Süddeutsche Zeitung - 17.08.2019

(Jacob Rumans) #1
interview: nikolaus piper

V


or 30 Jahren, am 24. August
1989, begann in Warschau die
Auflösung des sozialistischen
Systems. Noch vor dem Fall der
Berliner Mauer trat die erste frei
gewählte Regierung Polens seit dem Zwei-
ten Weltkrieg ihr Amt an. Ministerpräsi-
dent wurde der katholische Intellektuelle
Tadeusz Mazowiecki, Vizepremier und
Finanzminister wurde ein damals im Wes-
ten praktisch unbekannter Ökonom na-
mens Leszek Balcerowicz. Mit einer radika-
len Schocktherapie baute er den polni-
schen Sozialismus in eine moderne Markt-
wirtschaft um. Sein „Balcerowicz-Plan“
war zwar seinerzeit umstritten, inzwi-
schen gilt der Ökonom aber als „Ludwig
Erhard Polens“. Heute ist der 72-Jährige
Professor an der Warschauer Wirtschafts-
universität und leitet eine Stiftung. Als li-
beraler Politiker ist er einer der profilier-
testen Gegner der gegenwärtigen Regie-
rung in Warschau.

Herr Professor Balcerowicz, vor 30 Jah-
ren begannen Sie in Polendamit, die sozia-
listische in eine Marktwirtschaft umzu-
bauen, dreiMonate vor dem Fall der Berli-
ner Mauer. Wann wurde Ihnen klar, dass
der Kommunismus am Ende war?
Leszek Balcerowicz: Man muss zwei Din-
ge auseinanderhalten. Als wir mit den Re-
formen begannen, war die sozialistische
Wirtschaft gescheitert, daran gab es nicht
den geringsten Zweifel. Aber noch Anfang
1989 hätte ich mir nicht im Traum vorstel-
len können, dass das gesamte sozialisti-
sche System kollabieren würde, weil ich
nicht voraussah, was dann in der Sowjet-
union geschah.
Wie kamen Sie überhaupt zu Ihrer Funkti-
on als Finanzminister der ersten frei ge-
wählten Regierung Polens?
Als junger Ökonom hatte ich eine Gruppe
gegründet, die sich mit der Reform der pol-
nischen Wirtschaft befasste. Das war in
den späten 1970er- und den 1980er-Jah-
ren. Wir dachten damals an Verbesserun-
gen, nicht an eine Abschaffung des Sys-
tems. Doch dann kam 1982 ...
...als der damalige Präsident Wojciech Ja-
ruzelski das Kriegsrecht verhängte, um
mit der antikommunistischen Gewerk-
schaft Solidarność fertigzuwerden.
Nach 1982 überwanden wir dann die ge-
danklichen Grenzen. Wir wollten einfach
das beste Wirtschaftssystem für Polen.
Aber wir dachten nicht, dass die Ideen zu
unseren Lebzeiten einmal umgesetzt wer-
den würden. So kam es, dass ich 1989, als
das alte System kollabierte, der Einzige
war, der ein Konzept hatte. Deshalb rief
mich Tadeusz Mazowiecki an ...
...Polens erster frei gewählter Minister-
präsident ...
...und fragte mich, ob ich Polens Ludwig
Erhard sein wolle. Aber damit hatte er un-
sere Arbeit nur unzureichend umschrie-
ben. Erhard musste seinerzeit in Deutsch-
land die Wirtschaft stabilisieren – das war
die Währungsreform –, und er musste sie
liberalisieren, also Vorschriften abbauen.
Wir mussten zusätzlich noch die ganzen In-
stitutionen einer modernen Wirtschaft
neu aufbauen. Dazu gehörte die Privatisie-
rung der Staatsunternehmen. Die Aufgabe
war am schwierigsten und kostete am
meisten Zeit.
Haben Sie jemals an den Marxismus ge-
glaubt?
Es gab schon früher in Polen wenig Recht-
gläubige des Sozialismus, und ich gehörte
nicht zu ihnen. Wir schlugen trotzdem in
den 1970ern Reformen innerhalb des be-
stehenden Systems vor. Eine andere Mög-
lichkeit sahen wir zunächst nicht. Nach-
dem wir diese gedanklichen Grenzen über-
schritten hatten, studierte ich auch westli-
che Konzepte, darunter das deutsche der
Ordnungspolitik. Aber ich bin nie von ei-
ner Theorie oder einer Ideologie ausgegan-
gen, sondern von den konkreten Proble-
men in verschiedenen Ländern. Als Polen
dann frei wurde, konnten wir nicht nur die
Demokratie einführen, sondern auch ein
Wirtschaftssystem, dank dessen Polen
heute schneller wächst als seine westli-
chen Nachbarn. Eine andere Frage war:
Wie gestalten wir den Übergang vom ei-
nen zum anderen System? Meine Überzeu-
gung war: Es musste sehr schnell gehen,
nicht schrittweise. Schließlich hatten wir
damals Hyperinflation ...
...konkret?
35 Prozent Geldentwertung im Monat.
Heute weiß man: Länder, die radikal refor-
miert haben – Polen und die baltischen
Staaten –, stehen besser da als andere.
Polen ist zweifellos eine Erfolgsgeschich-

te. Aber einige Reformen haben nicht
funktioniert. Es gab und gibt viel Kritik.
Das erste Jahr der Reformen lief sehr gut,
aber dann setzte die Tagespolitik ein. Da-
durch verlangsamte sich zum Beispiel die
Privatisierung von Staatsunternehmen.
Das schadete der Wirtschaft.
Vielleicht ist das verständlich. Die Men-
schen mussten einen hohen Preis für die
schnellen Reformen entrichten.
Das ist ein sehr populärer Irrtum. In Wirk-
lichkeit sind die Härten für die Bevölke-
rung bei langsamem Reformtempo um ein
Vielfaches höher als bei einem schnellen.
Als wir 1989 begannen, hatte Polen unge-
fähr den gleichen Lebensstandard wie
Weißrussland oder die Ukraine. Heute ist
Polen viel besser dran, wegen der schnel-
len Reformen.

Wenn es den Polen wirtschaftlich so gut
geht, warum haben sie dann 2015 eine
rückwärtsgewandte, antiliberale und au-
toritäre Regierung ins Amt gewählt?
Die Wahl der rechtspopulistischen Partei
Recht und Gerechtigkeit, PiS, hat nichts
mit einem Gesinnungswandel der Bevölke-
rung zu tun, sondern mit dem schlechten
Wahlkampf ihrer Gegner. Unser letzter
Präsident Bronisław Komorowski von der
liberalen Bürgerplattform PO war ein gu-
ter Politiker, aber ein miserabler Wahl-
kämpfer. Deshalb hat er verloren. Sein
Nachfolger Andrzej Duda kam von der PiS.
Das half der Partei bei der nächsten Wahl.

Das war der einzige Grund?
Nicht der einzige, aber der wichtigste. Und
als die PiS einmal an der Macht war, hatte
sie Glück. Die Wirtschaft in Europa, und
damit auch in Polen, zog an. Viele Men-
schen schrieben das der Regierung zu. Es
ist sehr schlecht für ein Land, wenn
schlechte Leute an der Spitze Glück haben.
Als sie einmal an der Macht waren, taten
sie etwas, was noch keine Regierung vor-
her gewagt hatte: Sie griffen die Unabhän-
gigkeit der Justiz an. Sie nutzten die Staats-
anwaltschaft als politisches Instrument,
ein klarer Verstoß gegen den Rechtsstaat.
Wenn die Justiz nicht mehr unabhängig
ist, kann Demokratie nicht bestehen.
Ein schwerer Vorwurf.
Oder die Medien. Die PiS hat das öffentli-
che Fernsehen schamlos in ein Propagan-
da-Instrument nach sowjetischem Muster
verwandelt. Wenn man so ein Instrument
in der Hand hat, kann man bis zu einem ge-
wissen Grad die Haltung der Leute verän-
dern. Wahlen mögen noch frei sein, sie
sind aber nicht mehr fair.
Polen hat eine lange Geschichte von Frei-
heitskämpfen. Die Polen waren die ers-
ten, die sich vom Sozialismus befreit ha-
ben. Warum lassen sie sich das bieten?
Es gibt in der Geschichte immer wieder po-
litische Schocks und Missgeschicke. Die
Einstellung der Polen hat sich nicht funda-
mental geändert. Es ist jetzt an der polni-
schen Zivilgesellschaft, PiS zu stoppen. Ich
engagiere mich da sehr aktiv.
Was sagen Sie den Leuten?
Ich sage Ihnen das Gleiche wie Ihnen: Der
Rechtsstaat ist elementar für ein gutes Le-
ben, für die persönliche Sicherheit, für pri-
vate Investitionen.
Und wie reagiert die Regierung?
Ich bin einer ihrer Hauptfeinde(lacht).
Sie scheinen sich darüber zu freuen.
Würden mich Leute kritisieren, vor denen
ich Respekt habe, wäre ich besorgt. Aber
das ist nicht der Fall.
Ist Autoritarismus in einer kapitalisti-
schen Wirtschaft für die Menschen akzep-
tabler als in einer sozialistischen?
Sozialismus bedeutet für die meisten Men-
schen einen niedrigen Lebensstandard.
Das System funktioniert nur mit Furcht

und Einschüchterung. Warum haben die
Menschen in der DDR, außer 1953, nicht
gegen die Verhältnisse rebelliert? Weil die
Geheimpolizei sehr effektiv war. Unter ei-
nem autoritären Regime im Kapitalismus
haben die Menschen wenigstens noch wirt-
schaftliche Freiheit. Es gibt allerdings nur
wenig wirtschaftlich erfolgreiche Länder,
die keine Demokratien sind.

Was ist mit China?
In China spielt die Größe des Landes eine
Rolle. Wäre es ein kleines Land, würde das
System nicht funktionieren. Aber auch
dort sind Grenzen erkennbar. Eine Ausnah-
me ist vielleicht Singapur. Aber die meis-
ten undemokratischen Länder haben auch
eine schlechte Wirtschaft. Der Schluss
kann nur heißen: Demokratie stärken und
eine bessere Wirtschaftspolitik machen.
Wo sehen Sie im heutigen Polen den Unter-
schied zum sozialistischen Autoritaris-
mus?
Der Sozialismus war ein extremes Regime,
in dem der Staat den Menschen alle Frei-
heiten genommen hatte. Was heute in Un-
garn, Polen und anderen Ländern passiert,
ist etwas anderes. Bestimmte Gruppen
wollen das Land beherrschen, indem sie
den Staatsapparat kapern. Haben sie da-
mit Erfolg, wird irgendwann der demokra-
tische Wettbewerb verschwinden. So war
es in Weißrussland, als Alexander Luka-
schenko 1994 an die Macht kam. Es waren
die letzten freien Wahlen in dem Land. Po-
len geht unter der PiS-Regierung seit 2015

in die gleiche Richtung. Es liegt jetzt an der
polnischen Zivilgesellschaft, für eine Um-
kehr zu sorgen.
Gibt es denn Chancen für eine Wende?
Wir haben im Oktober Wahlen zum Sejm,
zum Parlament. Die sind sehr wichtig. Die
Instrumentalisierung der Medien unter
PiS ist fast schlimmer als im Sozialismus.
Die Regierung erhöht gerade die Sozialaus-
gaben, um Stimmen zu kaufen. PiS hat al-
so bei der Wahl etliche Vorteile, die die
demokratische Opposition durch Hingabe
und Engagement wettmachen muss.
Sollte die EU einschreiten?
Die EU sollte nichts speziell für Polen tun.
Sie hätte aber früher viel mehr tun sollen,
um die europäischen Werte und Verträge
zu schützen. EU-Mitglieder müssen den
Rechtsstaat respektieren, so steht es in
den Verträgen. Angesichts dessen waren
die Institutionen der EU viel zu tolerant
mit Viktor Orbán in Ungarn. Seine Partei
hätte schon lange ausgeschlossen werden
müssen aus der EVP ...
...dem konservativen Parteienbündnis,
dem auch CDU und CSU angehören.
Die Passivität gegenüber Orbán hat ande-
re ermutigt. Ich frage Sie: Können Sie sich
eine EU vorstellen, in der einige Mitglieder
nicht mehr demokratisch regiert sind?
Das wäre ihr Ende.
Genau deshalb muss die EU jetzt handeln.
Was immer sie zum Schutz europäischer
Werte unternimmt, ist auch im Interesse
der polnischen Nation.
Warum ist die PiS eigentlich so radikalge-
gen Flüchtlinge? Viele Polen arbeiten in
Deutschland, aber die polnische Regie-
rung lehnt Migration ab.
Ich kann Ihr Erstaunen verstehen. Feind-
schaft gegen Migration ist keine natürli-
che Haltung in Polen. Das Land hat Hun-
derttausende von Wirtschaftsflüchtlingen
aus der Ukraine aufgenommen. Was wir
aber sehen, ist eine schamlose Kampagne
gegen Flüchtlinge aus Syrien und aus dem
Irak. Polen hat noch nie einen großen An-
sturm von Flüchtlingen erlebt, aber PiS tut
in der Propaganda so, als würde Polen
überrannt von Ausländern, die auch noch
gefährliche Viren mitbringen. Es ist eine
zynische Angstkampagne.

Leszek Balcerowicz.
FOTO: DPA

München– Manche Ideen brauchen eben
ein bisschen länger. Dass man mit einer
Art Lenkdrachen eine Kutsche ziehen las-
sen konnte, das hatte Anfang des 19. Jahr-
hunderts schon ein Schuldirektor aus Bris-
tol demonstriert. Der Wind muss bei dem
Versuch ganz schön geblasen haben, denn
George Pocock soll in seinem Gefährt im-
merhin mit 20 Meilen die Stunde dahinge-
saust sein, 32 km/h. In jüngeren Zeiten
wurde mit Segeln an Frachtschiffen expe-
rimentiert, die helfen sollten, diese über
die Meere zu ziehen.
Eine noch vielversprechendere Technik
aber sind fliegende Windturbinen. Eine
solche, entwickelt von der Firma Makani,
die zum Google-Mutterkonzern Alphabet
gehört, hat jetzt vor der Küste Norwegens
einen ersten Probeflug erfolgreich absol-
viert. Warum aber sollen die Turbinen
überhaupt fliegen und nicht wie man es
kennt auf einen Turm montiert werden?
Dafür gibt es zwei Gründe. Erstens
muss man dann keine aufwendigen Kons-
truktionen auf dem Meeresgrund errich-

ten. Und zweitens weht der Wind in größe-
rer Höhe viel beständiger und zweitens
kräftiger als in der Nähe der Meeresober-
fläche oder am Boden. Denn ab etwa 500
Meter spielt die Bodenreibung keine Rolle
mehr. Das macht sich deutlich bemerkbar.
Ist die Windgeschwindigkeit doppelt so
hoch, lässt sich viermal soviel Energie dar-
aus gewinnen. 500 Meter, so hoch sollen
auch die Fluggeräte von Makani fliegen.
Man kann sie sich vorstellen wie ein
ziemlich schlankes Flugzeug. Die Spann-
weite beträgt 26 Meter, an den aus Karbon
gefertigten Tragflächen sitzen acht Roto-
ren, die durch den Wind zur Drehung ge-
bracht werden und so elektrischen Strom
erzeugen. Dieser wird mit einem Kabel
nach unten geleitet. Die Station, die sich
auf der Wasseroberfläche befindet, muss
zwar auch auf dem Grund verankert wer-
den. Allerdings muss sie keinen riesigen
Masten tragen und kann deshalb wesent-
lich kleiner und kostengünstiger ausfal-
len. Das Rotor-Flugzeug hängt an einem
Seil und beschreibt in bis zu 500 Meter Hö-

he eine kreisförmige Bahn und kann nach
Firmenangaben bis zu 600 Kilowatt Strom
liefern.
Obwohl der erste Versuch erfolgreich
verlaufen ist, bleiben den Ingenieuren
noch jede Menge Aufgaben zu lösen. Bis
die Technologie in größerem Maßstab ein-
gesetzt werden könne, vergingen mindes-
tens noch fünf bis zehn Jahre, schätzt die
auf Zukunftstechnologien spezialisierte
Beratungsabteilung des Nachrichtendiens-
tes Bloomberg BNEF. Kleinere Projekte je-
doch könnten womöglich schon in ein bis
zwei Jahren funktionieren.
Makani ist nicht die einzige Firma, die
an fliegenden Stromgeneratoren arbeitet.
Dabei gibt es eine Vielzahl von Ideen, wie
man die Turbinen nach oben bringt, wo
der Wind weht. Der Weg dorthin ist aber
von einigen Schwierigkeiten gesäumt. Die
Geräte sind Blitzen ausgesetzt, und damit
sie überhaupt nach oben kommen, müs-
sen sie verschiedene Luftschichten mit
unterschiedlichen Bedingungen überwin-
den. helmut martin-jung

Berlin– Deutschlands Umweltverbände
warnen vor Alibi-Lösungen beim Klima-
schutz. „Was bisher vorgestellt wurde,
reicht allein nicht aus“, sagt Kai Niebert,
Chef des Deutschen Naturschutzrings.
Der Fokus liege bislang vor allem auf An-
reizen und einer „irgend gearteten CO2-
Bepreisung“, von der niemand wisse,
wann sie komme. „Insgesamt sind wir al-
so zurück beim Pillepalle.“
Kanzlerin Angela Merkel selbst soll den
Begriff „Pillepalle“ bei einer Unions-Frak-
tionssitzung für die bisherige Klimapoli-
tik verwendet haben, solches wolle sie
nicht mehr. Die Bundesregierung arbeitet
gerade fieberhaft an den Grundzügen ei-
nes Klimaschutzgesetzes, sie sollen bin-
nen fünf Wochen stehen. Am 20. Septem-
ber sollen die zuständigen Minister sie be-
schließen. Doch zehn führende Umwelt-
verbände – darunter Greenpeace, Nabu,
BUND und der WWF – fordern nun ein So-
fortprogramm, auch jenseits eines Auf-
preises auf den Kohlendioxidausstoß in
Verkehr und Gebäuden.


So müssten noch 2020 mehr als drei Gi-
gawatt Braunkohle vom Netz gehen – also
zwei Jahre früher, als von der Kohlekom-
mission vorgesehen. Weitere zwei Giga-
watt – also rund vier Kraftwerksblöcke –
müssten gedrosselt werden. Bis 2030 sol-
le Schluss sein mit dem Kohlestrom. „Der
einzige Sektor, der schnell liefern kann,
ist der Energiesektor“, sagt Greenpeace-
Geschäftsführer Martin Kaiser. Die Kohle-
kommission hatte dieses Ende frühestens
2035 gesehen. Bis 2030 müsse Deutsch-
land sich zu mindestens 75 Prozent mit
Ökostrom versorgen. Die Koalition peilt
bisher 65 Prozent an.
Im Verkehr brauche es billigere Tickets
für öffentliche Busse und Bahnen und ei-
nen Ausstieg aus dem Verbrennungsmo-
tor bei Autos, in Gebäuden eine Abkehr
von fossiler Wärme, allem voran die Ölhei-
zung. Umweltschädliche Subventionen
müssten konsequent abgebaut werden.
„Ein bisschen Klimaschutz“, sagt Luise
Neumann-Kosel von Campact, „reicht
nicht mehr.“ michael bauchmüller

Die
Instrumentalisierung
der Medien ist
im heutigen Polen fast
schlimmer
als seinerzeit im
Sozialismus.“

Leszek Balcerowicz

„Ich bin einer ihrer Hauptfeinde“


Vor 30 Jahren schaffte der Ökonom Leszek Balcerowicz in Polen den Sozialismus ab. Heute warnt er vor den
autoritären Tendenzen in Osteuropa. Bei der polnischen Regierung ist er nicht beliebt

Strom aus 500 Metern Höhe


FliegendeWindkraftwerke sollen über der Meeresoberfläche günstig Energie erzeugen


Frankfurt– Im Rechtsstreit mit der
Flugbegleitergewerkschaft UFO erhöht
die Lufthansa(FOTO: DPA)den Druck. Der
Konzern wolle gerichtlich klären lassen,
ob UFO die Voraussetzungen einer Ge-
werkschaft erfülle, und habe dazu einen
Antrag beim hessischen Landesarbeits-
gericht gestellt, teilte die Fluggesell-
schaft am Freitag mit. Die Gewerkschaft


habe keinen vertretungsberechtigten
Vorstand und sei damit nicht in der La-
ge, ihre Rolle als Tarifpartner auszufül-
len, hieß es zur Begründung. Man brau-
che aber Rechtssicherheit, um verbindli-
che Tarifverträge abschließen zu kön-
nen. Der stellvertretende UFO-Chef
Daniel Flohr bezeichnete den Schritt als
Verzögerungstaktik der Lufthansa. Die
Gewerkschaft sei tariffähig. Er wäre
„extrem überrascht“, wenn das Gericht
das anders sehen würde. reuters


Frankfurt– Die Bayern-LB hat im ers-
ten Halbjahr wegen der niedrigen Zin-
sen, gestiegener Kosten und einer höhe-
ren Risikovorsorge einen Gewinnein-
bruch erlitten. Das Vorsteuerergebnis
fiel um 30,3 Prozent auf 315 Millionen
Euro, wie die Bayern-LB mitteilte. Unter
dem Strich blieben 294 Millionen Euro,
im Vorjahr waren es 342 Millionen Euro.
„Unser Halbjahresergebnis hat sich trotz
des weiterhin enorm herausfordernden
Marktumfelds zufriedenstellend entwi-
ckelt und liegt im Rahmen der Erwartun-
gen“, sagte der neue Vorstandschef Ste-
phan Winkelmeier. Auch werde die Bank
„ihren Blick noch stärker als bisher auf
ein konsequentes Kostenmanagement
richten.“ Der seit dem 1. Juli amtierende
Bayern-LB-Chef will dem Aufsichtsrat
bis zum Jahresende eine neue Strategie
vorlegen. reuters


Berlin– Die Bundesregierung will Ver-
braucherverträge kundenfreundlicher
gestalten. Unter anderem sollen Laufzei-
ten auf ein Jahr begrenzt werden. Ver-
braucherschützer begrüßten die Pläne
als „wichtigen, längst überfälligen
Schritt“, fordern aber weitergehende
Regelungen. Beim Bundesverband der
Verbraucherzentralen (vzbv) hieß es, bei
der unerlaubten Telefonwerbung gehe
der Gesetzentwurf nicht weit genug. Es
müssten auch andere Branchen einbezo-
gen werden. „Die Regelung muss für alle
telefonisch geschlossenen Verträge gel-
ten“, sagte vzbv-Vorstand Klaus Müller.
Zu Telefonverträgen lägen den Verbrau-
cherzentralen zahlreiche Beschwerden
über unerlaubte Telefonwerbung vor.
Die geplante Laufzeitverkürzung für
Verträge gebe Verbrauchern mehr Frei-
heit und belebe den Wettbewerb. dpa


Frankfurt– Die Europäische Zentral-
bank hat nach einem Hackerangriff eine
ihrer Webseiten bis auf weiteres ge-
schlossen. E-Mail-Adressen und andere
Kontaktdaten wie Namen und Titel könn-
ten entwendet worden sein, teilte die
EZB mit. Den Hackern sei es gelungen,
Schadsoftware auf den Server der soge-
nannten BIRD-Webseite einzuschleu-
sen. Geldhäuser informierten sich auf
dieser seit 2015 bestehenden Seite unter
anderem darüber, wie sie Statistik- und
Aufsichtsberichte erstellen können. Laut
EZB haben die Hacker möglicherweise
Daten aber keine Passwörter von 481
Newsletter-Abonnenten erbeutet. Weder
seien interne Systeme der Notenbank
noch marktsensitive Daten betroffen
gewesen. Die EZB informierte den Euro-
päischen Datenschutzbeauftragten über
den Angriff. reuters


Tempo, bitte


Umweltverbände drängen Regierung zu mehr Klimaschutz


Werbung für Solidarność im Jahr 1989. Die Gewerkschaft wirkte an der politischen Wende Polens entscheidend mit. FOTO: DRUSZCZ WOJTEIC/AFP

DEFGH Nr. 189, Samstag/Sonntag, 17./18. August 2019 HF2 WIRTSCHAFT 25


So sollen sie einmal aussehen, die
fliegenden Windkraftwerke des
Start-ups Makani, das zum Google-
Konzern gehört.FOTO: MAKANI/OH

Lufthansa zieht vor Gericht


Bayern-LB: Gewinn bricht ein


Kürzere Verbraucherverträge


EZB nimmt Seite offline


KURZ GEMELDET

Free download pdf