Focus - 10.08.2019

(Sean Pound) #1
KOLUMNE

FOCUS  

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Instituts für Klimafolgenforschung,
spricht von einer „großen Trans-
formation“, ein Begriff, der nicht
von ungefähr an den „großen
Sprung“ von Mao Tsetung erinnert.
Als Einstieg sollten zehn Prozent
der Sitze im Bundestag für Ombuds-
leute reserviert werden, die „aus-
schließlich die Interessen künftiger
Generationen vertreten“, wie
Schellnhuber vorschlägt.
Die Australier David Shearman
und Joseph Wayne Smith fordern,
die Idee der Demokratie ganz auf-
zugeben. „Wir benötigen eine auto-
ritäre Regierungsform, um den Kon-
sens der Wissenschaft zu Treibhaus-
gasemissionen zu implementieren“,
schrieben sie schon vor zwölf Jah-

ren in ihrem Buch „The Climate
Change Challenge and the Failure
of Democracy“.
Der Nachteil jeder radikalen
Lösung: Man hat nur einen Ver-
such. Wenn sich anschließend her-
ausstellen sollte, dass man Neben-
wirkungen nicht bedacht hat, ist es
zu spät. Interessanterweise ist gera-
de die Bilanz der Grünen, was die
Weitsichtigkeit ihrer Entscheidun-
gen angeht, durchwachsen. Von
der Einführung des Dosen-
pfands hat sich die Mehrweg-
flasche bis heute nicht
erholt. Die Förderung
des Biosprits hat
gigantische Mais-
wüsten hervorge-
bracht, in denen
keine Biene und kein
Schmetterling mehr
existieren.
In einem Fachaufsatz
habe ich gelesen, dass
man sich noch nicht einmal
sicher sein kann, ob die
Sofortabschaltung aller Koh-
lekraftwerke nicht mehr Scha-
den anrichtet als dass es nützt.
Die Schwefelpartikel reflektieren
Sonnenlicht. Eine schlagartige Re-
duktion würde möglicherweise
dazu führen, dass es auf der Erde
zunächst noch einmal deutlich
heißer wird.
Vielleicht ist die Demokratie
doch keine so schlechte Idee. Kom-
promisse haben den Vorteil, dass
sie weniger Unheil anrichten.
Redundanz bedeutet Sicherheit.
Das sollten eigentlich vor allem
Leute wissen, die ansonsten bei
jedem Großprojekt das Schlimmste
befürchten. n

D


er Flirt mit der Öko-
Diktatur ist die dunkle
Seite der Klimadebat-
te. Wer davon über-
zeugt ist, dass der Welt
nur noch wenige Monate bis zum
Tag des Jüngsten Gerichts bleiben,
muss den Politikern das Mandat
entziehen. Ich weiß, das hört nie-
mand gern, am wenigsten die Kli-
maschützer, die am Freitag auf die
Straße gehen. Wer will schon zuge-
ben, dass er die Demokratie für eine
Regierungsform hält, die leider aus
der Zeit gefallen ist? Aber das ist die
Konsequenz des apokalyptischen
Denkens.
Hans Joachim Schellnhuber,
Direktor emeritus des Potsdam-

Countdown bis
zum jüngsten Tag
Illustration
von Marie Wolf

JAN FLEISCHHAUER

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