Die Zeit - 15.08.2019

(Tuis.) #1

http://www.deutscheswirtschaftsforum.de


Das Deutsche Wirtschaftsforum führt einmal jährlich die erste
Führungsebene aus Wirtschaft und Politik in Frankfurt am Main
zusammen, um über aktuelle Fragen der Wirtschaft – auch mit
Blick auf den gesamteuropäischen Kontext – zu diskutieren.
Die Themen in diesem Jahr sind:


  • DIE WETTBEWERBSFÄHIGKEIT EUROPAS
    Wie bleibt Europa in wichtigen Zukunftsfragen handlungsfähig
    und welchen Beitrag können die Einzelstaaten leisten?

  • DIE WIRTSCHAFT IM UMBRUCH
    Was muss passieren, um im Wettlauf um Digitalisierung und
    Innovation nicht nur den Anschluss zu halten, sondern vorne
    mit dabei zu sein?

  • ZEIT FÜR DEMOKRATIE
    Vor welchen Herausforderungen steht die Demokratie und
    wie können wir sie schützen?


Weitere Informationen zum Programm und zu den Teilnahmebedin-
gungen finden Sie unter http://www.deutscheswirtschaftsforum.de


  1. Oktober 2019 · Paulskirche


Frankfurt am Main


Veranstalter: Offizieller Druckpartner:

Referenten (Auszug):

Daniel Cohn-Bendit
Deutsch-französischer
Publizist; ehemaliges Mitglied,
Europäisches Parlament

Valentina Daiber
Vorstand Recht und
Corporate Affairs, Telefónica
Deutschland

Prof. Dr. Stephanie Kelton
Professor of Economics and
Public Policy, Stony Brook
University

Dr. Jörg Kukies
Staatssekretär, Bundesminis-
terium der Finanzen

Dr. Christoph Loos
Vorsitzender der
Konzernleitung, Hilti AG

René Obermann
Managing Director, Warburg
Pincus International LLC;
Member of the Board of
Directors, Airbus SE

Mathias Oberndörfer
Bereichsvorstand Öffentlicher
Sektor, KPMG AG
Wirtschaftsprüfungs-
gesellschaft

Dr. Daniel Risch
Regierungschef-Stellvertreter
und Minister für Infrastruktur,
Wirtschaft und Sport,
Fürstentum Liechtenstein

Susanna Schneeberger
Mitglied des Vorstands/
Chief Digital Officer,
KION GROUP AG

Jean-Claude Trichet
European Chairman,
Trilateral Commission;
Former President,
European Central Bank

Medienpartner:

Fotos v.l.n.r.:

1, ©

Markus Hintzen;

9, © KION GROUP AG/Oliver Lang

Anbieter: Zeitverlag Gerd Bucerius GmbH & Co. KG, Buceriusstraße, Hamburg

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  1. August 2019 DIE ZEIT No 34


von Jesiden eigenmächtig
an sich gezogen. sie habe
gesetzeswidrig verhin-
dert, dass syrer, die
zum Beispiel bereits in
Bulgarien als Flücht-
linge registriert wor-
den waren oder gar
Asyl erhalten hat-
ten, dorthin zurück-
geschoben werden
konnten. und sie
habe einigen Jesiden,
die in den Achtziger-
und Neunzigerjahren
nach Deutschland ge-
kommen waren und
sich als türken ausgege-
ben hatten, ab 2015
rechtswidrig die Flücht-
lingseigenschaft zuerkannt,
weil diese plötzlich behauptet
hätten, syrer zu sein.
Diese Beschuldigungen sind
jedoch nach allem, was man bisher
weiß, haltlos. Als 2015 und 2016 Hun-
derttausende von Flüchtlingen in Deutsch-
land einen Asylantrag stellten, wurden hände-
ringend Bamf-Filialen gesucht, die noch freie Kapa-
zitäten hatten. Es gab keine ausschließlichen Zustän-
digkeiten. gerade Bremen galt in Fragen der Jesiden-
verfolgung als besonders kundig und wurde deshalb
immer wieder von anderen Außenstellen, etwa aus
Niedersachsen, darum gebeten auszuhelfen.
Aus heutiger sicht war es ebenso rechtens, die Ab-
schiebung von Asylbewerbern nach Bulgarien zu ver-
hindern. Noch im sommer 2016 hatte ulrike B.
deswegen den geballten Zorn des niedersächsischen
Innenministers Boris Pistorius (sPD) auf sich gezo-
gen. Weil einige Mitglieder der aus syrien stammen-
den Familie K. schon in Bulgarien Flüchtlingsschutz
erhalten hatten, versuchte die Ausländerbehörde
Hannover, diese nach sofia abzuschieben. Das Ver-
waltungsgericht hatte dafür grünes Licht gegeben,
doch die Familie K. weigerte sich zurückzukehren

und behauptete, die Lebensbedingungen für Flücht-
linge in Bulgarien seien unmenschlich.
Anwalt Irfan C., der die Familie K. vertrat,
wandte sich an ulrike B. und bat um schnelle In ter-
ven tion. Am 21. Juli 2016, unmittelbar bevor einige
Angehörige der Familie K. in Hannover in ein Flug-
zeug nach sofia gesetzt werden sollten, grätschte die
Bremer Außenstelle mit einem Abschiebeverbot da-
zwischen. Pistorius war außer sich vor Wut und be-
schwerte sich umgehend beim damaligen Bamf-
Chef in Nürnberg.
In der tat gab es damals keine einhellige Rechts-
meinung darüber, ob Flüchtlinge nach Bulgarien
zurückgeschickt werden durften. Die Richter ent-
schieden unterschiedlich. Doch mittlerweile haben
die oberen Verwaltungsgerichte ein fast ausnahms-
loses Abschiebeverbot erlassen. Im vergangenen
Herbst stellte das Bundesverwaltungsgericht klar,
dass »in Bulgarien aktuell grundlegende Defizite im
Hinblick auf die Aufnahmebedingungen« für Asyl-
bewerber bestehen, die »bei einer Abschiebung mit
beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche
oder erniedrigende Behandlung« befürchten lassen.
Es ist richtig, dass sich manche in Deutschland
lebende Jesiden einst fälschlicherweise als türken
ausgegeben haben. Das war offensichtlich Betrug.
Auch Anwalt Irfan C. kritisiert das im gespräch mit
der ZEIT und verlangt »bessere, nahtlosere Identi-
tätsüberprüfungen«. gleichwohl ändern diese täu-
schungen nichts daran, dass die Bremer Außenstelle,
nachdem besagte Jesiden mithilfe von Dokumenten
belegt hatten, dass sie in Wahrheit syrer sind, die
Anträge auf Flüchtlingsschutz positiv bescheiden
musste. Denn syrer dürfen derzeit nicht in ihre Hei-
mat zurückgeschickt werden.
Dass die Nürnberger Bamf-Zentrale dies offenbar
anders sah, dass sie die positiven Bremer Entschei-
dungen zurücknahm und diesen Jesiden die soge-
nannte Flüchtlingseigenschaft wieder aberkannte,
war laut den Verwaltungsgerichten rechtswidrig.
Kurzum: ulrike B. und Irfan C. haben nach Recht
und gesetz gehandelt.
Warum die staatsanwaltschaft Bremen dennoch
weiterermittelt und wahrscheinlich anklagen wird,
bleibt einstweilen ihr geheimnis.

POLITIK 7


D


ie Bremer Außenstelle des Bun-
desamts für Migration und
Flüchtlinge (Bamf ) wurde für
einige Monate dichtgemacht, in
Nürnberg musste Bamf-Chefin
Jutta Cordt zurücktreten, zwei
Prüfkommissionen wurden ein-
gerichtet, Bundesinnenminister Horst seehofer,
Csu, geriet enorm unter Druck. Doch was vor einem
guten Jahr als riesiger bundesweiter Asylskandal be-
gann und die Republik erschütterte, fällt in sich zu-
sammen, je länger und genauer die Justiz ermittelt.
Vom Vorwurf des massenhaften Asylmissbrauchs
und der Komplizenschaft, genauer gesagt der »ban-
denmäßigen Verleitung zur missbräuchlichen Asyl-
antragstellung«, bleibt nichts übrig. Im gegenteil,
die Hauptbeschuldigten haben rechtmäßig gehan-
delt. Das jedenfalls haben ihnen die Verwaltungs-
gerichte Hannover und Minden inzwischen mehr-
fach bescheinigt, die urteile liegen der ZEIT vor.
Aber da gibt es noch die Bremer staatsanwalt-
schaft. Auch wenn diese sich gegenwärtig nicht zum
stand ihrer Ermittlungen äußert, rechnen die Ver-
teidiger damit, dass ihre Mandanten demnächst an-
geklagt werden, vor allem die zwei Hauptbeschuldig-
ten: die ehemalige Leiterin der Bremer Außenstelle
ulrike B. und der mit ihr gut bekannte Hildesheimer
Rechtsanwalt Irfan C. Worauf die Anklage allerdings
fußen soll, ist schleierhaft.
Vor einem Jahr noch lautete der Vorwurf so: Die
Bremer Bamf-Filiale habe zwischen 2013 und 2016
insbesondere jesidischen Flüchtlingen aus syrien
rechtsmissbräuchlich in großer Zahl positive Asyl-
bescheide ausgestellt. statt sich an die gesetze zu hal-
ten, sei ulrike B. einer politischen Ideologie gefolgt.
Von rund 1200 rechtswidrigen Entscheidungen war
ursprünglich die Rede. Einige der angeblich begüns-
tigten Flüchtlinge vertrat der jesidische Rechtsanwalt
Irfan C. Er, so wurde behauptet, habe sie der Bremer
Behörde mit dem ausdrücklichen Wunsch nach ei-
nem schnellen positiven Bescheid zugeführt. Manche
sahen bereits ein Verbrecherkartell am Werk, der be-
hauptete skandal zog weite Kreise – bis nach Berlin.
Das lag zum einen an der aufgerauten stimmung,
CDu, Csu und sPD, die Partner der großen Koali-


tion, drohten sich über das
Asylrecht zu zerstreiten.
und zum anderen gibt
es einige unbedachte,
öffentlich gewordene
Äußerungen, die der
ehemaligen Bremer
Behördenleiterin zu-
geschrieben werden.
sie nährten den Ver-
dacht, dass ulrike B.
eher aus menschli-
chem Mitgefühl und
aus einem überschie-
ßenden politischen
Impuls heraus die
vielen positiven Asyl-
entscheidungen erlassen
hatte – und nicht nach
der gesetzeslage und mit
dem kühlen Verstand einer
erfahrenen Juristin.
um dem Verdacht auf den
grund zu gehen, setzte die Nürn-
berger Bamf-Zentrale eine interne
Arbeitsgruppe ein. Bis zu 68 Mitarbei-
ter mussten selbst weit zurückliegende
Zeiträume unter die Lupe nehmen. Am Ende
überprüften sie knapp 12.000 Akten mit rund
18.000 positiven Asylbescheiden, die ulrike B.s Au-
ßenstelle zwischen 2006 und 2018 getroffen hatte.
und jetzt, ein gutes Jahr später? Nach den bisher
vorliegenden Ergebnissen der Überprüfung im
Bamf beträgt die Fehlerquote der Bremer Entschei-
dungen lediglich etwa ein Prozent. so stand es im
März in einer schriftlichen Antwort der Bundes-
regierung auf eine Anfrage der Bundestagsabgeord-
neten ulla Jelpke. Damit hat die Bremer Filiale weit
besser gearbeitet als viele andere Außenstellen. Mehr
noch: Nach diesen rund 12.000 Aktenüberprüfun-
gen hat die Zentrale in Nürnberg lediglich 28 positi-
ve Asylbescheide zurückgenommen und korrigiert,
weil sie ihrer Meinung nach rechtswidrig waren.
ulrike B. und Irfan C. wurde insbesondere drei-
erlei vorgeworfen: Die Bremer Außenstelle habe Fälle

H


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positive Asylbescheide hat das Bamf überprüft


28


hat die Behörde anschließend für fehlerhaft erklärt


Es habe in Bremen


massenhaft Asyl-


betrug gegeben,


hieß es vor einem


Jahr. Nun fallen die


Vorwürfe in sich


zusammen


VON MARTIN KLINGST
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