Focus - 10.08.2019

(Sean Pound) #1
GESELLSCHAFT

Fotos: Daniel Hinz/API, imago images


FOCUS 33/2019 27

Unsere Freundschaft hält, uns treibt nichts
mehr auseinander.“ Reinstes Hoeneß-
Pathos. Aber auch Hainer hat das Getra-
gene drauf: „Ein Freund, mit dem du wei-
nen kannst, ist ein Geschenk“, sagte er in
einem Doppelinterview mit Hoeneß. Der
stand ihm bei, als 2006 Hainers 23-jährige
Tochter Kathrin an Lungenembolie starb;
umgekehrt war Hainer einer der Ersten,
der Hoeneß im Gefängnis besuchte: „Das
macht Freundschaft aus: Man steht zu sei-
nem Freund, unabhängig von dem, was
opportun ist.“ Brüder im Geiste.

Verträge per Handschlag
Mit dem Ball waren sie allerdings
nicht gleich gut. Während dem
einen auf Rechtsaußen eine Welt-
karriere gelang, blieb der andere
trotz Profi-Ambitionen als Links-
außen in der Niederbayern-Aus-
wahl hängen. Am mangelnden
Ehrgeiz lag es nicht: Einmal soll
Hainer den Schiedsrichter we-
gen eines Elfmeters gegen sein
Team energisch bearbeitet ha-
ben – beim Stand von 8 : 0, in der


  1. Minute.
    Zehn Kilometer waren es für
    ihn von zu Hause zum Training,
    durch Unterhollerau, vorbei an
    Obertunding, eine menschen-
    leere Gegend. 40-jähriges Beste-
    hen hat die Altherrenmann-
    schaft des FC Ottering gerade
    gefeiert, mit Turnier, Sonnwend-
    feuer und Alleinunterhalter. Eine
    gewisse Zerrissenheit kann man
    dem Dorfclub zwischen Kirch-
    turm und Pferdekoppel nicht
    absprechen: Während auf einer
    Blech-Werbebande „Einmal
    Löwe, immer Löwe“ steht, heißt es ein
    paar Meter weiter „FC Bayern: Gehasst!
    Verdammt! Vergöttert!“. Familienintern
    lagen die Löwen vorn: Hainers jüngerer
    Bruder Walter spielte 1981 als Libero beim
    TSV 1860 München in der Bundesliga, mit
    einem gewissen Rudi Völler. Es reichte nur
    für drei Spiele, das letzte endete 2 : 7 beim
    Karlsruher SC.
    Während Hainers älterer Bruder Otto
    nach Dingolfing aufs Gymnasium durfte
    und Lehrer wurde, landete Herbert auf
    der Realschule, machte das Abi nach und
    schloss die Fachhochschule in Landshut
    als Diplom-Betriebswirt ab. Früh versuchte
    er sich als Geschäftsmann: Mitten in Din-
    golfing machte er aus dem altehrwürdigen
    „Gußofen“, einem Gasthaus aus dem Jahr


Herbert Hainer startete nach seinem
Intermezzo als Wirt durch: 1979, mit 25,
heuerte er bei Procter & Gamble an. Spä-
ter sagte er über diese Zeit: „In diesen
acht Jahren habe ich sicher am meisten
im Management gelernt.“ Die nächste
Stufe: Adidas, Sales Director Hardware
für Taschen, Schläger und Bälle. Zehn
Jahre später stieg er in den Vorstand der
AG auf – und lernte Hoeneß kennen, als
er für Adidas, heute mit 8,33 Prozent an
der FC Bayern München AG beteiligt, bei
Verhandlungen dabei war. Der Beginn
einer wunderbaren Freundschaft. Hai-
ner sagt: „Erstens ticken wir in vielen
Dingen relativ gleich. Und dann hat sich
durch die Gespräche schnell Vertrauen
aufgebaut.“ Hoeneß sagt: „Wenn wir ver-

handelt haben, habe ich nie etwas aufge-
schrieben. Wir haben uns die Hand gege-
ben, und die Juristen haben hinterher
gearbeitet. Da kam keiner vier Wochen
später und hat gesagt, dies und das will
ich anders haben.“
Von 2001 bis 2016 stand Hai-
ner an der Spitze des Konzerns
mit den drei Streifen – nur Adi
Dassler war länger Chef, von
1949 bis 1978. Einige Zahlen
zu Hainers Wirken: Bis auf 2009
und 2014 steigert er jedes Jahr
den Gewinn zweistellig. Den
Umsatz hat er von 5,8 Milliar-
den Euro anno 2000 auf knapp
19 Milliarden mehr als ver-
dreifacht, den Börsenwert von
drei Milliarden Euro auf über
30 Milliarden verzehnfacht.
Der Gewinn in seinem letzten
Geschäftsjahr: eine Milliarde
Euro – mehr als fünfmal so viel
wie 2001.
Hainer erhielt zahlreiche Aus-
zeichnungen: Unternehmer des
Jahres 2005 (Verband Deutscher
Zeitschriftenverleger), Deut-
scher Image-Award 2006 (FAZ-
Institut), Bundesverdienstkreuz
2008, Manager des Jahres 2010
(„Manager Magazin“), Bayeri-
scher Verdienstorden 2011, Top
100 CEOs der Welt 2014 und 2015 („Har-
vard Business Review“). Kritik? Nur die
indifferente Haltung von Adidas ange-
sichts der zahllosen Fifa-Skandale verär-
gerte manchen.
Als Hainer im Oktober 2016 zum
Abschiedsspiel ins Adi-Dassler-Stadion
von Herzogenaurach einläuft, trägt er
wegen einer gebrochenen Schulter den
Arm in der Schlinge, wie einst Franz
Beckenbauer. Kurz vor Schluss verwan-
delt er einen Elfer, flach ins rechte Eck,
4 : 2 – natürlich für Hainers Mannschaft.
Einer, der immer zu gewinnen scheint.
Erkundigt man sich bei Adidas nach
seinem Führungsstil, heißt es: zielstrebig,
fordernd und bestimmt, dabei immer fair,
teamorientiert, mit Herz und einer

Kapitän und Lotse Hoeneß dürfte auch nach seinem
Abgang den Kurs des FC Bayern maßgeblich bestimmen.
Und er weiß, dass Hainer in seinem Sinne agiert

„Der Herbert hat mich immer öffentlich verteidigt.


Uns treibt nichts auseinander“
Hoeneß über Hainer

1643, einen Pub. Nach kurzer, erfolgrei-
cher Zeit verkaufte er wieder. Seit ver-
gangenen Dezember ist der Laden dicht;
an der verschlossenen Tür plakatiert die
Konkurrenz: Der Landauer Club „Up-
stairs“ lockt mit einer Ü30-Party.
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