Der Stern - 08.08.2019

(Ann) #1

Der Wolf ist zum Abschuss freigegeben, er stört
den ländlichen Frieden in einem Dorf bei Mag-
deburg. Zumal er schon dreißig Schafe gerissen
hat. „Klar, da wird man dann hingerichtet“, kom-
mentiert Kommissarin Brasch (Claudia Michelsen)
bitter. Sie, die ewige Außen seiterin, kann sich mit
dem Tier identifizieren. Ebenso wie mit einem an-
deren Störenfried, dem charismatischen Russen
Jurji, der in dem kleinen Ort das soziale Gefüge
durcheinanderbrachte: Viele Frauen waren wild
nach ihm, eine erwartet sein Kind, viele Männer
machte er sich zum Feind, denn:
„Er hat alles besprungen, was
nicht bei drei auf den Bäumen
war“. Nun ist Jurij verschwunden,
man fand nur sein Auto und liter-
weise Blut. Die Suche nach Leiche
und Täter in Jurijs Wahlheimat
bringt Kommissarin Brasch zur
Weißglut. Zum Glück ist ihr feinfühliger Kollege
Köhler (Matthias Matschke) dabei, der den Dorf-
bewohnern mit mehr Geduld, Empathie und hin-
tersinnigem Witz auf den Zahn fühlt.


Matschkes würdiger Abschied
Zum letzten Mal sehen wir Matthias Matschke an
der Seite von Claudia Michelsen, für die noch ein
neuer Kollege gesucht wird. Man könnte argu-
mentieren, dass der vielbeschäftigte Star in der
Rolle des leisetretenden Sidekicks ohnehin unter-
fordert war, doch gerade sein letzter, sehr präg-
nanter Einsatz macht klar, dass er uns fehlen wird.
Aber was soll’s, als Krimifan freut man sich erstmal

über das Ende der sonntäglichen Sommerpause,
das 2019 schön früh kommt, mitten in den Hitze-
monaten. In diese Zeit passt „Mörderische Dorfge-
meinschaft“ bestens, die karge Natur ist von der
Sonne ausgebleicht wie in alten Western, die flir-
rende Hitze lastet auf den Dorfbewohnern ebenso
wie die allseitigen Verdächtigungen. Es gibt eine
ganze Reihe von Menschen, die als Mörder in-
frage kommen, und auch diese Nebenrollen sind
bestens besetzt. Hervorgehoben seien Hans-Uwe
Bauer als knurriger Vater der schwangeren Jurij-
Braut, Tom Keune als gehörnter
Gatte Guido und Katrin Wich-
mann als Gattin des Bäckers, der
Jurij geradezu verehrte. Nach
und nach wird ein beklemmen-
der Mikrokosmos ausgeleuchtet:
War Jurij darin eher ein beleben-
der Fremdkörper oder ein Schma-
rotzer ohne Gewissen?
Nach diesem gelungenen Auftakt der Krimisaison
bleiben die ARD-Sonntage zunächst den Ermitt-
lern aus östlichen Gefilden vorbehalten – und sehr
düsteren Fällen: Am 18.8. folgt der „Tatort: Neme-
sis“ aus Dresden. Cornelia Gröschel ermittelt zum
zweiten Mald an der Seite von Karin Hanczewski,
es geht um den tragischen Tod eines Familien-
vaters. Am 25.8. dann der „Polizeiruf 110“ mit dem
deutsch-polnischen Duo Maria Simon und Lucas
Gregorowicz, unter dem Titel „Heimat liebe“ gera-
ten Rechtsextremisten in Mordverdacht.

Sonntag, ARD, . Uhr

„Er hat alles
besprungen, was
nicht bei drei auf
den Bäumen war.“

Ein sehenswerter „Polizeiruf “ aus Sachsen-Anhalt erö net


die neue Krimisaison: Hat die „Mörderische Dorfgemeinscha “


kurzen Prozess mit einem wilden Außenseiter gemacht?


Böser Wolf


Titelfoto & F otos: MDR/ lmpool  ction/Stefan Erhardt | Text: Oliver Kinser

Oben: Wolf (Hans-Uwe Bauer) verteidigt
Heim und Tochter (K. Heyer). Unten: Der
tierische Wolf spielt als Metapher mit.
Unten, l.: Köhler (M. Matschke, l.) befragt
Guido (Tom Keune). Ganz unten: Köhler
und Brasch (C. Michelsen, r.) verhören die
Bäckergattin (Katrin Wichmann)




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