Der Stern - 08.08.2019

(Ann) #1
Precht beklagt den allgegenwärtigen „Lärm,
die Geschwindigkeit, die Dauerwerbung und
den Aufmerksamkeitsraub, die in die sozialen
Räume eindringen, ins gemeinsame Essen
mit Kindern am Tisch, die Verbundenheit
auflösen und Geborgenheit, Stille und das
,Bei-sich-Sein‘ zerschneiden“. Kein Wunder,
dass so viele Menschen Sehnsucht nach Ruhe,
Aufgehoben-Sein, echter Gemeinschaft und
Resonanz ohne Stress haben.
Lange galt die individuelle Selbstoptimie-
rung im Rausch des Immer-mehr als das Maß
aller Dinge. Mach das Beste aus dir! Werde
reicher, gesünder, attraktiver, erfolgreicher!
Sei siegreich! Denk an dich! Dabei sind wir
Menschen biologisch gesehen alles andere als
Einzelkämpfer. Der Arzt, Neurowissenschaft-
ler und Psychotherapeut Joachim Bauer
betont die enorme Wichtigkeit von Zugehö-
rigkeitserfahrungen und Vernetzung. Das
Gehirn sei ein sozial konstruiertes Organ und

von Resonanz abhängig. „Das innerste Selbst,
der Persönlichkeitskern eines Menschen“, so
Bauer, „bildet sich aus Mosaiksteinchen, die,
beginnend mit den ersten Lebensmonaten, in
uns hineingelegt, die uns mitgegeben wurden
und werden. So wie eine angezupfte Gitarren-
saite durch die von ihr ausgesandten Schall-
wellen die entsprechende Saite einer zweiten
Gitarre zum Klingen bringen kann, so könnten
auch Menschen durch die von ihnen ausge-
hende Körpersprache und durch die Tonalität
ihrer Sprache einen anderen Menschen in
Resonanz versetzen.“

Do it yourself!


Mediziner und Psychologen halten denn auch
die im Land wachsende Vereinzelung und Ein-
samkeit für ähnlich gesundheitsschädlich wie
Alkoholmissbrauch. Gemeinsamkeit macht
glücklich. Resonanz als Medizin. Noch besser,
wenn dann auch noch etwas zusammen

30 8.8.2019

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