Süddeutsche Zeitung - 17.08.2019

(Jacob Rumans) #1

A


m frühen Morgen kommen die
Maschinen aus Afrika: Kapstadt,
Nairobi, Addis Abeba. Zollamts-
inspektor Guido Nikl spricht
von seinen „Klassikermaschi-
nen“. Oft, sagt er, ist schon in der Früh-
schicht etwas dabei. Elfenbeinschnitzerei-
en, präparierte Reptilienhäute, Schmuck
mit den Federn seltener Vögel. Hat sich
Nikl eine Maschine ausgeguckt, fordert er
das Gepäck an, holt Schäferhündin Nela
aus dem Auto und lässt sie schnüffeln,
300Koffer in ein paar Minuten. Leistungs-
sport für die Hündin, Routine für Nikl.
Nela ist sein zweiter Artenschutzspür-
hund. „Der gängige Tourist weiß viele Din-
ge nicht“, das habe sich in all den Jahren
nicht geändert, sagt Nikl. „Das schützt ihn
aber nicht.“ Wer am Strand geschützte Mu-
scheln gesammelt hat, wird üblicherweise
mit einem geringen dreistelligen Betrag be-
langt. Gelingt es, dem Schmuggler Vorsatz
nachzuweisen, sind auch mehrjährige Haft-
strafen möglich – je nach Schwere der Tat.
Von welchen Tieren und Pflanzen Rei-
sende besser die Finger lassen sollten, legt
das Washingtoner Artenschutzabkommen
fest. Diese internationale Konvention,
Convention of International Trade in En-
dangered Species of Wild Fauna and Flora,
kurz CITES genannt, wurde 1973 in Wa-
shington verabschiedet und mittlerweile
von 183 Staaten unterzeichnet. Sie regelt
den globalen Handel mit geschützten Tier-
und Pflanzenarten.
Momentan schützt CITES etwa 5800
Tiere und 30000 Pflanzen. Je nach Einstu-
fung ist der Handel mit einer jeweiligen Art
durchaus ohne Einschränkung möglich,
manchmal auch nur teilweise erlaubt oder
eben generell verboten.
Das Problem: Schutz und Profit stehen
meist im Konflikt, auch in jenen Ländern,
die den Vertrag einst unterzeichneten.
Während Tierschutzorganisationen noch
strengere Verbote fordern, sehen viele
Händler ihr lukratives Geschäft bedroht
und setzen sich für eine Lockerung beste-
hender Regelungen ein. Es könnte also
hitzig werden, wenn die Unterzeichnerlän-
der zur 18. Vertragsstaatenkonferenz vom



  1. bis 28. August in Genf zusammenkom-
    men.
    Einen der wichtigsten Stimmenblöcke
    dort bilden die 28 EU-Staaten, die sich
    bereits vor der Konferenz auf eine gemein-
    same, artenschutzfreundliche Position
    geeinigt haben. Diese Allianz contra Wild-
    tierhandel dürfte damit einen wichtigen
    Gegenpol zu jenen Staaten bilden, die sich
    für eine Lockerung einsetzen. Besonders
    Länder im südlichen Afrika könnten versu-
    chen, den Handel mit Elfenbein, Nashör-
    nern oder Jagdtrophäen zu erleichtern –
    fürchten Tierschutzorganisationen.


Es geht schließlich um eine Menge Geld:
Das Umweltprogramm der Vereinten Natio-
nen und Interpol schätzen laut einer ge-
meinsamen Untersuchung, dass Händler
mit dem illegalen Handel geschützter
Tier- und Pflanzenarten jährlich sieben bis
23 Milliarden US-Dollar umsetzen. Erst im
Juli haben Zollbeamte in Singapur knapp
neun Tonnen Elfenbein und zwölf Tonnen
Pangolin-Schuppen im Wert von 43,6 Milli-
onen Euro beschlagnahmt.
Manche Staaten rechtfertigen ihre For-
derung nach einer Lockerung sogar damit,
dass der kommerzielle Handel mit Elfen-
bein oder Nashorn-Horn besser zu kontrol-
lieren sei – und somit sogar zum Arten-
schutz beitrage. „Das sehen wir nicht so“,
sagt Daniela Freyer von der Tierschutzor-
ganisation Pro Wildlife. Zwar klinge diese
These zunächst plausibel, in der Praxis
habe es bisher aber keinerlei Belege dafür
gegeben, sagt Freyer. Tatsächlich stellten
Tierschützer 2008 einen Anstieg an Wilde-
rei fest – just in dem Jahr, in dem es Län-
dern wie Südafrika, Namibia oder Simbab-
we kurzzeitig erlaubt war, ältere Elfenbein-
bestände zu verkaufen. Trotzdem pochen
gerade diese Länder weiterhin auf eine Lo-
ckerung des Handelsverbots. Auch Botswa-
na entwickelt sich mehr und mehr zu ei-
nem Jägerparadies. Besonders gefährdet
sind dort Elefanten.
Noch stellt das Land mit etwa 130000
Tieren den größten verbliebenen Elefan-
tenbestand Afrikas, wie großflächige Luft-
aufnahmen der NGO „Elephants Without
Borders“ in einer kürzlich veröffentlichten
Untersuchung zeigen. Allerdings sollen in
Botswana alleine 2017 und 2018 mindes-


tens 385 Elefanten der Wilderei zum Opfer
gefallen sein. Die Dunkelziffer schätzen
die Studienautoren als noch höher. Erst
vor wenigen Monaten vollzog Botswana
eine Kehrtwende und annullierte das 2014
verabschiedete Jagdverbot auf Elefanten.
Andererseits aber lehnt die Mehrheit
der afrikanischen Staaten die Elfenbein-
Handelspläne von Botswana und Co. vehe-
ment ab. Insgesamt 32 Länder haben sich
zur „African Elephant Coalition“ zusam-
mengeschlossen und fordern, den Handel
mit Elfenbein dauerhaft zu verbieten. Glei-
ches soll auch für Giraffen gelten, deren
Bestand in ganz Afrika in den vergangenen
30 Jahren um fast 40 Prozent eingebro-
chen ist. Die Weltnaturschutzunion IUCN
hat die Tiere bereits auf die Rote Liste der
vom Aussterben gefährdeten Arten ge-
setzt. Weil sie bisher jedoch nicht durch
CITES geschützt sind, ist der Handel wei-
terhin erlaubt. Deswegen beschlagnah-
men Zollbeamte regelmäßig Trophäen,
Messergriffe und andere Artikel, die aus
Knochen oder Fell von Giraffen hergestellt
wurden.

Diese landen nicht selten in der Asserva-
tenkammer des Zolls – unter anderem
auch in Frankfurt. Während dort eine Eta-
ge höher der Flugbetrieb an Terminal 2
läuft, betritt Zollbeamter Guido Nikl einen
kleinen Raum im Keller des Flughafens. In
der Luft liegt der Muff von Tierfellen, auf
dem Boden liegt eine Krokodilhaut als Tep-
pich. Der Zoll hat den Raum eingerichtet,
um seine Funde vorzuführen, Elfenbein-
ketten und chinesischer Schlangenwein,
ein ausgestopfter Gepard aus der Luft-
fracht, ein komplettes Eisbärenfell mit
Kopf. Manche der hier ausgestellten Dinge
hat Nikl mit Hündin Nela aufgespürt und
beschlagnahmt.
Natürlich werden nicht nur große Wild-
tiere wie Elefanten oder Nashörner Opfer
von illegalem Schmuggel. Im Vorfeld der
diesjährigen Artenschutzkonferenz haben
zahlreiche Vertragsstaaten auffallend vie-
le Anträge gestellt, die den Handel mit
Schildkröten, Echsen, Spinnen oder Zwerg-
ottern entweder erlauben oder verbieten
sollen. „Für einige Arten stellt der Heim-
tierhandel sicherlich eine große Bedro-
hung dar“, sagt Markus Baur, Leiter der
Münchner Auffangstation für Reptilien.
Baur betont jedoch, dass viele in Europa
gehandelte Reptilien mittlerweile auch
hierzulande gezüchtet werden. Dies habe
den illegalen Heimtierhandel in den ver-
gangenen Jahren entschärft. Dennoch wer-
den nach wie vor Tausende Tiere der Natur
entnommen und landen in Wohnzimmern


  • auch in Deutschland. Es sei denn, Guido
    Nikl kommt ihnen zuvor, denn der Zöllner
    kennt sich aus.
    Zu Hause hält er selbst Schlangen und
    Schildkröten, er hat ein großes Fachwissen
    über exotische Arten. Als der Zoll im Jahr
    2006 in einem Pilotprojekt nach australi-
    schem Vorbild erstmals Artenschutz-
    hunde ausbilden ließ, fiel die Wahl schnell
    auf ihn, Rauschgift-Spürhundeführer seit
    1998, mit Reptilien als Hobby. Er brachte
    Ideen für das Trainingsprogramm mit ein,
    baute Kontakte auf zum Bundesamt für
    Naturschutz und zu Tierärzten. Nikls größ-
    ter Erfolg waren die befruchteten Eier von
    Meeresschildkröten vor ein paar Jahren.
    Die Tiere schlüpften im Frankfurter Zoo
    und wurden in der Karibik wieder ausge-
    setzt.
    Doch das reicht nicht, wie die Zahlen zei-
    gen: Im vergangenen Jahr hat das Haupt-
    zollamt Frankfurt am Main zahlreiche
    Korallen beschlagnahmt, Schildkröten,
    Spinnen, tropische Fische und 162lebende
    Leguane, insgesamt 710 Sicherstellungen
    von 21 423 artengeschützten Einzelexem-
    plaren, fast doppelt so viel wie 2017.
    Mit anderen Worten: Es wird immer
    noch zu viel übersehen. Die Asservaten-
    kammer in Frankfurt ist ein kleiner Aus-
    schnitt aus einem weltumspannenden Pro-
    blem, dem Millionengeschäft mit seltenen
    und besonders geschützten Arten, dem
    Schmuggel von Tigerfellen, Stoßzähnen
    oder – in Frankfurt häufig zu finden – Hai-
    fischflossen.
    Auch wenn Hündin Nela diesmal keine
    Überreste von Haifischen gefunden hat, en-
    det jeder ihrer Einsätze mit einem Erfolgs-
    erlebnis: Ein mit Tierhaaren präparierter
    Koffer und ihr Lieblingsball als Belohnung
    für ihren Dienst im Kampf für besseren
    Artenschutz.


Diese Stoßzähne haben Zollbe-
amte amLondoner Flughafen
Heathrow sichergestellt.
Trotz großer Anstrengungen
wird Elfenbein weiterhin
weltweit gehandelt.

Haifischzahn


ist verboten


Darf man im Urlaub Elfenbeinketten kaufen?


DasWashingtoner Artenschutzabkommen


beschränkt den Handel mit bedrohten


Tieren und Pflanzen. Doch manche Staaten


sehen das Thema lockerer


text: jan willmroth und tobias herrmann,
fotos: britta jaschinski

Im National Wildlife Reposi-
tory inColorado benutzen
Mitarbeiter Einkaufswagen,
um Asservate zu transportie-
ren – wie hier den ausgestopf-
ten Kopf eines Zebras.

Der gelbe, elfenbeinartige
Schnabel des Nashornvogels
ist besonders in Asien sehr
gefragt. Die Population der
Tiere nimmt weltweit
kontinuierlich ab.

Für dieses Outfit mussten
mindestens 20 Leoparden
ihr Leben lassen.
Die Schuhe sind aus dem Fell
von Leoparden-Jungtieren
hergestellt.

Zu Hause hält der Frankfurter
Zöllner Niklselbst Schlangen
und Schildkröten

Manche Staaten fordern laxere


Regeln – das solle angeblich die


Tiere sogar besser schützen


34/35 WISSEN Samstag/Sonntag, 17./18. August 2019, Nr. 189 DEFGH


„Wie kann ein toter Körper oder auch nur ein Stück davon wertvoller sein
als einlebendes Tier?“, fragt die Fotografin Britta Jaschinski. Und tatsächlich:
Je größer und majestätischer beispielsweise eine gewilderte Großkatze ist, desto
höher der Preis auf dem Schwarzmarkt. Jaschinski dokumentierte zwischen
2016 und 2018 beschlagnahmte Wildtierprodukte an Flughäfen und Grenzen.
Die hier zu sehenden Fotos wurden mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet.

Obwohl sich ihr Lebensraum
über alleWeltmeere aus-
dehnt, ist die Karettschild-
kröte akut vom Aussterben
bedroht. Weniger als 25 000
Weibchen soll es noch geben.

Nehmen Sie Platz – nehmen
Sie einem Elefanten das Le-
ben: Meistens werden die
Tiere wegen ihrer Stoßzähne
getötet. Und manchmal wer-
den aus Füßen Sitzhocker.
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