Süddeutsche Zeitung - 17.08.2019

(Jacob Rumans) #1
von michael bauchmüller

K


onsequente Klimaschützer
müssen gut aufpassen in die-
sen Tagen. Wer immer andere
anprangert, weil die angeblich
zukunftsvergessen leben, auf
den zeigen zehn Finger zurück. Was den ei-
genen Treibhausgas-Fußabdruck angeht,
lebt in der Wohlstandsrepublik Deutsch-
land so gut wie keiner so sauber, wie er
eigentlich müsste. Auch bei sich selbst
stößt fast jeder auf die kleinen Widersprü-
che zwischen Anspruch und Wirklichkeit.
Das Land ist in diesen Tagen voller mah-
nender Zeigefinger. Zur Ferienzeit geht
die Flugscham um, und so manche Ur-
laubserzählung beginnt mit einer Ent-
schuldigung. Menschen meiden penibel
jeden Plastikmüll und essen Rindfleisch
mit schlechtem Gewissen. Seit Kinder die
Verantwortung ihrer Eltern einklagen,
spüren diese plötzlich die zentnerschwere
Last ihres ökologischen Rucksacks.
Kommt die Menschheit um fünf vor zwölf
doch noch zur Besinnung?
Leider, leider: So einfach wird es nicht.
Nichts ist falsch daran, das eigene Konsum-
verhalten kritisch zu hinterfragen, ganz im
Gegenteil. So mancher hat vor lauter Über-
fluss womöglich sogar eine Sehnsucht
nach dem Weniger, nach Entschleunigung.
Vielen schwant schon lange, dass grenzen-
los wachsende Bedürfnisse einen begrenz-
ten Planeten irgendwann überfordern wer-
den. Nur richtet eine Debatte, die das Ver-
haltenen des Einzelnen in den Mittelpunkt
rückt, den Blick allein auf das Wer – und
weg vom Wie. Sie bietet keine Lösungen.
Die Debatte spiegelt den empfundenen
Ernst der Lage. Wenn dem Hitzesommer
2018 schon im Jahr darauf neue Rekord-
temperaturen folgen, wenn Sibiriens Wäl-
der brennen wie lange nicht und aus der
Wissenschaft wöchentlich neue, bedrü-
ckende Erkenntnisse zur Klimakrise kom-
men – was liegt da näher, als das eigene
Handeln zu überdenken; und das der Nach-
barn gleich mit?
Klimawandel, Artensterben, der Zu-
stand der Wälder – vor einem Jahr waren
das auch in Deutschland Randthemen.
Nun machen sie Schlagzeilen. Wenn ein
solches Problem plötzlich akut erscheint,
wollen Menschen schnelle Antworten. Der
zähe politische Prozess kann ihnen die
nicht bieten. Also handeln sie selbst: Das
geht schnell und ist konsequent.

Doch der Verdacht liegt nahe, dass der
Aktionismus bei vielen den gleichen Ver-
lauf nimmt wie ein ärgerliches Rückenlei-
den. Schließlich wissen Millionen Arbeit-
nehmer auch, dass ihre Bewegungsar-
mut, ihre Haltung am Schreibtisch, ihr
schweres Heben dem Rücken schaden. Ak-
tiv aber werden die meisten erst, wenn es
ihnen in den Rücken fährt. Dann machen
sie Gymnastik, treiben Sport, buchen den
Yogakurs. Sind die Schmerzen irgend-
wann verschwunden, ebbt häufig auch
die Einsicht ab.
Doch während in Sachen Gesundheit
der Einzelne am ehesten etwas für sein
Wohlbefinden tun kann, ist es beim Klima
das Kollektiv. Das Kollektiv der Bürger,
das eine Regierung zu echter Klimapolitik
drängen kann; das Kollektiv der Staaten,
um die größten Lasten auf jene zu vertei-
len, die am meisten zur Konzentration von
Treibhausgasen beigetragen haben.
Die Erklärung liefert die Spieltheorie,
Ursache ist das Verhalten der anderen. So
wird alle Flugscham nichts daran ändern,
dass viele Menschen fliegen. Wer sich aber
selbst bescheidet, um konsequenter zu le-
ben, wird sich womöglich irgendwann fra-
gen, was das denn bringt – wenn die meis-
ten anderen weitermachen, getreu dem
Motto: Das Flugzeug fliegt ja sowieso. Die
in Umfragen geäußerte Bereitschaft, für
den Klimaschutz auf derlei Luxus zu ver-
zichten, lässt sich in den realen Zuwachsra-
ten im Flugverkehr jedenfalls nicht wieder-
finden, ebenso wenig in den monatlichen
Zulassungszahlen für SUVs und Gelände-
wagen. Verzicht ist immer der Verzicht auf
eine Freiheit, auf eine Möglichkeit, die an-
dere nutzen. So ähnlich läuft es zwischen
Staaten: Sobald einzelne Regierungen Vor-
teile darin sehen, auf Klimaschutz zu ver-

zichten, unterminieren sie die Anstrengun-
gen der anderen. Das allein machte das
Pariser Klimaabkommen so wichtig; und
das Ausscheren der USA so gefährlich.
Deshalb ist es auch so kontraproduktiv,
wenn eine – womöglich nur vorübergehen-
de – Einsicht der vielen den Eindruck er-
weckt, die Emissionen würden schon run-
tergehen, wenn wir uns nur alle tüchtig
anstrengen. Es braucht einen Rahmen für
diese Anstrengungen, um das Problem der
Spieltheorie auszuschalten. Regeln kön-
nen verhindern, dass Einzelne aussche-
ren. Anreize können diejenigen belohnen,
die sich klimafreundlich verhalten. Preise
können belasten oder belohnen, wenn um-
weltschädliches Tun teurer wird, der
Schutz von Umwelt und Klima dagegen
billiger. Selbst das wohlmeinendste Indivi-

duum braucht Hilfe, soll es am Ende mit
seinem Kampf nicht alleine dastehen.
Dahinter stehen Fragen, die grundsätz-
licher sind als die Korrekturmechanis-
men, mit denen sich Politik üblicherweise
beschäftigt. Wie soll, wie kann eigentlich
die klimafreundliche, die treibhausgas-
neutrale Welt aussehen? Wie lässt sie sich
erreichen, ohne eine Gesellschaft zu spal-
ten? Wie sieht ein gutes Leben im 21. Jahr-
hundert aus, das den Überfluss begrenzt,
ohne dass Menschen der eigene Verzicht
am Ende frustriert?
Al Gore hat seinen Film über den Klima-
wandel einst„An unconvenient truth“ge-
nannt, eine unbequeme Wahrheit. Eine an-
dere unbequeme Wahrheit ist, leider:
Beim Klimaschutz hört der Spaß auf, so-
bald er die Komfortzone tangiert. Es wird

sich eben keiner vorschreiben lassen, ob er
nach einem erfüllten Berufsleben oder be-
standenem Abi eine Weltreise macht oder
nicht. Es ist schwer vorstellbar, dass Men-
schen auf die Bequemlichkeit und gefühl-
te Sicherheit eines SUVs verzichten, weil
das gerade verpönt ist; sie tun das viel-
leicht selbst dann nicht, wenn höhere Steu-
ern sie dazu bewegen sollen. Es ist unwahr-
scheinlich, dass die Deutschen zu über-
zeugten Vegetariern werden, um so ihren
ökologischen Fußabdruck zu minimieren.
Verbote könnten helfen, doch Mehrhei-
ten dafür werden sich so leicht nicht fin-
den. Für viele wirken die Probleme abs-
trakt, verordneter Verzicht aber ist kon-
kret. Selbst die Grünen lässt das vor Verbo-
ten zurückschrecken; ungeachtet aller Er-
kenntnisse über den Ernst der Lage.

Das mag frustrierend klingen, eröffnet
aber den Raum für Debatten, wie sich Kli-
maschutz anders organisieren lässt. Wenn
etwa die Erkenntnis ist, dass Menschen
weiterhin fliegen wollen, aller Flugscham
zum Trotz: Wie muss diese Fliegerei ausse-
hen? Mit welchem Treibstoff sollen Flug-
zeuge künftig fliegen? Wie lässt sich die In-
flation des Flugtourismus stoppen? Wer
dort anfängt, der landet rasch nicht nur bei
einer Kerosinsteuer, sondern auch bei
Start- und Landegebühren für Flugzeuge,
die sich an deren klimaschädlichen Emissi-
onen orientieren. Es ist die Mischung aus
Anreizen, Standards und festen Vorgaben,
die den Lauf der Dinge ändert. Dafür aber
braucht es klare Ziele und Orientierung.
Wenn die Erkenntnis ist, dass eine inten-
sive Landwirtschaft nicht mit dem Kampf
gegen die Erderwärmung kompatibel ist –
was stärkt dann Alternativen? Wie lassen
sich Agrarsubventionen noch stärker in
naturschonende Bewirtschaftung lenken?
Welche Vorgaben braucht es, um weg von
der Massentierhaltung zu kommen und
der Natur mehr Platz zu geben? Wie müs-
sen Handelsabkommen aussehen, damit
nachhaltig erzeugte Lebensmittel nicht
verdrängt werden durch Importe aus Regi-
onen, wo es solche Auflagen nicht gibt?
Wenn die Emissionen des Straßenver-
kehrs sinken sollen, Menschen aber auf in-
dividuelle Mobilität nicht verzichten wol-
len – wie müssen die Alternativen, müssen
die Städte aussehen? Welche Infrastruk-
tur muss, auch mit staatlicher Hilfe, entste-
hen, um fossile Kraftstoffe abzulösen?
Wie kann eine Bepreisung des Verkehrs –
nicht nur an der Zapfsäule – beim Umstieg
auf andere Mobilität und klimafreundli-
che Verkehrsmittel helfen, etwa durch
eine ökologische Autobahngebühr, oder
durch eine City-Maut, die nur emissions-
freie Fahrzeuge verschont? Wie kann ein
emissionsfreier Güterverkehr aussehen?
Und kann die Digitalisierung helfen, Ver-
kehr effizienter zu organisieren?

Der Klimawandel geht letztlich auf
Strukturprobleme der entwickelten Welt
zurück, die andere dummerweise imitiert
haben. Genau darum liegt die Antwort
nicht in der Umkehr einiger, sondern in
strukturellen Lösungen. Keine davon ist
trivial, denn so wie die Probleme sind auch
die Lösungen Teil einer vernetzten Welt,
sie haben Risiken und Nebenwirkungen.
Das Elektroauto hilft nur, wenn es den In-
dividualverkehr nicht weiter wachsen
lässt. Grünes Flugbenzin ist keine Lösung,
wenn dafür Regenwälder abgeholzt wer-
den. Teureres Fleisch allein löst das Pro-
blem nicht, wenn stattdessen Fischbestän-
de schrumpfen. Noch so viele Ökoenergie
hilft nicht, wenn sie verschwendet wird.
Im Grunde steht die Menschheit vor
einer gigantischen Organisationsaufgabe:
Der im Wortsinn nachhaltigen Verteilung
von Ressourcen in einer Welt, in der die
einen am Raubbau verdienen, während an-
dere die Folgen des Raubbaus zu spüren
bekommen. Und Deutschland ist ein klei-
ner, relativ glücklicher Ausschnitt dieser
Welt. Viele hoffen auf Lösungen von hier.
Dem eigenen Gewissen ist deutlich
mehr geholfen als der Welt an sich, wenn
sich die Einzelnen fürs Fliegen schämen
und darauf verzichten; wenn sie statt
Steaks Tofu auf den Grill legen oder zur Kä-
setheke die eigene Frischebox mitbringen.
Keine Frage, all das ist gut und richtig.
Aber es ersetzt nicht die Suche nach syste-
mischen Antworten, die im großen Maß-
stab auch Konsum- und Verhaltensmuster
verändern; und letzten Endes auch
Finanzsysteme, die über Rendite und
schnelles Geld die Zukunft vergessen.
Darin liegt die wahre Chance dieser
Zeit. Freitagsdemos, Sommerhitze und
ein Höhenflug der Grünen haben den Kli-
maschutz dahin gerückt, wo er schon lan-
ge hingehörte. Ein Klimakabinett tagt. Par-
teichefs überbieten sich mit Vorschlägen.
Jeder, der nun bewusster mit dem Klima
umgehen will, muss vor allem bewusster
mit der Politik umgehen: Und darauf ach-
ten, dass sie nicht nur an ein paar Schräub-
chen dreht. Sondern am ganz großen Rad.

Folge 7 der Nachhaltigkeitsserie erscheint am


  1. August zum Thema: Wohnen.


Nurin Finnland und in Schweden ist der
Wert noch höher: 93 Prozent der Deut-
schen kennen die Europäische Zentral-
bank, hat die jüngste Umfrage des Euro-
barometers ergeben. Berühmt zu sein,
hat vermutlich Vor- und Nachteile, im
Fall der EZB ist wohl ordentlich negative
Bekanntheit dabei. Viele Deutsche
schimpfen auf die Zentralbank, weil sie
keine Zinsen mehr bekommen. Die in
den vergangenen Jahren allerdings oft
geringe Inflation übersehen viele, ob-
wohl sie Sparern hilft, weil ihr Geld weni-
ger entwertet wird. Außerdem, man darf
es pathetisch sagen, hat die EZB den
Euro und damit auch den Arbeitsplatz


vieler Arbeitnehmerinnen in Deutsch-
land gerettet. Christine Lagarde(FOTO: REU-
TERS)übernimmt im November das Amt
von Mario Draghi. AmMontagbeschrei-
ben wir, was vor ihr liegt. Die Französin
ist die erste Präsidentin an der Spitze der
EZB und die erste ohne wirtschaftswis-
senschaftliches Studium, und überhaupt
natürlich die erste Frau auf diesem pro-
minenten Posten. Die Juristin Lagarde
führt dann eine Notenbank, die politisch
verstrickt ist und um ihre Akzeptanz in
Europa kämpfen muss. Wie verträgt sich
das mit der politischen Unabhängigkeit
der EZB? Frankfurt-Korrespondent Mar-
kus Zydra hat die Lage analysiert und
kommt zu dem Schluss, dass Lagarde
daher vor allem eines besser machen
sollte als Mario Draghi: nicht nur mit den
Finanzmenschen reden, sondern die
historisch einmalig lockere Geldpolitik
der breiten Gesellschaft erklären.


DasMittwochsporträtstellt Varena
Junge vor. Die 31-Jährige war früher
Greenpeace-Aktivistin, besetzte Atom-
kraftwerke. Jetzt ist sie Gründerin und
Chefin ihres eigenen Energie-Unterneh-
mens in Hamburg. Kathrin Werner hat
sie getroffen – und Junge ist auch die
Gesprächspartnerin in der neuen Folge
desPlan W-Podcasts, zu finden in allen
gängigen SZ-Apps unter dem Stichwort
Plan W.


AmDonnerstaggeht die Nachhaltig-
keitsserie weiter. Hendrik Munsberg
erklärt, wie man sein Eigenheim zum
klimaschonenden Energiesparhaus
macht, wie man an Fachleute und För-
dergeld vom Staat kommt. Und was
Mieter tun können.


Es ist eine gegenläufige Bewegung in
Deutschlands Landen zu beobachten:
Die einen wollen Bienen retten, die ande-
ren bauen sich Schotterwüsten. Im
nächsten Beitrag der Nachhaltigkeitsse-
rie, der amFreitagerscheint, geht es
darum, wie Verbraucher nachhaltig


gärtnern. Und Ronald Clark, Direktor
der Herrenhäuser Gärten in Hannover,
erklärt, wie das in einer mehr als 50
Hektar großen und mehr als 300 Jahre
alten Anlage funktionieren kann.


Und sonst?An den Finanzmärkten pas-
sieren immer viele komische Dinge, aber
derzeit geht es besonders wild zu. Vor
allem im Handel mit US-Staatsanleihen.
Die sogenannte Zinskurve ist nämlich
invers geworden: Anleihen, die erst in
Dekaden zurückgezahlt werden, haben
nun eine höhere Rendite als kurzlaufen-
de. In der Regel ist es umgekehrt. Die
inverse Zinskurve gilt manchen als Vor-
zeichen einer Rezession. Aber nicht je-
der glaubt, dass das stimmt. „Ich möch-
te betonen, dass es dieses Mal ein weni-
ger guter Indikator sein könnte“, sagt die
ehemalige Chefin der US-Notenbank
Fed, Janet Yellen. Vielleicht sind die
Finanzmärkte nur ein bisschen durchein-
ander. bastian brinkmann


Nichts ersetzt die Suche nach systemischen Antworten, die im
großen Maßstab Konsum- und Verhaltensmuster ändern

Was bringt Verzicht, wenn andere weitermachen?


Klimaschonende Politik droht die Gesellschaft zu spalten


Die Schenkungssteu-
er brachte nur rund
eine Milliarde Euro.
Das Gesetz kennt
Diverses, was steuer-
frei verschenkt und
vererbt werden
kann, zum Beispiel
Hausrat. Inklusive
Kleidung darf das
aber 41 000 Euro
nicht übersteigen
(bei Steuerklasse I).

DIE LÖSUNG


Das große Rad


AusFlugscham nur noch Urlaub in der


Heimat? Mit Frischebox an die Käsetheke?


Die Klimaschutz-Debatte lässt viele


ihr Verhalten überdenken. Aber das reicht


nicht. Nötig sind ganz andere Antworten.


Nachhaltigkeitsserie, Folge 6: Politik


DIE SPIELTHEORIE


DIE GEFAHR


SAMSTAGSESSAY


Adam Neumann, Jahrgang 1979, ist der
Gründer der Schreibtischvermietung
We Work. Und er kennt sich offenbar gut
in Markenrecht aus, hatBloombergim
Börsenprospekt der Firma entdeckt. Der
Konzern hinter We Work heißt seit Kur-
zem „We Company“, also „Wir Firma“. Das
Markenrecht an dem „We“ hat die „We
Company“ demnach von der „We Hol-
dings LLC“ gekauft. In der Holding liegen
Aktien der We-Work-Gründer. Das klingt
vielleicht verwirrend,
aber so läuft’s: Die „We
Holdings LLC“ bekam
im Gegenzug für die
Markenrechte an „We“
in diesem Jahr 5,9 Mi-
llionen Dollar. Die
Summe basiere auf
eine Bewertung durch
Dritte, hieß es. Neu-
manns(FOTO: REUTERS)
Konzern hatte am Mittwoch die Unterla-
gen für den Börsengang eingereicht. Das
zuletzt mit 47 Milliarden Dollar bewertete
Start-up machte im ersten Halbjahr mehr
Verluste, sie stiegen um zehn Prozent auf
689,7 Millionen Dollar, während sich der
Umsatz auf 1,54 Milliarden Dollar mehr
als verdoppelte. sz

Oliver Zipse, 55, der neue BMW-Chef, hat
die Beschäftigten an seinem ersten Ar-
beitstag aufgerufen, die Herausforderun-
gen anzunehmen und die Chancen des
Umbruchs in der Autoindustrie zu nut-
zen. In einem Rundbrief spricht er auch
Schwächen des Konzerns offen an und
gibt das Ziel aus, BMW müsse „als Gewin-
ner aus dem Umbruch in unserer Branche
hervorgehen“. Der studierte Mathemati-
ker und Maschinenbauer war bisher als

Produktionschef für die weltweit 31 BMW-
Werke verantwortlich. Der Aufsichtsrat
hatte Zipse im Juli zum Nachfolger von
Harald Krüger berufen, der nach vier
Jahren an der Spitze seinen Vertrag nicht
mehr verlängern wollte. Zipse schreibt
nun an die Mitarbeiter, BMW habe sich in
den vergangenen Jahren etwas „an den
Erfolg gewöhnt“. Jetzt stiegen die Kosten
schneller als die Einnahmen. Der Erfolg
müsse „jeden Tag neu erarbeitet werden“,
mahnt der neue Chef. In den vergange-
nen Monaten kam tatsächlich die Gewinn-
marge stark unter Druck, nicht zuletzt
weil die Umbrüche in der Industrie hohe
Investitionen fordern. „Wir müssen nicht
immer der Erste sein“, aber bei allem
„deutlich besser sein als der Wettbe-
werb“, fordert Zipse. Das gelte für Autos
und Dienstleistungen, Strukturen und
Kosten. Zugleich betont er aber auch
ungewohnt deutlich die Stärken von
BMW. Je nach Entwicklung der Kunden-
wünsche und der gesetzlichen Vorgaben
in den verschiedenen Regionen könne
BMW Verbrenner, Hybride oder reine
Elektroautos bauen: „Mit unseren flexib-
len Architekturen sind wir dem Wettbe-
werb weit voraus“, behauptet Zipse. Die
Automobilausstellung (IAA) im Septem-
ber in Frankfurt wird sein erster großer
Auftritt als BMW-Chef werden. sz

Harry Markopolos, 62, Privatermittler,
hat es wieder getan: Er erhebt schwere
Vorwürfe, diesmal trifft es General Eelec-
tric. Markopolos(FOTO: AP)wurde berühmt,
weil er vor dem Betrüger Bernie Madoff
warnte, als viele ihn noch für einen Starin-
vestor hielten. General Eelectric bezich-
tigt er nun in einem 175-seitigen Papier,
mögliche Verluste in einer Höhe von
38,1 Milliarden Dollar verschleiert und die
Lage des Konzerns geschönt zu haben.
General Eelectric reagierte scharf. Es
handele sich „schlicht und einfach um
Marktmanipulation“, sagte Konzernchef
Larry Culp. Der Bericht enthalte falsche
Angaben. Markopolos profitiere von Leer-
verkäufen im Zusammenhang mit dem
Bericht. Dass Markopolos finanziell profi-
tieren will, ist kein Geheimnis: Er erzählte
derFinancial Times, dass er vier Hedge-
fonds angerufen habe,
um ihnen zu sagen,
dass GE „betrügeri-
scher als Enron“ sei.
„Die nehmen ab, wenn
ich anrufe.“ Ein Hedge-
fonds kooperiere mit
ihm und wette auf
einen Kursverfall der
GE-Aktien. sz

ist unsere Mitarbeiterin
der Woche. Bei vielen
Konzernen sind die
Halbjahreszahlen schon
veröffentlicht, andere
publizieren sie die Tage.
So oder so, die Arbeit
geht ihnen nicht aus:
Nach dem Quartal ist
vor dem Quartal.
FOTO: ANDREY POPOV/IMAGO IMAGES

Vielen Menschen ist es gar nicht bewusst:
Für das Finanzamt ist das Verschenken
großer Geldsummen steuerrechtlich quasi
das Gleiche wie das Vererben großer Sum-
men. Das Statistische Bundesamt hat nun
neue Zahlen dazu veröffentlicht.FOTOS: DPA

Über die Erbschaft-
steuerwurden den
amtlichen Zahlen
zufolge im Jahr 2018
5,7 Milliarden Euro
eingenommen, das
sind 13 Prozent
mehr als 2017. Das
Plus liegt vor allem
daran, dass mehr
unbebaute und
bebaute Grundstü-
cke vererbt wurden.

Schenken

24 WIRTSCHAFT Samstag/Sonntag, 17./18. August 2019, Nr. 189 DEFGH


„Wir müssen nicht immer
der Erstesein“, sagt der neue
Vorstandsvorsitzende von BMW,
Oliver Zipse.FOTO: AFP

Das „We“ entscheidet


GutenTag!


Ein neuer Verdacht


DIE FINANZCHEFIN


PERSONALIEN


WAS KOMMT


Steuer vs. Steuer


Erben

GrünesFlugbenzin ist keine
Lösung, wenn dafür
Regenwälder abgeholzt werden

Regeln können verhindern,
dass Einzelne
ausscheren
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