Die Welt - 16.08.2019

(Brent) #1

E


s ist fast überall zu haben,
kostet kaum etwas, und die
Qualität stimmt auch. Lei-
tungswasser ist aus Sicht
von Umweltministerin
Svenja Schulze (SPD) daher das Mittel
der Wahl gegen Durst. In Deutschland
sei das Wasser aus dem Hahn „ein-
wandfrei“, sagte sie der Nachrichten-
agentur dpa. Die Bundesbürger sollten
zum Wohle des Klimas auf Mineralwas-
ser aus Flaschen verzichten und statt-
dessen einfach mehr Hahnenwasser
trinken.

VON BENEDIKT FUEST
UND MICHAEL GASSMANN

„Wer Leitungswasser trinkt, spart
Geld, Energie und unnötige Verpackun-
gen“, sagte Schulze. Auch unterwegs
seien Trinkwasserbrunnen eine „gesun-
de und umweltfreundliche Alternative
zu Einweg-Wasserflaschen“. Schulzes
Ministerium fördert mit 1,3 Millionen
Euro den Verein „a tip: tap“ – „Ein Tipp:
Wasserhahn“, der Trinkwasserbrunnen
in viel frequentierten Stadtquartieren
installiert und die Bürger über die Vor-
teile von Trinkwasser aus dem Hahn in-
formiert.
Begonnen hat der Verein sein Projekt
im Berliner Mariannenkiez. In den
nächsten Monaten sollen zwölf weitere
„Wasserquartiere“ entstehen. Ziel sei
„der Umstieg von Flaschen- auf Trink-
wasser aus der Leitung, um die CO2-
Emissionen und den Plastikmüll zu re-
duzieren“, teilte das Umweltministeri-
um mit. Es gehe um eine Aufklärung an
Ständen, in Kitas und Schulen sowie in
Unternehmen, erklärte Carmen Heil-
maier, die das Projekt mit organisiert –
und um „Trinkorte“, also Brunnen und
andere Stätten, an denen man seine
Wasserflasche auffüllen darf. Dafür ar-
beitet der Verein mit Kommunen,
Stadtwerken und anderen Initiativen
zusammen – etwa in Berlin-Moabit, im
Labertal bei München, in Marburg,
Karlsruhe, Neuruppin und in Chemnitz.
Mit dem Projekt folgt die Ministerin
einer Initiative des EU-Parlamentes,
das im März die Mitgliedsländer dazu
aufforderte, den Zugang zu sauberem
Leitungswasser zu verbessern. Die Ab-
geordneten setzten sich dafür ein, dass,
wo möglich, frei zugängliche Trink-
brunnen an öffentlichen Plätzen errich-
tet und Leitungswasser auch in Restau-
rants und Flughäfen bereitgestellt wird.
Was insbesondere in südlichen EU-Län-
dern schon seit Langem selbstverständ-
lich ist, ist hierzulande noch immer eine
Ausnahme.
Laut der Europäischen Kommission
könnte der Zugang zu Wasser mit bes-
serer Qualität den Verbrauch von Fla-
schenwasser in der EU um 17 Prozent
senken – die Haushalte könnten so
mehr als 600 Millionen Euro pro Jahr
sparen. Im Schnitt konsumiert jeder
EU-Bürger geschätzte 106 Liter Fla-
schenwasser pro Jahr. Künftig sollen die
Verbraucher über ihre Wasserrechnung
genauer über Wasserqualität und -ver-
brauch informiert werden. Die Trink-
wasserrichtlinie der EU legt bereits
Mindeststandards für Wasser für den
menschlichen Gebrauch fest. Die ge-
plante Aktualisierung der Vorschriften
soll die Qualität weiter verbessern, in-
dem die Höchstwerte für bestimmte
Schadstoffe wie Blei oder schädliche
Bakterien verschärft werden.
Erst Ende Juli hatte die Kommission
zu hohe Nitratgehalte im deutschen
Grundwasser kritisiert und deshalb den

Druck auf die Bundesregierung erhöht.
Die Brüsseler Behörde setzte Berlin
eine letzte Frist von zwei Monaten, um
Verbesserungen zu erreichen. Andern-
falls droht ein Bußgeld von bis zu
850.000 Euro – täglich. Das Bundesum-
weltministerium sieht zwischen der
Empfehlung, Leitungswasser zu trin-
ken, und der Brüsseler Kritik an der
Qualität des Grundwassers in Deutsch-

land keinen Widerspruch. „Zu hohe Ni-
tratwerte im Grundwasser ändern
nichts an unserer Aussage, dass die
Trinkwasserqualität gut ist und inten-
siv kontrolliert wird“, sagte ein Spre-
cher des Ministeriums. Laut Umwelt-
bundesamt stammt unser Trinkwasser
zu fast 70 Prozent aus Grund- und
Quellwasser. Der Rest entfällt auf See-
und Flusswasser oder Uferfiltrat. Der

Aufwand, der für die Einhaltung der
Grenzwerte betrieben werden müsse,
sei in einigen Regionen hoch, gab das
Ministerium zu. Bisher werden zu hohe
Nitratwerte in Deutschland – meist
entstehen sie durch intensive landwirt-
schaftliche Nutzung – durch Vermi-
schen mit Wasser aus weniger belaste-
ten Quellen gesenkt. Das Umweltbun-
desamt geht von Preissteigerungen von

bis zu 42 Prozent aus, sollte zusätzliche
Technik für die Aufbereitung eingesetzt
werden müssen.
Umweltorganisationen begrüßten
Schulzes Vorstoß. Wasser aus der Lei-
tung zu trinken belaste das Klima we-
sentlich weniger als Flaschenwasser,
das gewonnen, abgefüllt und transpor-
tiert werden müsse, sagte Greenpeace-
Agrarexperte Martin Hofstetter. „Wir

sollten unser Trinkwasser mit Händen
und Klauen verteidigen“, sagte er. Um
Kosten für die Aufbereitung zu senken,
sei eine Verbesserung der Grundwasser-
qualität allerdings wichtig. Hofstetter
empfahl Besitzern privater Brunnen,
die Nitratwerte regelmäßig überprüfen
zu lassen.
Denn wie gut das Wasser aus dem
Hahn tatsächlich ist, kann sich von Ort
zu Ort und sogar von Haus zu Haus un-
terscheiden. Laut einer
Untersuchung von Um-
weltbundesamt und Ge-
sundheitsministerium
aus dem vergangenen
Jahr ist das Wasser der
großen Versorger gene-
rell gut trinkbar. „Das
Trinkwasser größerer
Trinkwasserversorger
besitzt eine gute bis sehr gute Qualität“,
heißt es darin. Die Anbieter würden die
Vorgaben generell zu mehr als 99 Pro-
zent einhalten, lediglich bestimmte
Pflanzenschutzmittel können mancher-
orts noch in Spuren nachgewiesen wer-
den. Doch Vorsicht: Insbesondere bei
älteren Häusern sind Probleme mit dem
Wasser oft hausgemacht, wenn bei-
spielsweise Kupferleitungen verkeimen,
oder das Wasser durch alte Bleirohre
oder -rohrverbindungen fließt.
Auch die Stiftung Warentest bestä-
tigte erst kürzlich die hohe Qualität des
Leitungswassers hierzulande. Die Te-
ster entnahmen Proben an 20 verschie-
denen Standorten in Deutschland und
untersuchten sie auf 126 mögliche Ver-
unreinigungen. Keine der Proben ent-
hielt gesundheitlich bedenkliche Men-
gen. Mineralwasser schnitt in den Un-
tersuchungen dagegen nicht ganz so
gut ab: In den Tests der vergangenen
Jahre fand die Stiftung Warentest in di-
versen Sorten immer wieder Keime
oder Waschmittelrückstände. Sie kön-
nen bei der Reinigung von Pfandfla-
schen übrig bleiben oder aus der Abfüll-
anlage, aber auch aus nicht ausreichend
abgeschirmten Trinkwasserquellen
stammen. In Einweg-Plastikflaschen
schließlich sind Weichmacher enthal-
ten, von denen Spuren in den Inhalt
übergehen können und die in Verdacht
stehen, ähnlich wie Hormone auf den
menschlichen Körper wirken.
Die Mineralwasserindustrie reagierte
empört auf Schulzes Vorstoß. „Der Ver-
band Deutscher Mineralbrunnen wen-
det sich entschieden gegen die perma-
nenten Versuche der Bundesumweltmi-
nisterin, die Mineralbrunnenbranche
als Umweltsünder zu diskriminieren“,
sagte Verbandschef Karl Tack. Stattdes-
sen solle sie deutlich machen, dass gera-
de die deutschen Mineralbrunnen ein
„weltweit vorbildliches Mehrweg- und
Pfandsystem“ etabliert hätten. „Hier
wäre Schützenhilfe für die Mineral-
brunnen statt staatlicher Bevormun-
dung geboten“, sagte Tack. Diplomati-
scher äußerte sich Nestlé, weltweit
größter Anbieter von abgefülltem Was-
ser (u.a. Vittel, Perrier, San Pellegrino).
Auf seiner Website empfiehlt der Kon-
zern sowohl Leitungs- als auch Fla-
schenwasser, argumentiert aber mit der
Wahlfreiheit der Verbraucher für seine
Produkte. „Wasser ist nicht gleich Was-
ser. Es unterscheidet sich nach Minera-
lisierung und Geschmack“, erläuterte
ein Sprecher. Die Konsumenten müss-
ten selbst entscheiden können, was sie
bevorzugen. Im vergangenen Jahr er-
zielte Nestlé einen Umsatz von 6,8 Mil-
liarden Euro in der Sparte, rund acht
Prozent des Gesamtumsatzes. mit dpa

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schon immer
schmeckt, soll
auch der
Mensch häufi-
ger trinken:
WWWasser direktasser direkt
aus der Leitung

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ETTY IMAGES

/ BOBIKO

Leitungswasser


für


ALLE


Umweltministerin Schulze will die Deutschen überzeugen, zum Wohle des Klimas von der Flasche


auf den Hahn umzusteigen. Aber ist das auch gut? Das kommt auf den Ort und das Haus an


So hat sich der Wasserverbrauch in Deutschland entwickelt


Quelle: BDEW

in Litern pro Einwohner und Tag


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Leitungswasser als Getränk


Quelle: BDEW

Umfrage, Antworten in Prozent


Wie oft trinken
Sie Leitungswasser?

regelmäßig ,

gelegentlich ,

nie ,

weiß nicht/
keine Angabe

,

unter � Liter ,

� bis unter �� Liter ,

�� bis unter �� Liter ,

�� bis unter �� Liter ,

�� Liter und mehr ,
weiß nicht/
keine Angabe

,

Schätzen Sie, wie viel Liter
Leitungswasser Sie in einer
Woche trinken.

12


16.08.19 Freitag, 16. August 2019DWBE-HP



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12 WIRTSCHAFT DIE WELT FREITAG,16.AUGUST


abzuwenden.Allein schon die Zukunfts-
risiken ins Zentrum heutiger Diskussio-
nen zu rücken, das Bewusstsein dafür
zu schärfen sowie Verhaltensänderun-
gen einzufordern ist ein riesiger Ver-
dienst der „Fridays for Future“-Bewe-
gung. So überzeugend ihre Analyse je-
doch auch ausfällt, so sehr bleibt zu hin-
terfragen, ob der zur Problemlösung
eingeforderte Weg von „Verzicht und
Verbot“ wirklich die Erfolg verspre-
chendste Strategie ist, die Erderwär-
mung zu stoppen, den Klimawandel auf-
zuhalten und die Umwelt besser zu
schützen. Da zeigen sich mehr als Zwei-
fel.
Eine „Verzichts- und Verbotsstrate-
gie“ verkennt, dass die überragende
Mehrheit der Menschheit immer noch
in Armut lebt und Opfer, nicht Verursa-
cher des Klimawandels ist.
Den Armen und Ärmsten das Hohe-
lied von Askese und Entsagung zu sin-
gen wirkt nicht nur zynisch. Es ver-
kennt komplett, was Menschen, die mit
kaum mehr als dem Notwendigsten und
oft mit noch weniger leben müssen,
wirklich wichtig ist. Wer wenig oder
nichts hat, will – meist mehr noch für
die Nachkommen als für sich selber –
zuallererst ein besseres Leben mit mehr
und nicht weniger Verbrauch, Mobilität
und Genuss. Da kommt zwangsläufig
die Ökonomie vor allem anderen und

erst danach folgt die Ökologie – das ist
nicht nur in ökonomisch weniger entwi-
ckelten oder aufstrebenden Weltregio-
nen der Fall. Es ist in weiten Teilen der
Gesellschaften in Europa und Nord-
amerika nicht anders. Einzig neue Tech-
nologien vermögen Erwartung und An-
spruch von Milliarden Menschen auf ein
besseres Leben mit der ökologischen
Tragfähigkeit der Erde in Einklang zu
bringen. Alles andere muss scheitern.
„Verzicht und Verbot“ sind keine Al-
ternative für eine Welt mit einer bis in
zehn Jahren von 7,7 auf 8,5 Milliarden
um zehn Prozent und bis 2050 um ein
Viertel auf fast zehn Milliarden Men-
schen anwachsenden Bevölkerung, so
die aktuelle „mittlere“ Prognose der
Vereinten Nationenvom Juni 2019. Für
Askese fehlen individuelles Einsehen
und gesellschaftliche Akzeptanz. Und
selbst wenn, bleibt die Dynamik von
ökonomischen Aufholeffekten und de-
mografischem Wachstum stärker als die
ökologischen Bremseffekte von Verbo-
ten und Verhaltensänderungen, sodass
in Summe der Welt der Klima- und Um-
weltkollaps nicht zu verhindern wäre.
Um es klipp und klar auszudrücken:
Der Norden der Welt hat auf seinem
langen Weg zum Wohlstand insbeson-
dere in den letzten hundert Jahren der
Menschheit schwerwiegende ökologi-
sche Risiken heraufbeschworen.

Nun ist es auch seine Pflicht, die da-
mit einhergehenden Herausforderun-
gen zu bewältigen und gleichzeitig dem
Süden zu mehr Wohlstand für alle, ohne
ein Mehr an Erderwärmung und Um-
weltbelastung zu verhelfen. Dafür sind
bessere Technologien die stärkste, bes-
te und wohl einzige Strategie für nach-
haltigen Erfolg.
Wenn dem Norden als Antwort auf
die ökologischen Zukunftsherausforde-
rungen nur „Verzicht und Verbot“ ein-
fallen, ist das schlicht blamabel und ei-
ne Bankrotterklärung der Innovations-
politik. Dafür gibt es keine handfeste
Berechtigung.
Ein defensives pessimistisches Um-
schalten in den Rückwärtsgang ent-
spricht in keiner Weise dem heutigen
Forschungsstand von Wissenschaft und
Technik und der immensen Fülle des
aktuellen technologischen Wissens. Die
Forderung nach Askese und Umkehr
strotzt von Zukunftspessimismus,
Technologiefeindlichkeit und wird in
keiner Weise der Intelligenz, dem Wis-
sen, dem Mut und der Aufbruchstim-
mung einer so klugen wie engagierten
„Fridays for Future“-Bewegung gerecht.
Vielmehr entspricht sie einem sonst
vor allem bei Älteren weitverbreiteten
Vorurteil, dass kommende Generatio-
nen nicht in der Lage seien, mit Neugier
und Verstand, Kreativität und Risiko-

freude, künstlicher Intelligenz und klu-
gen Algorithmen auf allen Ebenen und
in jeder Alltagssituation komplett neue,
pfiffige, smarte, grüne Problemlösun-
gen zu entwickeln.
Niemand anderes als die nachrücken-
de Generation kennt die grandiosen
Chancen von Digitalisierung und Da-
tenökonomie besser. Sie weiß oder wird
herausfinden, wie sich auf breiter Front
die Produktivität auf allen Ebenen stei-
gern, Fabrikationsprozesse entlang je-
dem einzelnen Glied der Wertschöp-
fungsketten optimieren und mit weni-
ger ökologischem Aufwand mehr Men-
schen mit mehr ökonomischem Wohl-
stand versorgen lassen.
Es sind die Bedenken der Alten und
nicht die Fähigkeiten der Jungen von
heute, die Zweifel schüren, dass die Ge-
nerationen von morgen so intelligent
und innovativ sein werden, wie es die
Vorfahren waren.
Nüchtern und unideologisch betrach-
tet, bleibt somit mehr denn je gültig,
was lang schon gilt. Askese mag gut
sein. Innovation ist besser. Einzig eine
Flucht nach vorne zu neuen Technolo-
gien, nicht jedoch ein Zurück zu alten
Denkweisen der Vergangenheit sichert
den Kindeskindern in einer Welt mit
bald einmal zehn Milliarden Menschen
das Überleben in Wohlstand und Ein-
klang mit Klima und Umwelt.

Die wissenschaftlichen Belege sind
eindeutig: Die Risiken unumkehrbarer
ökologischer Veränderungen gefährden
das Überleben kommender Generatio-
nen. Die „Doomsday Clock“, die Uhr,
die anzeigt, wie viel Zeit noch vor dem
Weltuntergang bleibt, steht auf zwei
Minuten vor zwölf – Mitte des letzten
Jahrhunderts war die Apokalypse noch
sieben Minuten entfernt.
Es wird eng werden, da noch recht-
zeitig zu reagieren und das Schlimmste

F


ridays for Future“ ist eine so er-
frischende wie auch notwendige
Bewegung. Nicht nur, dass sie –
angefangen bei Greta Thunberg, vielen
Protestmärschen und unzähligen Me-
dienauftritten – alle Vorurteile wider-
legt, dass die Jungen von heute nicht
engagiert seien, sich nicht für Politik in-
teressieren würden und vom Wissens-
stand her nicht in der Lage wären, auf
Augenhöhe mit Älteren mitzureden und
mitzuentscheiden.
Viel wichtiger ist, dass die jüngeren
Klima- und Umweltschützerinnen Ge-
sellschaft, Wirtschaft und Politik auf-
rütteln. Sie machen unmissverständlich
und klug klar, dass die von älteren Män-
nern dominierte Gegenwartspolitik zu
stark durch Interessen heutiger Gene-
rationen geprägt wird und zu wenig
glaubwürdig, zu wenig ernsthaft sowie
zu wenig griffig das Wohl der Kindes-
kinder verfolgt.
„Fridays for Future“ hat recht. Die
Bedrohungen der Welt sind gewaltig,
und es sind (zu) viele. Klimawandel, Er-
derwärmung, Zerstörung der Öko-

und es sind (zu) viele. Klimawandel, Er-
derwärmung, Zerstörung der Öko-

und es sind (zu) viele. Klimawandel, Er-


gleichgewichte in den Ozeanen durch
Mikroplastik oder Überfischung, die
Abholzung der Regenwälder und die
Rückkehr des Waldsterbens oder die ra-
pide Ausrottung einzelner Tierarten
sind existenzielle Herausforderungen
für die Menschheit.

KOLUMNE


VVVerbote erbote


können den


KKKlimawandellimawandel


nicht stoppen!


THOMAS STRAUBHAAR

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