Der Stern - 08.08.2019

(Ann) #1
FOTOS: CHRISTOPH BUSSE/STERN; BERNHARD KUEHMSTEDT

Sandy Mölling, 38,
wuchs als Tochter
einer Kranken-
schwester und
eines Diplominge-
nieurs in Koblenz
auf. Mit 16 brach
sie die Schule
ab und jobbte als
Verkäuferin in
einem Jeansladen,
ehe sie im Novem-
ber 2000 bei einem
TV-Casting für
die Girlgroup „No
Angels“ ausgewählt

wurde. Deren erste
Single „Daylight In
Your Eyes“ landete
bereits auf Platz
eins der Charts.
Nach acht Alben
löste sich die Band
2014 endgültig auf.
Heute lebt Mölling
mit ihrem Mann,
dem kanadischen
Musiker und Pro-
duzenten Nasri
Atweh, und ihren
zwei Kindern in
Los Angeles.

F


rau Mölling, vor fünf Jahren lösten
sich die „No Angels“ endgültig auf,
und Sie zogen kurz darauf nach
Los Angeles. Wie sieht Ihr Leben
dort aus?
Ich bin froh, dass ich diesen Schritt
gewagt habe. Es hat eine Weile gedauert,
bis ich mich dort zu Hause gefühlt habe.
Ich hänge an Deutschland und vermisse
die Gradlinigkeit, die die Menschen hier-
zulande auszeichnet. Aber inzwischen lie-
be ich mein neues Leben in Los Angeles.
Ich genieße es, keine Fernbeziehung mehr
mit meinem Mann führen zu müssen, der
als Musiker in den USA arbeitet
Wie oft kommen Sie noch nach Deutsch-
land?
So oft es eben geht. Dieses Jahr habe ich im
Sommer ein paar Wochen Station in Mag-
deburg gemacht, wo ich beim Musical
„Chicago“ gespielt habe. Und jetzt über-
nehme ich die Hauptrolle der Johanna im
Musical „Die Päpstin“ in Stuttgart. Das
freut mich total. Endlich kann ich wieder
mehr Zeit mit meiner Mutter und meinen

vier Geschwistern verbringen. Meine Söh-
ne begleiten mich die ganze Zeit. Mein
jüngster Sohn Noah besucht auch einen
deutschen Kindergarten. Er versteht und
spricht jetzt auch viel besser Deutsch. Nun
hat er die Chance, die Sprache seiner Mut-
ter richtig zu lernen.
Bei einem TV-Casting im Jahr 2000 wur-
den Sie aus 4500 Mädchen für die Girl-
group „No Angels“ ausgewählt. Wie erin-
nern Sie sich daran?
Das war eine unglaublich intensive Zeit.
Jess, Lucy, Vanessa, Nadja und ich waren
eine eingeschworene Gang. Es gab ein gro-
ßes Zusammengehörigkeitsgefühl unter
uns. Aber unser Aufstieg passierte einfach
unglaublich schnell, so dass wir gar nicht
merkten, wie überfordert wir schon nach
zwei, drei Jahren waren. Wir hätten früher
die Notbremse ziehen müssen. Stattdes-
sen fühlten wir uns unseren Fans gegen-
über verpflichtet, immer mehr zu geben.
Das ging dann so weit, dass Vanessa mal
während eines Interviews vor Erschöpfung
einschlief.
Nach Ihrer ersten Auflösung gab es 2007
eine Wiedervereinigung der „No Angels“.
Überschattet wurde das Comeback von
Schlagzeilen über die HIV-Infektion
Ihrer Band-Kollegin Nadja Benaissa. Sie
musste sich 2010 vor Gericht verantwor-
ten, weil sie ungeschützten Sex mit meh-
reren Männern hatte, ohne diese auf ihre
Erkrankung hinzuweisen.
Nadja hat Dinge getan, die nicht in Ord-
nung waren. Dessen ist sie sich bewusst
und hat dafür die Verantwortung über-
nommen. Wir waren fest entschlossen,
diese Welle an negativer Berichterstattung
gemeinsam durchzustehen. Es gab eine
richtige Hetze, alles war überdeckt von die-
ser Geschichte. Niemand sprach mehr über
unsere Musik. Das fand ich sehr schade
und auch unfair.
Haben Sie heute noch Kontakt mitei-
nander?
Jess steht mir am nächsten, aber auch Nad-
ja habe ich kürzlich in Magdeburg wieder-
getroffen. Sie singt in einem Gospelchor
und arbeitet als Backgroundsängerin.
Zu Lucy habe ich gelegentlich, zu Vanessa
keinen Kontakt mehr.
Halten Sie eine erneute Wiedervereini-
gung der „No Angels“ für möglich?
Nein. Das Kapitel ist abgeschlossen. Ob-
wohl ... vielleicht mal für einen Auftritt,
für einen besonderen Anlass. Das will ich
nicht kategorisch ausschließen. Aber wir
können nicht so tun, als wären wir wieder
19 Jahre alt und könnten noch mal von vorn
anfangen. 2
Interview: Hannes Roß

Die Sängerin wurde 2000 mit der Girlgroup No Angels bekannt.
Deren größter Hit: „Daylight In Your Eyes“

Sandy Mölling


Sandy Mölling,
38, in einem Park
in Magdeburg

122 8.8.2019

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