Der Stern - 08.08.2019

(Ann) #1
FOTO: STEFFEN ROTH/STERN

gegen, dass die Waldbewirtschaf-
tung durch, wie er sagt, „ökologisch
zwecklose, enteignungsartige Auf-
lagen“ erschwert wird.
„Ich hatte die zuständigen Politi-
ker darauf hingewiesen, dass die
forstlichen Einkünfte für den Erhalt
der Baudenkmäler benötigt werden,
und das liegt ja auch im öffentlichen
Interesse. Daraufhin hat sich ein
Abgeordneter, ein forstlich ah-
nungsloser ehemaliger Lehrer, hin-
gestellt und öffentlich gesagt: Der
Wald gehört allen, er ist nicht dazu
da, die Taschen eines Einzelnen zu
füllen. Da wird eine klassenkämp-
ferische Neiddebatte geführt, als
hätte sich in den letzten hundert
Jahren wirtschaftlich nichts geän-
dert.“ Tatsächlich bewohnt die Fami-
lie Schaumburg das Schloss mit sei-
nen 250 Zimmern zwar, hat es aber
gleichzeitig bis auf einen privaten
Trakt für die Allgemeinheit geöffnet.
Man kann den prunkvollen Festsaal
für private Hochzeitsfeiern mieten,
eine Fürstliche Hofreitschule be-
wundern, die es zu Zeiten, als hier
der Fürst noch regierte, gar nicht gab.
Wer will, kann für 85 Euro an einem
Kaiserdinner teilnehmen, bei dem
Darsteller als gekrönte Häupter aus
der Geschichte neben einem Platz
nehmen. Was gefällt, das geziemt
sich auch. Wie geschmeidig man mit
der eigenen Vermarktung harmo-
niert, lässt sich an einem Nachmit-
tag auf Bückeburg live beobachten.

D


ie fürstliche Patchwork-
familie ist zusammenge-
kommen, um den stern
zum Gespräch zu emp-
fangen. Alexander zu Schaumburg-
Lippe mit seiner Lebensgefährtin
Mahkameh Navabi, einer Iranerin,
seine Ex-Frau Lilly zu Sayn-Wittgen-
stein-Berleburg und ihr gemeinsa-
mer Sohn Donatus albern durch die
historischen Gemächer. Im Festsaal
setzt sich Schaumburg, der als noto-
rischer Showman gilt, an den Flügel
und freejazzt ein wenig. Etwas zöger-
lich lugt eine Gruppe von Schlossbe-
suchern, die eine Führung gebucht
haben, zur Tür herein. Der Hausherr
winkt freundlich, staunend betrach-

ten die Menschen aus Sicherheitsab-
stand die Fürstenfamilie.
Alexander zu Schaumburg-Lippe
gilt nun aber auch durchaus als
streitbar. „Der Adel ist nicht abge-
schafft, sondern seine Privilegien“,
sagt er. „Wer den Adel abschaffen
will, der müsste die französische Lö-
sung wählen“, formuliert er messer-
scharf – und meint damit die Guil-
lotinen der französischen Revolu-
tion. FDP-Mitglied Schaumburg ist
sich bewusst, dass eine Gesellschaft,
in der über Enteignungen zum
Wohle der Allgemeinheit debattiert
wird, für dynastische Modelle noch
brandgefährlich werden kann.
Als Blogger in den sozialen Medien
scheut er kaum eine Auseinander-
setzung, kämpft für das freie Wort,
gegen AfD-Politiker und gegen Zeit-
genossen, die sich über zweifelhafte
Adoptionen aristokratische Namen
angeeignet haben. Und provoziert
bewusst mit seinen Thesen, zum Bei-
spiel: „Ein Schlagwort heute ist grup-
penbezogene Menschenfeindlich-
keit als Erweiterung des Rassismus-
begriffs“, sagt er. „Alle möglichen
Menschengruppen sollen davon er-
fasst werden. Nur eine nicht, wie es
scheint, und das sind wir.“
Inzwischen hat die Runde in einem
Salon Platz genommen und sich
Zigaretten angesteckt. Lilly zu Sayn-

Wittgenstein berichtet über Eigen-
artigkeiten aus dem Prinzessinnen-
dasein: „Man muss damit umgehen
können, dass auf einen das Klischee
angewandt wird, das sich ein Walt
Disney über Prinzessinnen ausge-
dacht hat.“ Als besonders absurd sei
ihr die Begegnung mit einem bud-
dhistischen Mann in Thailand in Er-
innerung. „Der hat sich auf die Knie
geworfen, als er uns identifiziert hat-
te, weil er der Ansicht war, wir müss-
ten aufgrund unserer Vorfahren be-
sonders ehrwürdige Menschen sein.
Damit muss man, ehrlich gesagt,
auch erst einmal umgehen.“ Der
25-jährige Erbprinz Donatus hat in
England studiert und sich über seine
Privilegien Gedanken gemacht: „Es
kann nicht verwerflich sein, dass ich
aus so einer Familie komme, eine
gewisse Schicht hinter mir habe. Die
Frage ist, was ich daraus mache und
wofür ich es einsetze.“
Für Schaumburg junior und sei-
ne Mutter sieht das dann so aus, dass
sie mit einem klapprigen VW Polo
Baujahr 2004 namens „Gisela“ an
einer 16 000 Kilometer langen
„Mongol Rally“ teilnehmen und
Spendengelder für gute Zwecke
einsammeln. Die Aufgabe, Privile-
gien „sinnvoll einzusetzen“, lässt
sich offenbar durchaus unterhalt-
sam erfüllen.
Als Forstbesitzer, Landwirte,
Bierbrauer und Erhalter von Kul-
turdenkmälern stellen die alten Fa-
milien einen nicht zu unterschät-
zenden Wirtschaftszweig dar. Die
Fürsten Thurn und Taxis sind mit
20 000 Hektar die größten privaten
Waldbesitzer Deutschlands, gefolgt
vom Erbprinzen zu Fürstenberg mit
18 000. Unter den reichsten Fami-
lien rangieren nur Vertreter des so-
genannten Geldadels in den vorde-
ren Bereichen, also von Fincks und
von Bechtolsheims. Die wirklich al-
ten Sippen rangieren mit Albert von
Thurn und Taxis (700 Millionen
Euro) auf Platz 223 und mit der Fa-
milie Castell-Castell (600 Millio-
nen) auf Platz 260.
Andere Vertreter haben neue Ge-
schäftsmodelle für sich entdeckt.
Als einer der innovativsten gilt Luit-

Hermann Otto
Solms hat es
als Spross ehe-
mals regierender
Familien zu
hohem republi-
kanischem Rang
gebracht: Er war
Vizepräsident
des Bundestags

„ADELSTITEL EMPFINDE ICH ALS UNZEITGEMÄSS“


74 8.8.2019
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