Die Welt - 16.08.2019

(Brent) #1

D


ie Frage, wer zuerst da
war, der Knabe oder der
Chor, die stellt sich hier
nicht. Die Menschheit
singt, seit es sie gibt. Die
nicht sprachliche vokale Entäußerung
ist, ähnlich wie der Tanz, Expression
und Steigerung von Freude und Begeis-
terung, von Trauer und Schmerz. Ju-
belnde Ekstase befreit genauso wie tie-
fes Schluchzen, man singt oder schreit
sich etwas von der Seele, wie es so schön
heißt. Die Hormone haben freie Achter-
bahnfahrt, Sauerstoff durchwirbelt pul-
sierend die Körperbahnen.

VON MANUEL BRUG

Das soll jetzt, zumindest als Instituti-
on Knabenchor vorbei sein (siehe Kas-
ten)? Chor und Knabe, natürlich ist das
heute auch ein Reizwort. Nicht nur we-
gen der aktuellen Missbrauchsfälle.
Uralte Institutionen werden gern miss-
trauisch beäugt und hinterfragt. Das pu-
re So-Sein reicht heute nicht mehr als
Existenzgrundlage. Die Singknaben der
schweizerischen St. Ursenkathedrale
Solothurn als wohl älteste deutschspra-
chige Formation dieser Art datieren zu-
rück auf 742 – das bedeutet fast 1300 Jah-
re Tradition. Wer kann auf so etwas zu-
rückblicken? Ist der Chor deshalb nicht
mehr zeitgemäß, überholt, muss er sich
öffnen? Wer würde die heute dazugehö-
rige Barockkirche neuerlich abreißen
wollen, obwohl eine moderne heller, be-
quemer, besser heizbar und natürlich
partizipativer wäre?
Knabenchöre sind eine „Erfindung“
des Mittelalters, sie kommen aus mön-
chischer Tradition. Erst ergänzten sie
mit ihren hohen weißen, so geschlechts-
los, ja engelhaft anmutenden Stimmen
die Tenöre und Bässe der frommen Sän-
ger im Gotteslob. Die Gemeinde sang die
einfacheren Choräle, die geübten, später
auch ausgebildeten Vokalisten flochten
ihre harmonischen Schleifen zur höhe-
ren Verehrung des Herren. Die Stärke
des Christentums solle ihren Ausdruck in
der Optik der Kirchen und der Opulenz
der Rituale, aber eben auch in ihrer fru-
galen akustischen Untermalung finden.
Und so wie die Zeit der Kathedralen
begann, das menschliche Gehirn spiele-
risch wie leistungskonzentriert sich im-
mer neue architektonische und stilisti-
sche Volten erdachte, um Gott zu die-
nen, aber eben auch um die Schwerkraft
von Stein und Holz zu überwinden, die
Häuser des Herren in die Höhe wachsen,
verschwenderisch auszustatten und
durch buntes Glas farbig transparent,
lichtdurchflutet filigran werden zu las-
sen, so entwickelte sich auch der dazu
nötige Gesang. Der musste lauter und

opulent, auch technisch sicherer sein,
um durchzudringen, sich auf eine Stufe
mit dem Gebäude zu stellen.
Die Komponisten, oftmals die Kanto-
ren, Chorleiter oder Domsingschulleh-
rer, auch viele kreative Mönche, sie wur-
den mutiger, spalteten den Stimmsatz
immer mehr auf, wagten unerhörte Har-
monien, bis das polyphone Netzwerk in
bis zu 40 Stimmen sich verschlang –
ähnlich dem vielfingerigen Tudor-De-
ckengewölbe, unter dem wohlmöglich
Thomas Tallis’ Opus Summum, die Mo-
tette „Spem in alium“, 1573 zum 40. Ge-
burtstag von Elizabeth I. erstmals laby-
rinthisch sich verdichtete.
Mädchen zählten damals doppelt
nicht: im täglichen sozialen Leben, aber
eben auch nicht in der Kirche, wo sie –
„mulier taceat in ecclesia“, so Paulus an
die Korinther – laut Bibelverdikt zu
schweigen hatten. Die Zugehörigkeit zu
einem wichtigen Chor, das bedeutete al-
lerdings für viele Jungen eine gute
Schulbildung und eine superbe Musiker-
ziehung, soziale Sicherheit und Auf-
stiegschancen. Wenn heute Mädchen
bei den Regensburger Domspatzen (ge-
gründet 957), den Leipziger Thomanern
(1212 gegründet) den Dresdner Kruzia-
nern (seit dem 13. Jahrhundert), dem
Staats- und Domchor Berlin (gegründet
1465) oder den Wiener Sängerknaben
(gegr. 1498) anheuern wollen, weil ein
gutes Internat dranhängt, dann zieht ei-
gentlich auch dieses Argument auf
Chancengleichheit nicht: Denn gute,
kostenlose Schulen mit Musikschwer-
punkt gibt es jede Menge.
Lokale und religiöse Tradition ver-
wandelte die Knabenchöre. In der angli-
kanischen Kirche England waren sie so
wichtig, dass bedeutende Literatur für
sie geschrieben wurde, das Stimmfach
des „treble“, des Knabensopran, ist dort
zusätzlich üblich. Die berühmtesten
Chöre des Königreiches sind die der
Knaben der großen Kathedralen wie der
Colleges in Oxford und Cambridge. Der
schwebende Sound des täglichen Eve-
ning song in der Westminster Abbey, das
ist einer der schönsten Momente der
Nichtstille im lauten London. Hier frei-
lich oft auch mit Männerstimmen ehe-
maliger Chorknaben gemischt, teilweise
im Falsett singend, dem Counter – wo-
raus sich der heute weltweit übliche
Countertenor entwickelte.
Diese Sänger wiederum ersetzen ge-
rade in der als Repertoirefarbe neu auf-
blühenden Barockoper die Kastraten –
illegal (aber von der Kirche sanktio-
niert) entmannte Knaben, die die immer
komplexere Musik auch nach dem
Stimmbruch weitersingen sollten. Der
ereignete sich freilich damals erst mit
etwa 17 Jahren, so war die investierte

Ausbildung aber noch besser genutzt.
Und in den neuen Barockopern wurden
diese langatmigen, höhensicheren Stim-
men zu den hysterisch gefeierten Pop-
stars einer androgynen Ästhetik; wobei

men zu den hysterisch gefeierten Pop-
stars einer androgynen Ästhetik; wobei

men zu den hysterisch gefeierten Pop-


es nur einer von Tausenden verstüm-
melten Knaben dauerhaft auf die Bühne
schaffte. Erst 1922 starb der letzte Kas-
trat in Rom, der Einzige, von dem Ton-
dokumente aus dem Jahr 1902 als letztes
Dämmern einer zweifelhaften Tradition
existieren. Mit seinen schlecht ernähr-
ten, frierenden Chorknaben wohnte Jo-

hann Sebastian Bach als Ratskantor in
der Leipziger Thomasschule und musste
sich immer auch mit den über die Strän-
ge schlagenden Rangen herumärgern.
Wie arm wäre die Musikgeschichte heute
aaaber ohne die Hunderten von Kantaten,ber ohne die Hunderten von Kantaten,
Motetten, die beiden großen Passionen
und die h-Moll-Messe, die alle mit die-
sem Klang im Ohr entstanden sind und
üüüberdauert haben?berdauert haben?
Sicher, heute haben viele berühmte
Knabenchöre, insbesondere Nach-
kriegsgründungen wie die Windsbacher

(1946) und die Tölzer Knaben (1956), kei-
ne liturgische Funktion mehr. Aber auch
sie singen diese Literatur auf höchstem
Niveau, sie spielen weltweit die drei
Knaben (im bewussten Gegensatz zu
den drei Damen) in der symbolverlieb-
ten „Zauberflöte“. Oratorien, von Kna-
benstimmen vorgetragen, gehören für
uns zu den beständigsten Ritualen der
Weihnachtszeit. Obwohl die Chöre viel
durchgemacht haben, insbesondere im


  1. Jahrhundert.
    Die kirchlichen Formationen wurden
    nicht selten von der Politik, insbesonde-
    re den Nazis unterwandert, im Osten
    üüüberstanden sie auch – als Exportgut undberstanden sie auch – als Exportgut und
    Devisenbringer – den gleichmacheri-
    schen Kommunismus. Reformpädagogen
    wandten sich gegen den Leistungsdrill,
    fffrühkindliche Arbeit galt als verpönt,rühkindliche Arbeit galt als verpönt,
    später wieder als elitenschick. Hier lernte
    man fürs Leben, empfand Gemeinschaft,
    die vielfach in den Alumniorganisationen
    ein Leben lang weiter währt. In Wellen
    waren die Plätze in den Chören begeht,
    oder man musste den Anwärtern nach-
    laufen. Der Stimmbruch setzt heute spä-
    testens mit 13 Jahren ein, so bleibt weni-
    ger Zeit, die komplizierte Literatur zu
    lernen, der Druck wird größer, angesichts
    der Missbrauchsfälle etwa bei den Re-
    gensburgern, aber auch die Transparenz.
    England erlebt, selbst Prä-Brexit ge-
    schüttelt, ein neues Golden Age des
    Chorsingens und eben besonders der
    Knabenchöre, nicht nur der steigende
    CD-Ausstoß kündet davon. Auch Tonset-
    zer schreiben unverbrüchlich an dieser
    besonderen Repertoire-Timeline weiter.
    Die aus sozialen Gründen entstandenen
    venezianischen Waisenmädchenorches-
    ter, das berühmteste der Pietà mit Anto-
    nio Vivaldi an der Spitze, sind Vergan-
    genheit. Damenkapellen haben es einzig
    aus optischen Gründen bis in die amü-
    sierwütigen 20er-Jahre geschafft.
    Doch natürlich stellt sich am Ende
    immer wieder die Gretchenfrage: Sind
    Knabenchöre ein schützenswertes Kul-
    turerbe? Ja, und gerade in ihrem trotzig
    behaupteten Anachronismus. Sie klin-
    gen zudem einfach anders. Klar, durch-
    lichtet, völlig monochrom in der Grund-
    farbe, bisweilen schneidend kräftig.
    Manches davon mag Glauben sein, so
    wie bei der Konzertsaalakustik. Aber
    auch wenn die Mädchen sogar körper-
    lich zulegen, anatomische Tatsache ist,
    dass Jungen einen etwas größeren Kehl-
    kopf haben, einen höheren Muskeltonus
    und damit eine kräftigere und oberton-
    reichere Stimme. Dafür komponierten
    insbesondere die Meister der Renaissan-
    ce. Mäandernde Stimmen treffen sich
    intonationsgenau an einem harmoni-
    schen Scheitelpunkt. Das ist Abendland
    pur. Warum also daran rühren?


Boys, boys, boys


Dürfen Mädchen in Knabenchören mitsingen?


Eine Kulturgeschichte aus gegebenem Anlass


KKKnabenchor seit 1465: Konzertsänger vor dem Berliner Domnabenchor seit 1465: Konzertsänger vor dem Berliner Dom


ZÖRNIG/ UDK

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16.08.19 Freitag, 16. August 2019DWBE-HP



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ELBPHILHARMONIE


Es bleibt bei dem


Domingo-Auftritt


Die Hamburger Elbphilharmonie
hält nach den Vorwürfen mehrerer
Frauen gegen Opernstar Plácido
Domingo zunächst an einem Kon-
zert im November fest. „Vorbehalt-
lich weiterer Entwicklungen“ werde
Domingo am 27. November auf-
treten, teilte die Elbphilharmonie
mit. Domingo hatte die Vorwürfe
zurückgewiesen. Mehrere Sängerin-
nen und eine Tänzerin hatten Do-
mingo sexuelle Übergriffe vorge-
worfen. „Als öffentliche Institution
können wir sexuelle Übergriffe
weder tolerieren noch verharmlo-
sen, sind aber in unserem Handeln
auch an rechtsstaatliche Prinzipien
gebunden“, sagte Elbphilharmonie-
Intendant Christoph Lieben-Seutter
am Donnerstag. Für den Auftritt
bestünden gültige Verträge mit dem
Veranstalter des Konzerts. In den
USA hatten die Oper in San Francis-
co und das Philadelphia Orchestra
geplante Konzerte mit Domingo
abgesagt. Die Salzburger Festspiele
wollen ihn wie geplant im August
singen lassen.

EDEKA-SPOT GERÜGT


Werberat erhält


viele Beschwerden


Beim Deutschen Werberat sind in
den ersten sechs Monaten des Jah-
res 1524 Beschwerden eingegangen.
Im Vorjahreszeitraum waren es
lediglich 642 Beschwerden. Den
deutlichen Anstieg begründet die
Selbstkontrolleinrichtung der Wer-
bewirtschaft mit drei besonders
umstrittenen Werbemaßnahmen.
Allein zu einem Werbespot der
Einzelhandelskette Edeka, der vom
Werberat auch gerügt wurde, gingen
laut den Angaben über 750 Protest-
schreiben ein. In dem Film zum
Muttertag seien sowohl Frauen wie
Männer diskriminiert worden, hieß
es zur Begründung. Geschlechter-
diskriminierende Werbung habe wie
in den Vorjahren auch insgesamt für
die meisten Beschwerden gesorgt.
In „fast allen“ Fällen, teilt das Gre-
mium mit, konnten die Unterneh-
men zum Umdenken bewegt wer-
den. Ein mögliches Verbot sexisti-
scher Werbung wird seit einiger Zeit
diskutiert.

SCHLESWIG-HOLSTEIN


Eschenbach wird


Ehrenprofessor


Der Dirigent und Pianist Christoph
Eschenbach, 79, ist mit der Ehren-
professur des Landes Schleswig-
Holstein ausgezeichnet worden.
Gewürdigt wurden damit unter
anderem seine Verdienste für das
Schleswig-Holstein Musik Festival.
Eschenbach verbrachte einen Teil
seiner Jugend im holsteinischen
Neustadt. Von 1998 bis 2004 leitete
er das NDR Sinfonieorchester. Von
1999 bis 2002 war er zudem Künst-
lerischer Leiter des Schleswig-Hol-
stein Musik Festivals. Im September
wird Eschenbach die Leitung des
Konzerthausorchesters Berlin über-
nehmen.

EISENACH


Bach-Denkmal


bekommt Frischekur


Das Denkmal des Komponisten
Johann Sebastian Bach in seiner
Geburtsstadt Eisenach erhält eine
Frischekur. Die Bronzeskulptur am
Frauenplan wurde zu diesem Zweck
vom Sockel gehoben und in eine
Restauratorenwerkstatt nach Berlin
transportiert. Das Denkmal werde
voraussichtlich erst nach Mitte
Oktober wieder aufgestellt werden
können. Bach wurde am 21. März
1685 in Eisenach geboren. Das vom
Bildhauer Adolf von Donndorf ent-
worfene Denkmal entstand den
Angaben zufolge 1884 und erhielt
1938 dann seinen Platz vor dem
Bach-Haus am Frauenplan.

KOMPAKT


DIE WELT FREITAG,16.AUGUST2019 SEITE 21


Michel Onfray über seinen


Hass auf Greta Thunberg Seite 22


Der Philosoph und das Mädchen


FEUILLETON


Vor dem Berliner Verwaltungs-
gericht wird heute über die Zukunft
der jahrhundertealten Tradition von
Knabenchören verhandelt. Eine
Mutter und ihre neunjährige Tochter,
die sich vergeblich um die Aufnahme
in den Berliner Staats- und Dom-
chor der Universität der Künste
(UdK) beworben hatte, klagen we-
gen Diskriminierung. Der reine Kna-
benchor geht auf einen 1465 von
Kurfürst Friedrich II. von Branden-
burg gegründeten Chor zurück und
gilt als älteste musikalische Einrich-
tung Berlins. Ein Urteil wird für den
gleichen Tag erwartet.
Laut Gericht wird damit erstmals
um die Aufnahme eines Mädchens in
den Staats- und Domchor zu Berlin
gestritten. In dem Fall geht es unter
anderem um den diskriminie-
rungsfreien Zugang zu einer öffent-
lichen Bildungseinrichtung gemäß
Grundgesetzartikel 3 Absatz 3 und
die Freiheit der Kunst in Artikel 5
Absatz 3. Berühmte Knabenchöre
sind etwa die Regensburger Dom-
spatzen, die Thomaner in Leipzig,
der Dresdner Kreuzchor und der
Windsbacher Knabenchor.
Die Anwältin der Kläger, Susann
Bräcklein, argumentiert, dass die
Universität als öffentliche Einrich-
tung den diskriminierungsfreien
Zugang zur musikalischen Aus-
bildung gewährleisten muss. Weiter

verweist sie auf wissenschaftliche
Studien, wonach „trainierte Sing-
stimmen von Mädchen und Jungen
vor dem Stimmbruch“ sich nicht
wesentlich voneinander unterschei-
den. Die für den Klang bestimmen-
den Faktoren seien vielmehr Ge-
sangstraining und das ausgewählte
Repertoire an Musikstücken.
Das klagende Mädchen hatte laut
Gericht bis Januar 2018 im Kinder-
chor der Komischen Oper Berlin und
von Februar 2018 bis August 2018 in
der Domsingschule in Frankfurt am
Main gesungen. Im November 2018
habe die Mutter um die Aufnahme
ihrer Tochter in den Berliner Staats-
und Domchor gebeten. Nach einem
Vorsingen im März dieses Jahres
hatte die Auswahlkommission das
Mädchen unter anderem wegen
fehlender Eignung abgelehnt.
Die UdK argumentiert, dass die
Nichtaufnahme des Mädchens nicht
vor allem auf ihr Geschlecht zurück-
zuführen sei. Vielmehr wäre sie auf-
genommen worden, wenn sich die
Auswahlkommission von einer au-
ßergewöhnlichen Begabung, hoher
Leistungsmotivation und entspre-
chender Kooperationsbereitschaft
der Familie hätte überzeugen kön-
nen. Zudem hätte die Stimme dem
angestrebten Klangbild eines Kna-
benchores entsprechen müssen. Das
sei aber nicht der Fall gewesen.

Der Fall: Mädchen klagt auf Aufnahme in den Domchor


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