Die Welt - 16.08.2019

(Brent) #1

Ausbildungslücke bleibt groß


Quelle: DIHK

Angaben beziehen sich jeweils auf das zurückliegende Ausbildungsjahr


%

Nicht-besetzte Ausbildungsplätze Besetzte Ausbildungsplätze















































%

%



Motivation
Teamfähigkeit Disziplin Belastbarkeit Umgangsformen Interesse












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Schulabgänger zeigen wenig Motivation


Mehrfachantworten möglich, Antwortende ��.��� Quelle: DIHK


Mängel bei Sozialkompetenzen, in Prozent


Was sich Betriebe wünschen


n = ��.���, Mehrfachantworten möglich Quelle: DIHK

In Prozent




















betriebliche Situation absehbarer/positiver


anderes


Nutzung kontinuierlicher
Fortbildungsangebote für Ausbilder

weniger Unterrichtsausfall
in der Berufsschule

Verbleib der Azubis nach der
Ausbildung im Unternehmen

mehr Zeit für meine Auszubildenden


kurze Entfernungen zur Berufsschule


bessere Zusammenarbeit
zwischen Schule und Betrieb

Azubis mit realistischeren
Berufsvorstellungen

A


zubi-Notstand, Ausbil-
dungs-Kampf und „Leer-
stellen“-Panik – in den ver-
gangenen Jahren über-
schlugen sich Ausbildungs-
betriebe, Wissenschaftler und Politiker
in Sorge um immer weniger Auszubil-
dende in Deutschland. Jetzt scheint die
Durststrecke nach Azubis in Ausbil-
dungsbetrieben vorerst gestoppt.

VON JONAS SCHUMANN

Das teilte der Deutsche Industrie-
und Handelskammertag (DIHK) mit.
Im vergangenen Jahr blieben zwar
noch in 32 Prozent der Betriebe Ausbil-
dungsplätze unbesetzt, wie aus einer
am Donnerstag veröffentlichten Um-
frage hervorgeht, an der sich rund
12.500 Firmen beteiligt haben. 2017 wa-
ren es aber noch 34 Prozent. Allerdings
fällt es vielen Unternehmen weiterhin
schwer, Kandidaten für die duale Aus-
bildung im Betrieb und an der Berufs-
schule zu finden. Fast jedes zehnte Un-
ternehmen habe 2018 gar keine Azubi-
Bewerbung bekommen. „Damit hat

sich die Zahl der DIHK-Betriebe, die
keine einzige Bewerbung mehr erhal-
ten haben, seit 2012 nahezu verfünf-
facht“, erklärte Achim Dercks, Stellver-
tretender DIHK-Hauptgeschäftsführer.
Dabei gilt: „Wer nicht wirbt, geht im-
mer häufiger leer aus.“
Dafür, dass sich die Lage in den Aus-
bildungsbetrieben trotzdem gebessert
hat, ist vor allem die Generation Z ver-
antwortlich. Das sind die jungen Men-
schen, die nach 1995 geboren wurden.
Dachte man dabei bisher vor allem an
Studienabsolventen, die in Betrieben
mit ihren hohen Forderungen auffallen,
strömen sie jetzt auch vermehrt in Aus-
bildungsbetriebe. Dennoch bleibt die
Lücke nicht besetzter Ausbildungsplät-
ze groß – und für Unternehmen gibt es
einen weiteren Haken. Die Unterneh-
men müssen bei den Bewerbern einige
Abstriche machen und stellen fest: Neu-
en Azubis fehlt es an Arbeitsbereit-
schaft, Belastbarkeit und Disziplin.
Die positiven Zahlen aus dem Jahr
2018 bedeuten für DIHK-Chef Dercks
vorerst eine Umkehr des gravierenden
Abwärtstrends. „Trotz der demografi-

schen Entwicklung und der Studiennei-
gung vieler junger Menschen ist der Ab-
wärtstrend bei den Ausbildungsverträ-
gen vorerst gestoppt.“ Doch die Aussa-
ge ist gewagt: Denn wenn es der Wirt-
schaft gut geht, sind junge Menschen
eher dazu bereit, ein Studium zu begin-
nen. Ausbildungsplätze sind in dieser
Zeit schwer zu besetzen. Wenn sich die
Konjunktur hingegen eintrübt, was 2018
bereits absehbar war, steigt die Zahl der
Ausbildungsverträge wieder an.
Das zeigt auch die aktuelle DIHK-
Umfrage. In der Zeit der Rezession zwi-
schen 2008 und 2012 waren noch ver-
gleichsweise wenig Ausbildungsplätze
unbesetzt – ungefähr 22 Prozent. Seit
2014 blieben die Zahlen aber stabil zwi-
schen 31 und 34 Prozent. Mit Blick auf
das Jahr 2019, in dem immer mehr Indi-
katoren auf eine Eintrübung der Wirt-
schaftsleistung deuten, könnten die
Zahlen der unbesetzten Ausbildungs-
plätze noch weiter schrumpfen.
Deshalb dürfen Betriebe sich nicht
zur Nachlässigkeit verleiten lassen.
„Eine höhere Zahl an Ausbildungsver-
trägen im Jahr 2018 zeigt nicht, dass

der demografische Wandel überwun-
den ist. Vielmehr werden die Auswir-
kungen einer trüben Konjunktur sicht-
bar, die schon im Vorjahr erkennbar
waren“, sagt Enzo Weber, Forschungs-
bereichsleiter am Institut für Arbeits-
markt- und Berufsforschung (IAB).
Man könne lediglich hoffen, dass die
Zahlen zumindest einen Stopp des Ab-
wärtstrends bei Ausbildungsplätzen
bedeuteten. „Die Herausforderungen
des demografischen Wandels werden
sich jedoch weiter auf die Betriebe aus-
wirken“, so Weber. Damit rechnet auch
DIHK-Vizechef Dercks: „Das gemelde-
te Angebot an betrieblichen Ausbil-
dungsplätzen war 2018 noch einmal er-
heblich größer als im Vorjahr“, so der
stellvertretende Geschäftsführer der
DIHK. „Dies macht deutlich: Der Fach-
kräftebedarf der deutschen Wirtschaft
ist enorm.“
Zumindest 2018 hat sich der Azubi-
Hunger aber minimal entspannt. Der
Trend eine akademische Laufbahn ein-
zuschlagen nimmt zwar weiter zu – im
Jahr 2018 hat die Zahl der Studierenden
mit 2,5 Millionen einen neuen Rekord

erreicht – die Ausbildungsbetriebe
scheinen diese Phase aber auszusitzen.
Laut DIHK-Umfrage werden deshalb
immer häufiger Studienabbrecher und
junge Menschen über 20 Jahren als Ziel-
gruppe entscheidend. 45 Prozent der
Betriebe sehen Studienabbrecher bei
rückläufigen Bewerberzahlen als geeig-
nete Zielgruppe.
Um diese in den eigenen Betrieb zu
locken, wird kräftig geködert. Immer
mehr Betriebe locken mit materiellen
und finanziellen Anreizen – mit höhe-
ren Löhnen, Förderungen bei der Mobi-
lität, etwa Angeboten beim Nahver-
kehr, oder zusätzlichen Urlaubstagen.
Auch besondere Vergütungen bei guten
Noten, zum Beispiel Smartphones,
Dienstfahrräder oder Mitgliedschaften
in Fitnessstudios, sollen Jugendliche
anlocken. Besonders mit dem verlän-
gerten Urlaub greifen die Unterneh-
men das Bedürfnis der Generation Z
nach mehr Freizeit auf, wie die Autoren
der Umfrage berichten. Dabei haben
die Betriebe häufig gar keine Wahl, wel-
chen Bewerber der Betrieb einstellt –
vorausgesetzt es gibt Bewerber. Auch
Bewerber mit schlechter Rechtschrei-
bung oder Rechenschwäche werden ge-
nommen. Dafür bietet der Betrieb
Nachhilfe an. Was in der Schule nicht
verstanden wurde, wird in der Ausbil-
dung nachgeholt.
Rechtschreib- und Rechenschwächen
lassen sich so zwar ausbügeln, Mängel
bei sozialen Kompetenzen von Schulab-
gängern aber nicht. Im Jahr 2013 haben
noch etwa 50 Prozent der Betriebe man-
gelnde Leistungsbereitschaft und Moti-
vation bei jungen Azubis festgestellt. Im
Jahr 2018 waren es bereits 65 Prozent.
Auch die Belastbarkeit habe abgenom-
men. Ungefähr 45 Prozent der Betriebe
beklagten im Jahr 2015 eine geringere
Belastungsfähigkeit. Im Jahr 2018 waren
es schon über 55 Prozent. Christian
Scholz, ehemaliger Professor der Uni-
versität Saarbrücken, glaubt trotzdem
nicht, dass es jungen Menschen an Mo-
tivation, Belastbarkeit und Disziplin
fehlt. „Vielmehr wollen Jugendliche
eher feste Arbeitszeiten einhalten – und
das gefällt Arbeitgebern nicht. Sie sind
also durchaus leistungsbereit, haben
Spaß an der Arbeit, wollen aber feste Ar-
beitszeiten einhalten.“
Die stellvertretende Vorsitzende des
Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB),
Elke Hannack, kritisierte außerdem,
dass die Unternehmen zu hohe Anfor-
derungen an die Auszubildenden hät-
ten: „Schon ein Blick auf die aktuelle
bundesweite Lehrstellenbörse der In-
dustrie- und Handelskammern zeigt:
Nur gut jeder dritte Ausbildungsplatz
steht dort einem Jugendlichen mit
Hauptschulabschluss offen“, erklärte
sie. Die Betriebe müssten ihre Auswahl
ändern, um ausreichend Fachkräfte zu
finden. Dass allerdings mehr junge
Menschen eine Ausbildung beginnen,
wird höchste Zeit, sagt IAB-Experte We-
ber: „Irgendwann muss es soweit sein,
es können ja nicht alle an die Uni ge-
hen.“

Die Jugend


entdeckt den


Klassiker neu


Die Ausbildungs-Lücke in deutschen Betrieben


schrumpft. Doch die jungen Lehrlinge sind


weniger belastbar und nur selten motiviert


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16.08.19 Freitag, 16. August 2019DWBE-HP



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DIE WELT FREITAG,16.AUGUST2019 SEITE 9 *


WIRTSCHAFT


Stadt Brüssel verweigert


sich dem 5G-Ausbau Seite 10


Schnelles Internet


DEUTSCHE BAHN


Streit über 1. Klasse


im Regionalverkehr


Die von der Linkspartei ins Spiel
gebrachte Abschaffung der 1. Klasse
im Regionalverkehr der Deutschen
Bahn stößt bei Niedersachsens Mi-
nisterpräsident Stephan Weil auf
Ablehnung. „Ich finde, das ist jetzt
nicht das relevante Problem der
Deutschen Bahn“, sagte der SPD-
Politiker zu einem entsprechenden
Vorstoß des Bundesvorsitzenden
der Linken, Bernd Riexinger. „Wenn
es genug Menschen gibt, die gerne
auf diese Art und Weise fahren wol-
len, dann soll es auch ein entspre-
chendes Angebot geben. Und wenn
die Kunden zweiter Klasse fahren
wollen, dann muss es genügend
Züge und Waggons geben für die
zweite Klasse.“ Riexinger hatte
seinen Vorstoß damit begründet,
dass 1.-Klasse-Abteile im Regional-
verkehr kaum genutzt würden, wäh-
rend die 2. Klasse oft überfüllt sei.
Von der Bahn kam Widerspruch.

RENTE


Gut Ausgebildete


arbeiten oft weiter


Gut ausgebildete Beschäftigte ar-
beiten häufiger im Rentenalter wei-
ter als gering qualifizierte. Meist
tun sie dies für ihren alten Arbeit-
geber, wie aus einer Studie des
Nürnberger Instituts für Arbeits-
markt- und Berufsforschung (IAB)
hervorgeht. Dieser Befund lasse sich
unter anderem durch Fachkräf-
teengpässe erklären, denn qualifi-
ziertes Personal sei derzeit schwer
zu ersetzen, erläuterte der IAB-
Forscher Christian Westermeier.
Auch Menschen, die im Alter von
Mitte 50 besonders wenig verdient
haben, arbeiten demnach signifikant
häufiger noch mit 65 plus und blei-
ben öfter beim selben Arbeitgeber.

E.ON


Großer Windpark


in den USA


Kurz vor dem geplanten Ausstieg
aus der Stromerzeugung hat der
Energiekonzern E.on den Bau eines
weiteren Windparks in den USA
beschlossen. In Texas werde für
knapp 500 Millionen Dollar (rund
448 Millionen Euro) das 440-Mega-
watt-Projekt Big Raymond errichtet,
teilte der Konzern mit. Es sei das
größte Vorhaben, das E.on je in den
USA verwirklicht habe. Insgesamt
habe E.on in den USA mehr als 3800
Megawatt an Solar-, Wind- und
Energiespeicherprojekten gebaut.
Weitere seien in Vorbereitung. E.on
will bei einem großen Tausch von
Geschäftsaktivitäten seine kom-
plette Ökostromerzeugung an den
bisherigen Konkurrenten RWE ab-
geben und im Gegenzug das Netz-
und Vertriebsgeschäft der RWE-
Tochter Innogy übernehmen.

KASPERSKY


Datenleck in


Virenschutz


In der Virenschutz-Software von
Kaspersky hat nach Analysen des
Fachmagazins „c’t“ über Jahre ein
Datenleck geklafft, das die Privat-
sphäre der Nutzer gefährdet. Dem-
nach hätten Angreifer darüber die
Nutzer beim Surfen ausspionieren
können, berichtet das Magazin in
seiner aktuellen Ausgabe (18/19).
Selbst der Inkognito-Modus eines
Browsers habe daran nichts ge-
ändert, schreibt „c’t“-Redakteur
Ronald Eikenberg. Betroffen sein
sollen alle Software-Versionen für
private Windows-Nutzer und Pake-
te für kleine Unternehmen. Kas-
persky hat das Leck bestätigt. Laut
„c’t“ geht der Hersteller aber davon
aus, dass ein tatsächlicher Miss-
brauch unwahrscheinlich sei, weil
eine mögliche Attacke darüber „zu
komplex und nicht profitabel genug
für Cyberkriminelle“ sei. Kaspersky
bietet aber einen Patch an.

KOMPAKT


D


ie Zahlen passen einfach nicht
zur Wohnungsnot in den Me-
tropolen. Der Rückgang der
Baugenehmigungen im Deutschland im
ersten Halbjahr um 2,3 Prozent auf
164.600 ist auch deshalb so bedenklich,
weil die Baugenehmigungen der klassi-
sche Frühindikator für den Wohnungs-
baumarkt sind. Fällt er so negativ aus
wie jetzt, sind die hehren Pläne der Po-
litik in nächster Zeit völlig unrealis-
tisch.

VON STEPHAN MAASS

Der Sinkflug bei den Baugenehmi-
gungen sei ein deutliches Alarmsignal
fffür die Zukunft des bezahlbaren Woh-ür die Zukunft des bezahlbaren Woh-
nens, sagt Axel Gedaschko, Präsident
des Spitzenverbandes der Wohnungs-
wirtschaft GdW. Von den jährlich not-
wendigen neuen Wohnungen in
Deutschland bleibe man meilenweit
entfernt. „Der Grundstücksmarkt, der
den Flaschenhals für mehr Baugeneh-
migungen bildet, ist nahezu ausge-
trocknet“, ergänzt Andreas Ibel, Präsi-
dent des Bundesverbands Freier Im-
mobilien- und Wohnungsunterneh-
men (BFW). „Und neue Wohnungen
können nur geplant werden, wenn
man auch weiß, wo man sie bauen
soll.“

Dass die Baugenehmigungen zurück-
gehen, hätte man schon früher erahnen
können, denn laut einer Prognos-Stu-
die, die der Bundesverband Freier Im-
mobilien- und Wohnungsunternehmen
(BFW) zusammen mit dem Verbände-
bündnis Wohnungsbau in Auftrag gege-
ben hat, ist die Zahl der Grundstücks-
verkäufe in den A-Städten Berlin, Ham-
burg, München, Köln, Düsseldorf,
Frankfurt am Main und Stuttgart zwi-
schen 2011 und 2017 um ein Drittel ge-
sunken. Das entspricht einem Rückgang
der verkauften Baulandfläche um 27
Prozent. In den A-, B- und C-Städten sei
der Verkauf von entwickelter Bauland-
fläche im gleichen Zeitraum um 775
Hektar zurückgegangen. BFW-Präsi-
dent Andreas Ibel: „Darauf hätten wir
62.000 Wohnungen für 120.000 Men-
schen bauen können.“
Aber auch in den B- und C-Standor-
ten, dazu zählen kleinere Städte mit an-
gespannten oder sehr angespannten
Wohnungsmärkten wie etwa Leipzig,
Freiburg, Karlsruhe oder Potsdam, tref-
fen immer weniger bebaubare Grund-
stücke auf eine nach wie vor hohe Nach-
frage von Bauherren und Investoren.
Hier sank die Zahl der Verkaufsfälle von
Baugrundstücken bis 2017 auf 82 bezie-
hungsweise 85 Prozent des Niveaus des
Jahres 2011.

Wenig Angebot bei steigender Nach-
frage: Dann steigt der Preis. Entspre-
chend sei das noch vorhandene Bauland
in der Regel extrem teuer, so Gedasch-
ko. Besonders an den A-Standorten hät-
ten sich die Preise im Vergleich zu 2011
fast verdoppelt und liegen im Durch-
schnitt bei 1120 Euro pro Quadratmeter.
In B-Städten zahlt man im Durchschnitt
500 Euro pro Quadratmeter Bauland –
das entspricht einem Preissprung von
über 100 Prozent in sechs Jahren.
Grundstückskosten sind heute einer
der größten Preistreiber im Wohnungs-
bau. Und die Kommunen hätten es in
der Hand, das zu ändern, sagt der GdW-
Präsident: Sie müssten die Grundstücke
grundsätzlich nach dem Gebot der Kon-
zeptvergabe und nicht nach Höchst-
preisen abgeben. Es bekommt also der
Investor den Zuschlag, der sich zum
Bau von günstigen Wohnungen ver-
pflichtet und nicht der, der den höchs-
ten Preis bezahlt und am Ende Luxus-
appartments hochzieht.
Allerdings vergeben viele Kommunen
ihre Grundstücke noch nach dem
Höchstgebot. Immerhin wird schon in
vielen Rathäusern über die Vergabe
nach Konzept diskutiert. Aber viele zö-
gern, den Schritt zu tun und dann auf
Einnahmen zu verzichten. Wiesbaden
befindet sich noch in der Entschei-

dungsphase. In Frankfurt wurde bereits
ein Grundstück nach Konzept vergeben.
Mainz stellt die Anwendung des Verfah-
rens in Aussicht.
Hinzu komme, dass der deutsche
Wohnungsbau im internationalen Ver-
gleich von hoher Qualität, aber teuer
sei, sagt Gedaschko. Die Bauwerkskos-
ten seien trotz vieler Bemühungen um
Effizienzsteigerung zwischen 2000 und
2018 um rund 65 Prozent gestiegen. Al-
lein die Kostensteigerung durch Verord-
nungen zur Energieeinsparung (EnEV)
betrage 16 Prozent seit 2002.„Die Ein-
sparungen aus verminderten Heizkos-
ten können dies nur zum Teil gegenfi-
nanzieren, zumal der betriebliche Auf-
wand für energetisch hocheffiziente
Gebäude deutlich ansteigt.“
Mit dem derzeitigen Neubaustandard
sei die Grenze der Wirtschaftlichkeit
längst erreicht. Höhere Standards wie
KfW 55 lassen sich ohne Förderung gar
nicht mehr darstellen. In der Gesamtbe-
trachtung sind kaum noch energetische
Fortschritte zu erzielen. Die Mehrkos-
ten gehen 1:1 in eine höhere Miete und
Betriebskosten ein, rechnet der GdW-
Präsident vor. Eine Folge ist, dass kaum
Wohnungen zu bezahlbaren Mieten im
frei finanzierten Wohnungsbau entste-
hen. „Nur kaufkräftige Haushalte sind
in der Lage, die wirtschaftlich notwen-

digen Mieten zu bezahlen oder Eigen-
tum zu erwerben.“
Zum Jahreswechsel 2018/2019 hatten
die Baupreise den höchsten Anstieg
seit zehn Jahren vorzuweisen. Ge-
daschko: „Und die Dynamik ebbt seit-
dem nicht ab. Allein Maurerarbeiten
sind jetzt um sechs Prozent teurer, Be-
tonarbeiten kosten rund 5,8 Prozent
und Erdarbeiten immerhin sieben Pro-
zent mehr als im Vorjahr.“ Diese Preis-
anstiege würden auch mit den deutlich
spürbaren Kapazitätsengpässen im Be-
reich Handwerk zusammenhängen.
„Die Kapazitätsauslastung ist insge-
samt höher als im Bauboom der Nach-
wendezeit.“
Das zuständige Bundesministerium
des Inneren, für Bau und Heimat sieht
einen Schub für mehr Bautätigkeit in
der Sonderabschreibung für den Miet-
wohnungsbau, die Anfang August in
Kraft getreten ist. Private Bauherren
können befristet auf vier Jahre fünf Pro-
zent der Anschaffungs- und Herstel-
lungskosten einer neuen Wohnung
steuerlich geltend machen – zusätzlich
zur geltenden linearen Abschreibung.
Das summiert sich in den ersten vier
Jahren auf 28 Prozent.„Dadurch wird
ein entscheidender Anreiz für mehr
Wohnungsneubau geschaffen“, sagt ein
Ministeriumssprecher.

KKKeine Hoffnung auf ein Ende der Immobilien-Inflation eine Hoffnung auf ein Ende der Immobilien-Inflation


Trotz wachsender Wohnungsnot geht die Zahl der Baugenehmigungen zurück. Das Hauptproblem ist der fehlende Platz


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