„Paarlauf für
Deutschland“ –
so heißt der
Bildband von
Christian Irrgang.
Er erscheint im
Oktober bei Berg
& Feierabend,
192 S., Preis:
49,90 Euro
Andreas Hoidn-
Borchers (l.) und der
Fotograf Christian Irr-
gang begleiten Steinmeier
seit Amtsantritt. Von allen Präsidenten,
die sie erlebten, ist er der entspannteste
profilieren. Dafür steckt einfach zu
viel Politiker in ihm.
Über die Mechanik der Macht und
des Regierens muss ihm keiner was
erzählen. Er war Außenminister,
Kanzlerkandidat und Fraktionschef.
Er hat die Staatskanzlei in Nieder-
sachsen geführt und das Kanz-
leramt in den sieben rot-grünen
Jahren. Gerhard Schröder malte die
großen Linien, Steinmeier kümmer-
te sich ums Detail. Seinen „Mach
mal“ nannte ihn Schröder. Es gehört
zur Ironie der Geschichte des Bun-
despräsidenten Steinmeier, dass er
nun gegen jene Spaltung anzu-
kämpfen versucht, die auch er mit
verursacht hat – als geistiger Vater
der Hartz-IV-Gesetze.
Als Präsident lädt der einstige
Adlatus Steinmeier nun den Alt-
kanzler zu dessen 75. Geburtstag
samt ein paar alten Kumpeln und
Weggefährten zum Ehrenessen in
seine Dienstvilla ein. Für die großen
Linien ist Steinmeier jetzt selbst zu-
ständig, was noch lange nicht heißt,
dass er Details anderen überließe.
Berüchtigt die „Grünstiftfassung“,
wenn Steinmeier wieder mal peni-
bel einen Redetext überarbeitet hat.
Der vom Mach-Mal zum Mahn-
Mal Mutierte ist kein Großrhetor
und Schwerpathetiker wie sein
Vorgänger Joachim Gauck. Er
kommt, nun ja, bodennäher daher.
Ein großer Vortragskünstler wird
nicht mehr aus ihm. Was ein biss-
chen schade ist, weil Steinmeiers
Reden inhaltlich gar nicht mal so
übel sind.
Die beste hat er voriges Jahr am
- November im Bundestag gehal-
ten, die Rede eines Republikaners
zur Verteidigung der Republik. Er
schlug darin einen großen Bogen
von Weimar („Historisch gescheitert
ist nicht die Demokratie – histo-
risch gescheitert sind die Feinde der
Demokratie“) bis heute, mit unver-
hohlenen Seitenhieben auf die AfD:
„Wir dürfen nicht zulassen, dass
einige wieder von sich behaupten,
für das ,wahre Volk‘ zu sprechen.“
„Diese Rede wollte ich halten, die
trage ich seit 40 Jahren in mir“, sagt
Steinmeier. Im Garten hat das Häm-
mern aufgehört. „Bonn ist nicht
Weimar – die frühe Bundesrepublik
hat den Satz noch so verstanden,
dass diese Demokratie stabil ist und
immer ausreichend Demokraten
zur Verfügung stehen, um sie zu ver-
teidigen. Vielleicht spüren wir jetzt
erst: Zum Wesen der Demokratie
gehört, dass nichts garantiert ist.“
Nein, nichts ist garantiert. Nicht
einmal, dass ihm eine zweite Amts-
zeit vergönnt ist – egal, wie gut er
seinen Job macht. Wollen würde er
wohl gern. Ihm macht das Amt Spaß,
vielleicht auch, weil die Zeiten so
unübersichtlich sind und die Welt –
„aus den Fugen“. Aber die Schwind-
sucht der SPD macht eine Wieder-
wahl unwahrscheinlich.
Steinmeier könnte also froh sein
über die gescheiterten Jamaika-
Verhandlungen. Zeitgeschichtlich
betrachtet hatte er seinen Präsiden-
ten-Moment schon, zudem einen
machtvollen, der in Erinnerung
bleiben wird.
Könnte allerdings sein, dass in der
zweiten Halbzeit weitere hinzu-
kommen. 2