Der Stern - 08.08.2019

(Ann) #1
ums in Berlin zurück. Sowie das
Wohnrecht in alten Schlössern. Es
geht offenbar auch um die Deu-
tungshoheit des ganzen Hauses Ho-
henzollern – so der Stammesname
der Preußen – und seiner nicht im-
mer ruhmreichen Geschichte.
Die Aufregung ist seitdem groß.
„Es wird Zeit, dass wir endlich die
Adelstitel als Namensbestandteile
verbieten und die Machtansprüche
dieser Leute in Schranken weisen“,
fordert etwa Berlins Juso-Vorsitzen-
de Annika Klose. Und der Theater-
dramaturg Bernd Stegemann be-
schimpft die Preußenfamilie in
einem Gastbeitrag für das Magazin
„Cicero“ als „kriminellen Clan“ und
will sie im Humboldt Forum „als
lebendiges Exponat ausstellen“.
Obwohl „Herr Preußen“ nüchtern
betrachtet nichts Unerhörtes tut: Er
bemüht den Rechtsstaat, um stritti-
ge Besitzverhältnisse end gültig und
rechtskräftig zu klären. Ein giganti-
sches PR-Desaster ist es trotzdem.
Verständlich, dass Georg Friedrich
von Preußen sich im Gespräch we-
niger auf seine gekrönten Vorfahren
wie Kaiser Wilhelm II. bezieht. Sein
Vorbild sei der eigene Großvater
Louis Ferdinand Prinz von Preußen,
der „sich an die neuen Zeiten anzu-
passen vermochte und in den USA
sogar einmal bei Ford am Fließband
gearbeitet hat“, wie er stolz berich-
tet. „Er ist 1907 geboren und in der
Monarchie erzogen worden – da
ging es noch darum, selbst Kaiser
zu werden. Meine Familie musste
damit zurechtkommen, dass das
plötzlich unwahrscheinlich wurde.
Auch wenn wir sehr großzügig ab-
gefunden worden sind.“ Der wirk-
lich harte Verlust sei erst nach dem
Zweiten Weltkrieg gekommen, so
von Preußen.
Auch darum geht es nun in der
Auseinandersetzung mit dem Bund
sowie den Ländern Berlin und Bran-
denburg. Laut Ausgleichsleistungs-
gesetz von 1994 könnte es für die Klä-
rung von Rückgabeansprüchen maß-
geblich sein, ob ein Anspruchsteller
oder seine Vorfahren dem NS-Regime
„erheblichen Vorschub“ geleistet ha-
ben. Der brandenburgische Finanz-

minister Christian Görke (Linke)
sagt, dass er einem Prozess gelassen
entgegensieht. Er hält die Verstri-
ckungen einiger Mitglieder des Hau-
ses Hohenzollern ins Naziregime für
„historisch unmissverständlich be-
legt“. Andere Politiker sind nicht die-
ser Meinung. Der Ausgang ist noch
völlig offen.
Georg Friedrich von Preußen will
sich im Moment nicht dazu äußern.
Ausgerechnet Georg Friedrichs
2015 verstorbener Onkel Friedrich
Wilhelm Prinz von Preußen, mit
dem der Hauschef lange im Clinch
lag, hat in seiner Doktorarbeit die
glühende Verehrung manches Kai-
sersohns für Adolf Hitler umfas-
send dokumentiert. Aber auch die
Rolle der Prinzen Oskar und Louis
Ferdinand im deutschen Wider-
stand wird ausführlich beschrieben.

Eine Frage, die viele Familien spal-
tet: Während sich ein großer Teil der
adeligen Großvätergeneration in den
Dienst des Faschismus stellte, stan-
den andere auf den Fahndungslisten
der Gestapo oder saßen im Konzen-
trationslager. Als Hitler das Attentat
am 20. Juli 1944 überlebt hatte, soll er
geknurrt haben: „Das waren die Vons.“

D


er vielleicht anstehende
Prozess ist nur einer von
vielen Punkten, an dem
sich die ehemals regie-
renden deutschen Fürstenhäuser
mit der bürgerlichen Gesellschaft
reiben. Bei den Nachfahren treten
auch die Unterschiede deutscher
Mentalitäten hervor. Während in
Berlin ein Abkömmling von Fried-
rich dem Großen als Barkeeper
arbeitet, lebt der Herzog von Bayern
in einem Trakt des Schlosses Nym-
phenburg, hat in der Staatsoper eine
eigene Loge samt Personal zur freien
Verfügung und wird auf offiziellen
Empfängen als „Königliche Hoheit“
begrüßt.
„Fast alle Adeligen aus großen
Familien existieren als Hybride zwi-
schen Moderne und Vormoderne“,
sagt der Historiker Stephan Mali-
nowski. „Die meisten von ihnen
leben eine moderne Biografie,
gleichzeitig haben sie noch diese

„WER DEN ALTEN ADEL ABSCHAFFEN WILL, MÜSSTE DIE FRANZÖSISCHE LÖSUNG WÄHLEN“


Luitpold Prinz
von Bayern (im
hellblauen Hemd)
als Gastgeber
der Ritterspiele
auf Schloss
Kaltenberg. Aus­
geschenkt wird
sein eigenes Bier,
benannt nach
König Ludwig

Seine Vorfahren
standen jahr­
hundertelang an
der Spitze des
Heiligen Römi­
schen Reiches.
Ferdinand Habs­
burg träumte
davon, Autorenn­
fahrer zu sein. Es
reicht immerhin
für die Deutsche
Touren­Masters

72 8.8.2019
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