal-
ten, ab. Man habe viele Wege sondiert, sagt
Křetínský, aber sei sich schlicht nicht einig
geworden, wie viel Metro wert ist. „Wir ha-
ben keinen Verhandlungsspielraum bei
den 16 Euro“, sagt er. „Das war die Spitze
dessen, was wir verantworten konnten.“
Neben den Großaktionären müssten
Vorstand und Aufsichtsrat nun beweisen,
dass Metro wirklich mehr wert sei. Beide
hatten die Offerte abgelehnt. „Jetzt müs-
sen sie liefern“, so Křetínský. Er will jeden-
falls abwarten, zu welchem Preis der Vor-
stand etwa – wie angekündigt – die Han-
delskette Real und den Anteil am Chinage-
schäft verkaufen wird. Vorstandschef Olaf
Koch hatte angekündigt, dass er damit
mindestens eine Milliarde Euro erlösen
wolle. Doch sollte es bei dem Preis bleiben,
hätte das „nichts mit dem wahren Wert des
Chinageschäfts zu tun“, warnt Křetínský
und sagt gar: „Ein solcher Preis wäre fatal.“
Weitere Verhandlungen in der Zukunft
schließt der Tscheche derweil nicht aus.
„Wir sind immer offen für konstruktive Ge-
spräche“, sagt Křetínský. Er sitze in keiner
Schmollecke. Nur mit Verlust aussteigen,
das möchte der Geschäftsmann ungern.
Und dann geht auch schon sein Flieger
zurück. benedikt müller

von markus balser

Berlin– Was es heißt, in einer armen Stadt
zuleben? Die Bürger von Mülheim spüren
das längst. Nirgendwo in Nordrhein-West-
falen ist die Pro-Kopf-Verschuldung hö-
her. Zwei Milliarden Euro Gesamtschulden
lasten auf der Kommune. Pro Kopf bedeu-
tet das rechnerisch Schulden von 13000
Euro. Heftig wurde deshalb zuletzt im
Stadtrat darüber diskutiert, wie denn die
Stadt noch auf einen grünen Zweig kom-
men solle. Beim öffentlichen Nahverkehr
ein paar Millionen sparen? Oder doch Steu-
ern und Abgaben erhöhen? Längst nicht
mehr nur auf dem Land sorgen sich Kom-
munalpolitiker, in einen Teufelskreis zu ge-
raten. Auch in manchen Städten droht ein
weiterer Verlust von Standort- und Lebens-
qualität. Und damit weitere Abwanderung
von denen, die gehen können.
Mehrere Studien legten zuletzt nahe,
dass in Deutschland vor allem der Osten
und ländliche Gegenden in Gefahr sind,
den Anschluss zu verlieren. Forscher des
Instituts der deutschen Wirtschaft (IW)
aus Köln wollten es genauer wissen. In ei-
ner Studie warnen sie nun, dass 19 Regio-
nen vor massiven Zukunftsproblemen
stehen. Dort gebe es „akuten Handlungsbe-
darf“ für die Politik, heißt es in dem Papier.
Elf der bedrohten Regionen liegen in den
neuen Bundesländern, vier in Nordrhein-
Westfalen entlang der städtisch geprägten
Ruhr, dazu kommen Bremerhaven, das
Saarland, Schleswig-Holstein Ost und die
Westpfalz.
Die Millionenstädte München, Ham-
burg und Berlin würden Szenarien zufolge
vom Wandel der Wirtschaft, von Automati-
sierung und Digitalisierung weiter stark
profitieren. Unternehmen würden sich
hier ansiedeln, um Spitzenkräfte anzuwer-
ben, heißt es in dem Papier. „Wirtschaftli-
che Aktivitäten verlagern sich zunehmend
in die Metropolregionen“, sagt IW-Direk-
tor Michael Hüther bei der Präsentation
der Studie in Berlin. Spiegelbildlich dazu
verlören vor allem ländlichere und von star-
kem Strukturwandel geprägte Regionen
an Attraktivität.
Mit gravierenden Folgen: „Das entwer-
tet nicht nur die dort aufgebaute Infra-

struktur, sondern führt auch zu sozialen
Spannungen“, warnt Hüther. Für die Stu-
die untersuchten die Wissenschaftler zu-
sammen mit vier Universitäten die Regio-
nen nach zwölf Indikatoren in den Berei-
chen Wirtschaft, Demografie und Ausstat-
tung mit Infrastruktur. Überraschende Er-
kenntnis: Beim Vergleich der Wirtschafts-
chancen liegen die Schlusslichter in West-
deutschland: Besonders düster sieht es der
Studie zufolge in der Region Duisburg/Es-
sen, Emscher-Lippe und Bremerhaven aus.
Bei der Altersstruktur sieht die Studie
die Regionen mit den größten Nachteilen
in Ostdeutschland. Dort wiesen die Regio-
nen Anhalt-Bitterfeld-Wittenberg, Lausitz-
Spreewald, Oberlausitz-Niederschlesien
sowie Ost- und Südthüringen ein hohes
Durchschnittsalter der Bevölkerung auf,
das in den vergangenen Jahren auch noch
besonders stark gestiegen sei. Insgesamt
sei aber die Abwanderung aus Ostdeutsch-
land gestoppt, sagt Studienautor Jens
Südekum von der Heinrich-Heine-Univer-
sität Düsseldorf. Es gebe inzwischen auch
Rückkehrer, die aus Westdeutschland wie-
der in den Osten des Landes zögen. Darun-
ter seien vor allem Senioren, aber auch im-

mer mehr junge Familien kämen wegen
der stark steigenden Mieten in den Metro-
polen zurück.
Beim Vergleich der Infrastruktur und
der Kommunalfinanzen gibt es bundes-
weit Probleme. Die drei westdeutschen Re-
gionen Emscher-Lippe, Trier und West-
pfalz plagen besonders hohe Verschul-
dungsquoten. In den ostdeutschen Regio-
nen Altmark, Magdeburg und Halle/Saale

bemängeln die Forscher, dass die digitale
Infrastruktur „noch in den Kinderschuhen
steckt“. Abwanderung, Verfall der Immobi-
lienwerte, Unzufriedenheit mit der Infra-
struktur und die Überalterung der lokalen
Bevölkerung seien beherrschende The-
men für alle genannten Regionen.
Im internationalen Vergleich sind die re-
gionalen Unterschiede in Deutschland al-
lerdings noch immer klein. So seien in Itali-
en zwischen dem industriellen Norden und
dem strukturschwachen Süden, in Spanien

zwischen den Zentren Madrid und Barcelo-
na und in Frankreich und Großbritannien
zwischen den Hauptstadtregionen und pe-
ripheren Räumen die Unterschiede noch
stärker spürbar. Das deutsche Erfolgsmo-
dell dezentraler Wirtschaftsräume gerate
aber weiter unter Druck.
Die Experten fordern deshalb ein schnel-
les Gegensteuern. Besonders stark ver-
schuldeten Kommunen müsse geholfen
werden. „Hohe Schulden versperren den
Weg zu notwendigen Investitionen“, warnt
IW-Chef Hüther. Die betroffenen Bundes-
länder sollten Schuldenerlasse für die
Kommunen prüfen, damit die wieder
handlungsfähig würden. Zudem müsse
deutlich mehr investiert werden. Schon
seit den 90er-Jahren seien die kommuna-
len Investitionen rückläufig. Das müsse
sich ändern. „Es könnte sonst in Deutsch-
land zu ähnlichen Ungleichgewichten in
der räumlichen Wirtschaftsstruktur kom-
men“, warnt Autor Südekum auch mit
Blick auf den sogenannten Rostgürtel in
den USA, der von hoher Arbeitslosigkeit
und sozialen Spannungen geprägt ist.
Besonders starken Bedarf sehen die For-
scher bei Investitionen in die Infrastruktur
von Mobilität und Digitalisierung. „Durch
eine Verbesserung des Schienennetzes
könnten mehr Gemeinden an die Metropo-
len angebunden werden“, sagt Hüther.
Auch den Breitbandausbau halten die Wirt-
schaftsforscher für „essenziell“. Denn der
Zugang zu schnellem Internet sei nicht nur
für Unternehmen unabdingbar, sondern
zunehmend auch für private Haushalte.
Die Forscher empfehlen deshalb auch ei-
nen flächendeckenden Ausbau mit dem su-
perschnellen Mobilfunkstandard 5G, über
den in Deutschland noch immer heftig ge-
stritten wird. „Ohne 5G wird es die vollauto-
matische Fabrik in der Provinz nicht ge-
ben“, so die Autoren.
Auch bürgerschaftliches Engagement
solle gestärkt und Bildungsangebote ver-
bessert werden. „Die Regionalpolitik muss
jetzt dringend gegensteuern, sonst werden
die gesellschaftlichen Spannungen zuneh-
men, und es kann zu gefährlichen Abwärts-
spiralen kommen“, warnt Hüther. Dabei
sei es „politisch, gesellschaftlich und öko-
nomisch fatal, Regionen aufzugeben“.

von kathrin zinkant

E


igentlich geht es doch um eine Lap-
palie. Um einen Einzelfall, wie der
CEO von Novartis nach Bekanntwer-
den der Datenmanipulationen in seinem
Hause es nannte. In einem einzigen Labor
waren Testergebnisse für die Zulassung
einer neuen Gentherapie verfälscht wor-
den. Die verantwortlichen Mitarbeiter
wurden entfernt. Das betroffene Medika-
ment Zolgensma gilt weiterhin als sicher.
Also alles nicht so schlimm – oder?
Doch, alles schlimm. Es müssen näm-
lich nicht erst Patienten gefährdet wer-
den, damit die Selbstgerechtigkeit großer
Pharmaunternehmen augenfällig wird.
Es reicht, dass Datenmanipulationen bei
einer Medikamentenzulassung als eine
Lappalie dargestellt werden. Manipulatio-
nen von Daten, für die Novartis die Verant-
wortung trägt. Weil der Konzern, wie alle
großen Arzneimittelhersteller, höchst-
selbst diese Daten produziert.


Es ist ein Problem, von dem man sich
vor einiger Zeit noch erhofft hatte, dass es
durch Transparenzinitiativen zumindest
schrittweise kleiner würde. Doch so,
wie sich der pharmazeutische Markt der-
zeit entwickelt, ist eher das Gegenteil der
Fall. Beschleunigte Zulassungsverfahren,
durch die auch moderne Medikationen
wie Gen- oder Immuntherapien noch
schneller auf den Markt katapultiert wer-
den sollen, schaffen neuen Raum für an-
gebliche Lappalien. Dazu kommt die groß-
artige Idee, Daten zur Wirksamkeit und Si-
cherheit neuer Medikamente gar nicht
mehr umfassend vor, sondern teils nach
der Zulassung zu sammeln, wenn die neue
Arznei bereits an Patienten eingesetzt
wird und Umsatz macht.
Das Ziel soll sein, die neuen Arzneien
schneller zum Patienten zu bringen – um
helfen zu können, um Leben zu retten.
Was eine gute Sache ist, aber einem Phar-
maunternehmen geht es naturgemäß
nicht allein ums Menschenwohl, sondern
auch um sehr viel Geld. Arzneimittel her-
zustellen und zu vermarkten ist ein hohes
Risiko. Bis zu zwei Milliarden Dollar kos-
tet es, ein Medikament zur Marktreife zu
bringen. Moderne Biologicals, also Zell-
oder Gentherapien, von denen die Patien-
ten oft nur eine einzige Dosis benötigen,
müssen dieses Investment recht kurzfris-


tig wieder in die Kasse holen. Dieser Um-
stand erklärt zumindest teilweise die ho-
hen Preise neuer Medikamente, von meh-
reren Hunderttausend Dollar bis zum der-
zeitigen Spitzenwert von 2,1 Millionen
Dollar für eine Dosis von Zolgensma. Und
es erklärt auch, warum ein Unternehmen
mit den von ihm selbst erhobenen Daten
alles daran setzt, möglichst rasch, vor der
Konkurrenz und über Hindernisse hin-
weg, eine Marktzulassung für seine neu-
esten Entwicklungen zu bekommen.
Nicht, dass das sehr einfach wäre. Es
gibt Regeln, es gibt wachsame Behörden,
es ist nicht mehr wie zu Zeiten von Conter-
gan, als ein neues Medikamente lediglich
registriert werden musste. Doch das be-
sonders teure an Medikamentenentwick-
lungen sind eben nicht die Wirkstoffe
selbst oder die Grundlagenforschung, die
ohnehin oft noch an öffentlichen For-
schungseinrichtungen stattfindet. Das
teure sind jene Studien, die zeigen müs-
sen, dass eine neue Arznei oder Therapie
sicher ist und wirkt, bevor sie auf die
Menschheit losgelassen wird. Und weil
der Staat dieses Geld nur in seltenen Fäl-
len zur Verfügung stellen kann, werden
die meisten zulassungsrelevanten klini-
schen Studien von der solventen Pharma-
industrie eben selbst durchgeführt.
Kann man etwas daran ändern? Die un-
angenehme Antwort heißt: vermutlich
nicht. Konzepte, die von Pharmafirmen ge-
speiste Geldtöpfe vorsehen, aus denen
dann unabhängige Studien finanziert wer-
den können, sind absehbar nicht realisier-
bar. Möglich ist jedoch, die gewonnenen
Daten ans Licht zu zerren und, noch wich-
tiger, den Unternehmen ihr Selbstver-
ständnis zu nehmen, sie seien vornehm-
lich sich und ihren Aktionären Rechen-
schaft schuldig. Genau das zeigt der Fall
Novartis: Man wusste zwar im März
schon, dass im Rahmen der Zulassung
von Zolgensma manipulierte Daten im
Spiel waren. Aber man befand es für hin-
reichend, sich erst nach der Zulassung im
eigenen Hause damit zu befassen – an-
statt den Betrug gleich den Behörden zu
melden. So etwas ist kein Einzelfall, es ist
auch keine Lappalie. Es ist eine Haltung.
Diese Haltung gehört bestraft, und
zwar empfindlich. Mitarbeiter der ameri-
kanischen Arzneimittelbehörde FDA ha-
ben bereits angedeutet, dass Novartis für
seinen Einzelfall bestraft werden könnte.
Man kann nur hoffen, dass es so kommt.
Es wäre nicht zuletzt ein Signal für die drei
Viertel aller US-Pharmafirmen, die nicht
bereit sind, transparent mit ihren Studien-
daten umzugehen.

„Kein Vertrauen“ – die
Fondsmanager rechnen auch
mit dem Vorstand ab

WIRTSCHAFT

Trinkhallen wiediese im Essener Stadtteil Altenessen gehören zum Lokalkolorit des Ruhrgebiets. Die Region plagen aber Zukunftssorgen. FOTO: RALPH LUEGER/IMAGO

NAHAUFNAHME


„Selbstverständlichhatte
ich auf ein anderes Ergebnis
gehofft. Ich habe mich
auf die Arbeit
bei Metro gefreut.“
Daniel Křetínský
FOTO: AFP

Es wird eng für Osram


Die Allianz ist der größte Aktionär – und lehnt das Übernahmeangebot strikt ab. Jetzt könnte das Milliardengeschäft platzen


Hiergeblieben


Daniel Křetínský fordert einen Sitz im Aufsichtsrat von Metro gefährdetgefährdet


nicht gefährdetnicht gefährdet

2000 2016

Anschluss in Gefahr
In diesen 19 deutschen Regionen warnen die Forscher
vor Zukunftsproblemen
Ruhrgebiet

Berlin-Potsdam

Rheinland

Hamburg

Frankfurt a. M.

Stuttgart

München

Wirtschaftskraft in den Metropolräumen
BIP je Einwohner, in Euro

*Kriteriensumme der zwölf Indikatoren für Bereiche
Wirtschaft, Demografie und Infrastruktur: mindestens 1,5 SZ-Grafik; Quelle: Institut der Deutschen Wirtschaft

22 920

26 033

35 942

39 390

43 170

37 628

48 810

32 500

36 912

49 418

52 616

54 121

54 351

63 695

Rostgürtel an der Ruhr


Lahmes Internet, hohe Schuldenlast, und die Jungen wandern ab: Forscher warnen vor akuten Zukunftsproblemen
in 19 deutschen Regionen. Längst nicht alle liegen im Osten

PHARMAINDUSTRIE

Risiken und Nebenwirkungen


Werbei Studien trickst,


bringt Menschen in Gefahr und


muss daher bestraft werden


In Italien oder Spanien sind
die Unterschiede zwischen
den Regionen noch größer
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