Süddeutsche Zeitung - 17.08.2019

(Jacob Rumans) #1

Fast ein Jahr ist es her, dass in Chemnitz
Daniel H. starb. Getötet, mutmaßlich
durch zwei Asylbewerber. Rechtsextreme
Hooligans hatten den Tod instrumentali-
siert, es kam zu Ausschreitungen. Auch
die rechtsextreme Partei Pro Chemnitz so-
wie die AfD riefen zu Demonstrationen
auf. Aus diesem Anlass plante der MDR ei-
ne Podiumsdiskussion, es sollte um die
heutige Situation in der Stadt gehen. Dazu
hatte der Sender auch den Rechtsextre-
men Arthur Österle eingeladen.
Als es daraufhin in Sozialen Netzwer-
ken zu Diskussionen kam, sagte erst Mar-
garete Rödel von der Grünen Jugend ihre
Teilnahme ab, später auch die Oberbür-
germeisterin Barbara Ludwig (SPD). Öster-
le, Rödel und Ludwig sind Protagonisten
der MDR-Dokumentation „Chemnitz –
Ein Jahr danach“, die an dem Abend vorge-
stellt werden soll. Aufgrund des Rückzugs
entschied sich der Sender, den anderen
Diskussionsteilnehmern abzusagen. Aus
Sicht des MDR ist die „gewollte Konstella-
tion nicht mehr sinnvoll umzusetzen. Wir
haben natürlich die kontroverse Debatte
um die Besetzung des Podiums verfolgt
und auch als wichtige Diskussion wahrge-
nommen“, sagte Programmdirektor Wolf-
Dieter Jacobi. Der Film wird jedoch wie ge-
plant am 22. August in Chemnitz gezeigt.
Die Dokumentation „Chemnitz – Ein Jahr
danach“ geht dem MDR zufolge der Frage
nach, „wie sich das Leben für die Men-
schen in der Stadt nach den umstrittenen
Vorfällen und der Medienberichterstat-
tung Ende August 2018 verändert hat“.
Der Film lasse Menschen aus verschie-
densten Lebenswelten zu Wort kommen
und zeige deren Alltag, hieß es. Dazu ge-
hört auch Arthur Österle, der in der Ver-
gangenheit Verbindungen zu rechtsextre-
men Gruppen pflegte, etwa zur Neonazi-
Partei „Dritter Weg“. Der MDR hatte Öster-
le in der Ankündigung für die Dokumenta-
tion als Chefordner der rechtsextremen
Pro Chemnitz vorgestellt. Heute soll Öster-
le mit der AfD sympathisieren. Die Ober-
bürgermeisterin sei nicht davon ausge-
gangen, dass der MDR sie auf ein Podium
platziert, an dem ein Neonazi teilnimmt,
sagte der Chemnitzer Stadtsprecher Mat-
thias Nowak. antonie rietzschel


Dieser Dresdner Tatort ist mal wieder ei-
ne Episode, die die klassischen Sehge-
wohnheiten bedient. Ein Restaurantbesit-
zer ist erschossen worden, er war nicht
einfach ein besserer Wirt, er war Gastro-
nom, außerdem eine stadtbekannte Grö-
ße. In der Familie des Toten, bei seiner
Frau und den zwei Söhnen aber stimmt
es irgendwie nicht, das erfahren die Zu-
schauer eher als die Kommissare, und
deshalb haben die Zuschauer auch bald
das Gefühl, dass die einfache Lösung –
Schutzgeld/Mafia – hier nicht die tragfä-
hige sein wird. Und so ist es dann auch.
Der Krimi entwickelt sich zum Famili-
endrama. Und wer den Episodentitel Ne-
mesis einordnen kann, erkennt schon,
wo die Reise hingeht. Ermittlerin Leonie
Winkler (Cornelia Gröschel) setzt noch ei-
nen drauf: „Si vis pacem para bellum“,
sagt sie beim Gerichtsmediziner: Wenn
du den Frieden willst, bereite den Krieg
vor. Auf diesem Niveau wird in den Kel-
lern der Forensiker auch nicht oft debat-
tiert, Kollegin Karin Gorniak (Karin Hanc-
zewski) lässt sich über die Bedeutung des
Gesagten aufklären, dann geht es schnell
weiter. Souverän wird das Ganze erzählt,
aufwendig ins Bild genommen, mitunter
sieht man die handelnden Personen
durch ein Aquarium hindurch.
Die Geschichte von Stephan Wagner
(Regie) und Mark Monheim (Buch) weist
im Übrigen eine enorm hohe Fragendich-
te auf: „Hat seine Frau einen Schlüssel?“
„12/35, was heißt das?“ „Wie konkret war
denn die Beschreibung der Männer?“
„Wie gut kanntest du ihn denn?“ „Was ist,
wenn er den Abrechnungsbetrug nur ge-
macht hat, um Schutzgeld zahlen zu kön-
nen?“ So viel gefragt wurde im deutschen
Krimi nicht seit Stephan Derricks Aben-
teuern mit dem stets zu Fragen aufgeleg-
ten Assistenten Harry Klein. Hier aber
hat die Fragerei auch eine Funktion; weil
es ja so wenig Gewissheiten gibt, geht
man tastend miteinander um.
Ganz sehenswert. Warum allerdings
Kommissariats-Leiter Schnabel (Martin
Brambach) seine Ermittlerinnen vor
Zeugen immer noch so albern rundma-
chen muss, ist auch eine Frage wert.


Tatort, ARD, Sonntag 20.15 Uhr.


von carolin werthmann

K


eine Recherche ohne Papier
und Stift.Das, was Journalis-
ten beobachten, das, was sie er-
fragen, das, was sie hören, so-
gar das, was sie riechen, skizzie-
ren sie am zuverlässigsten mit rasch gekrit-
zelten Worten, die später einen Text for-
men. Bo Soremsky geht niemals ohne Stift
und Papier auf Recherche. Aber das, was er
wahrnimmt, hält er nicht mit Worten fest.
Seine Notizen sind rasch gekritzelte Skiz-
zen, die später einen Comic formen. Er er-
zählt die Realität, indem er sie zeichnet.
„Ich sitze da, mit meinem Stift und mei-
nem Block, beobachte und skizziere.“ Bo So-
remsky, vor sich eine Limo, an sich ein
T-Shirt der Band „Motorjesus“, sitzt im
Café des Museums für Kommunikation in
Berlin, wo aktuell die Ausstellung
„Zeich(n)en der Zeit. Comicjournalismus
weltweit“ zu sehen ist. Soremsky ist einer
der Künstler, deren Arbeiten Teil dieser
Ausstellung sind. Eigentlich ist der 36-Jäh-
rige freiberuflicher Grafiker und Illustra-
tor, aber er ist zugleich das, was man als Co-
micjournalisten bezeichnen könnte.
„Zeich(n)en der Zeit“ widmet sich der
Disziplin des Comicjournalismus. Im Kabi-
nett des Museums, gleich um die Ecke des
Potsdamer Platzes, sind Zeichnungen von
Künstlern und Künstlerinnen verschiede-
ner Länder an die schwarzen Wände ge-
pinnt. Es sind Geschichten über Flucht und
Migration, über den „Dschungel von Ca-
lais“ zum Beispiel, den Transitort Geflüch-
teter zwischen Frankreich und Großbritan-
nien, Geschichten über die Misere vor dem
italienischen Festland und über die vielen
Ertrunkenen im Mittelmeer. Es sind Repor-
tagen über die Auswirkungen des Irak-
kriegs auf die amerikanische Bevölkerung,
über die konstant angespannte Beziehung
zwischen Israel und Palästina. Es sind Por-
träts über das gegenwärtige Russland,
über orthodoxe Aktivisten und Ultranatio-
nalisten. Die Arbeiten an den Wänden se-
hen aus wie das, was man sonst aus Comic-
heftchen kennt: bunte Figuren mit Sprech-
bläschen wie bei Lucky Luke und Asterix.
Doch weder die Figuren noch die Texte in
den Sprechblasen sind hier Fiktion.

Die Frage, welche die Ausstellung provo-
ziert, ist so interessant wie umstritten: Was
heißt es, wenn Kunst und Informationen
zum Zeitgeschehen aufeinandertreffen?
Sie ruft eine Debatte hervor, die sich am Be-
griff des Comicjournalismus entzündet,
nämlich die, ob es gerechtfertigt ist, von
Journalismus zu sprechen, wenn Comics In-
formation vermitteln sollen. Entspricht ge-
zeichnete Information dem Berufsver-
ständnis des Journalismus, objektiv zu be-
richten, und stützt sie die Funktion des
Journalisten als Chronist des Zeitgesche-
hens?
Comicjournalismus ist kein offizieller
Begriff. In Frankreich spricht man von „Re-
portage dessiné“, der gezeichneten Repor-
tage, im Englischsprachigen von „graphic
journalism“. Im deutschsprachigen Raum
verbreitete sich der Begriff durch die Aus-
stellung im Comic-Salon Erlangen 2018,
die inhaltlich dem glich, was derzeit in Ber-
lin zu sehen ist. „Unter Comicjournalismus
lassen sich die Vielfältigkeit des Formats
und die unterschiedlichen Stile und Gattun-
gen am besten zusammenfassen“, sagt Lili-
an Pithan. Sie ist eine der Kuratorinnen der
Ausstellung, Journalistin und Mitglied des
Deutschen Comicvereins.
Jede und jeder der Künstlerinnen und
Künstler der Ausstellung, erklärt Lilian Pit-
han, verstünden unter Comicjournalismus
etwas anderes. Die österreichische Zeichne-
rin Ulli Lust spricht von „dokumentari-
schem Erzählen“, die russische Künstlerin
Viktoria Lomasko von „grafischen Reporta-
gen“ und „Gesellschaftscomics“. Zusam-
men mit dem Journalisten Anton Nikola-
jew verfolgte Lomasko einen Gerichtspro-
zess gegen die Kuratoren der Ausstellung
„Verbotene Kunst 2006“ in Moskau. Aus
den Skizzen entstand 2013 eine grafische
Gerichtsreportage.
Auch Bo Soremskys Annäherung an
den Comicjournalismus war eine Gerichts-
reportage. Er erzählt, wie er sich zwischen
2010 und 2011 mehrere Tage lang in Mann-
heim in den Gerichtssaal der Prozesse ge-
gen Wettermoderator Jörg Kachelmann
setzte. Vergewaltigung war die Anklage,

Aussage stand gegen Aussage. Weil der Pro-
zess unter Ausschluss der Öffentlichkeit
stattfand, rekonstruierte ihn Soremsky mit-
hilfe von übereinstimmenden Fakten und
Berichten aus seriösen Zeitungsquellen
und seinem Eindruck von Atmosphäre,
Raum und äußerer Erscheinung der Kläge-
rin, dem Angeklagten, den Staatsanwälten
und Verteidigern wenige Minuten, bevor er

den Gerichtssaal verlassen musste. Sorems-
kys fertige Reportage, online nicht nur eine
Abfolge gezeichneter Bilder mit textlichen
Ergänzungen, sondern interaktiv gestaltet,
ist ein non-lineares Konglomerat der sich
widersprechenden Äußerungen. Die Blei-
stiftgesichter der Personen im Gerichts-
saal verschwimmen miteinander, Zitate
sind in Erstklässler-Manier bewusst krake-

lig niedergeschrieben. So ungewiss der
Wahrheitsgehalt der Aussagen, so unlesbar
teils der Text. „Mein Konzept ist die Subjek-
tivität, mit der die Involvierten die Tat be-
schreiben und die ich in meiner Darstel-
lung aufgreife“, sagt Soremsky. „Meine Re-
portage soll einen umfassenden Überblick
geben, ohne Antworten zu liefern.“ Sorems-
ky schickte die Reportage an Tageszeitun-
gen, an Wochenzeitungen, an Magazine.
„Ich wollte von Profis wissen, was sie von
einer solchen Darstellungsweise halten“,
sagt er. Die Antwort: zu subjektiv. „Selbst
die Bildzeitung meinte, diese Form der Be-
richterstattung sei mit ihren journalisti-
schen Standards nicht vereinbar.“
Die Kritik, die sich an der Subjektivität
von Comicreportagen entzündet, ist der
Grund, warum sich das Format in Deutsch-
land anders als in Frankreich, der Schweiz
und den USA noch nicht so recht durchset-
zen konnte. Die Verdichtung einer Situati-
on, die Abstraktion von Personen, der indi-
viduelle Blick des Zeichners auf das Gesche-
hen, die Interpretation, die in die Zeich-
nung einfließt – all das vernebelt die Objek-
tivität, für die der Journalismus steht. Kura-
torin Pithan findet das Argument gegen die
Subjektivität aber zu simpel. „Die meisten
comicjournalistischen Projekte sind Repor-
tagen. Gerade die Reportage ist es, die eine
subjektive Perspektive des Autors zulässt.“
Pithan vergleicht den Comicjournalismus
mit Fotojournalismus. Subjektiv sei so-
wohl bei einem gezeichneten Bild als auch
bei einem Foto bereits die Entscheidung,
welche Gegenstände, welche Personen wie,
wo und warum gezeigt würden und welche
nicht. Ähnliche Fragen stellen sich auch
Printjournalisten, wenn es darum geht,
was von all dem Stoff, der sich während der
Recherche auftürmt, letzt-lich erzählt wer-
den soll. „Comicjournalismus muss Sinn
machen“, sagt Pithan. „Dass sich Inter-
views und Nachrichten eher weniger als Co-
mic eignen, ist klar.“

Auf die Kritik an der Subjektivität re-
agieren Comicjournalisten, indem sie den
Kontext ihrer Recherchen reflektieren
oder sich selbst als Protagonist und Figur
in die Bilderreihe zeichnen. Das französi-
sche MagazinLa Revue dessinée, neben
dem Schweizer ComicmagazinStrapazin
eines der wenigen Medien in Europa, das In-
formation ausschließlich als Comic ver-
packt und alle drei Monate erscheint, er-
gänzt Geschichten über Doping im Orches-
tergraben und Marinefischer an den Küs-
ten Frankreichs mit Hintergrundberichten
und Kommentaren der Zeichner und Jour-
nalisten. Auffällig ist, dass die Reportagen
häufiger in Teams als im Alleingang entste-
hen, nicht selten deshalb, weil nur wenige
Journalisten zugleich begnadete Zeichner
und nur wenige begnadete Zeichner hand-
werklich gut ausgebildete Journalisten
sind. So kommen Text, Dialog und Zitate
meist von Journalisten, die Illustration von
den Zeichnern, alles in enger Absprache
und Zusammenarbeit.
„Comicjournalismus ist für mich der lo-
gische nächste Schritt, wenn es darum
geht, nach neuen Formen des Journalis-
mus zu suchen“, sagt Pithan. „Mich faszi-
niert die Kombination aus Kunst und Infor-
mation und wie sich Information anderwei-
tig als mit Text und Bild vermitteln lässt.“
Wenn die Begriffe Kunst und Journalis-
mus kombiniert werden, erinnert das an
die Debatte, die seit dem Fälschungsskan-
dal des Ex-Spiegelautors Claas Relotius in
der Öffentlichkeit schwelt. Journalismus
dürfe nicht als Kunst verstanden werden,
sondern basiere auf der schnörkellosen
Darlegung von Fakten, lautet die eine Mei-
nung. Die andere: Das Leseerlebnis könne
sehr wohl bereichernd und unterhaltsam
sein, ohne die Realität zu verzerren. „Co-
micreportagen haben das Potenzial, kom-
plexe Zusammenhänge leicht verständlich
darzustellen“, sagt Bo Soremsky. „Was
nicht bedeutet, dass Autoren weniger ver-
antwortungsvoll mit einem solchen techni-
schen Mittel umgehen dürfen.“ Mit der not-
wendigen Sensibilität und Achtung vor
dem, was man erzählt, scheitere der Comic
nach Meinung der Macher nicht an der
Wahrhaftigkeit. Doch um Comicjournalis-
mus zu professionalisieren und als das,
was sein Begriff impliziert, in die mediale
Berichterstattung zu integrieren, gilt es,
journalistische Sorgfalt und Glaubwürdig-
keit zu garantieren.

José Mourinhosteht in einem finsteren
Raum – wie ein Maler vor seinem größten
Werk. Er hat es bereits vor einigen Jahren
vollendet, aber während es nochmal über
die Leinwand vor ihm flimmert, entdeckt
der portugiesische Fußballtrainer so man-
ches neue Detail. Mourinho spricht von der
Obsession, dieses Spiel zu gewinnen, und
erzählt von der Strategie, mit der er es ge-
wann. Das Spiel fand 2010 in Madrid statt,
Champions League-Finale gegen den FC
Bayern, Mourinho war Trainer des Traditi-
onsklubs Inter Mailand. Ein Abend übri-
gens, dem es keineswegs an filmreifen
Pointen mangelte: Der Lehrling gegen sei-
nen ehemaligen Meister, die Last einer jahr-
zehntelangen Sehnsucht und eine Mann-
schaft, die es noch einmal allen beweisen
wollte.
Die SerieThe Making of, die erste Doku-
Eigenproduktion des Streamingdiensts
Dazn (das gelungene SerienporträtBeing
Mario Götze wurde extern eingekauft),
folgt einer vergleichsweise simplen Drama-
turgie: Es gibt einen Hauptdarsteller, einen
besonderen Karrieremoment und einige

Weggefährten, die sich mit dem Hauptdar-
steller an diesen erinnern. Es gibt große
Emotionen, ein bisschen Pathos und in je-
der Folge ein Happy End. Eigentlich wenig
verwunderlich, haben alle Hauptdarsteller
doch einen Hang zur Selbstvergöttlichung
und ein ausgeprägtes Geltungsbedürfnis.
Neben Mourinho, der sich einst ungefragt
den Beinamen „The Special One“ gab, tre-
ten mit Cristiano Ronaldo und Neymar Jr.
die exzentrischsten Ballartisten der Bran-
che auf, ihr Legendenstoff verteilt sich auf
je drei Folgen à 30 Minuten.

Was wurden Fußballfans nicht schon
verschaukelt mit als Doku getarnten Hoch-
glanzwerbefilmen. Der italienische Rekord-
meister Juventus Turin wurde eine Saison
lang für eine Netflix-Serie begleitet, es wur-
de ein mit Floskeln überladenes Schau-
spiel, das Nähe höchstens vorgetäuscht

hat. Der Klub, sorgfältig inszeniert als eine
einzige, große Familie. Bei Amazon Prime
gibt es das Äquivalent dazu: ein Jahr lang
unterwegs mit dem Scheichklub Manches-
ter City, hollywoodmäßige Bilder und Klän-
ge, das gleiche oberflächliche Resultat.

Nun sind natürlich keine kritischen Tö-
ne zu erwarten, wenn Cristiano Ronaldo
über Cristiano Ronaldo spricht, und natür-
lich ist auchThe Making ofeine weitere Er-
zählung seiner Heldengeschichte. Die Serie
ist aber nicht überzeichnet wie die meisten
neuen Fußball-Dokus, durch ihre Schlicht-
heit schafft sie echte Intimität. Der Protago-
nist sitzt im dunklen Kämmerlein und
sieht noch einmal die Szenen von damals,
jede Folge behandelt eines seiner wichtigs-
ten Spiele. Und dann geschieht es: Auf ein-
mal sitzt da ein aufgeregter Junge, aufge-
wachsen unter ärmlichen Bedingungen
auf der portugiesischen Insel Madeira, wei-
tergezogen nach Lissabon für seinen gro-
ßen Traum.
Es war ein Sommertag im Jahr 2003,
Sporting empfängt den englischen Spitzen-
klub Manchester United für ein belanglo-
ses Freundschaftsspiel, aber für den 18-jäh-
rigen Ronaldo ist es viel mehr: Die Folge
trägt den Titel „Das Vorspielen“. Er geht
raus auf den Platz, er narrt seine Gegenspie-
ler, einen nach dem anderen, immer und
immer wieder. Einer der Genarrten, der iri-

sche Verteidiger John O’Shea, drückt es so
aus: „So wie der Abend lief, wurde uns klar,
dass wir etwas Besonderes sehen.“ Ronaldo
schaut tief in die Kamera und sagt: „Ich
wusste, wenn ich gut spiele, dann werden
sie interessiert sein.“ Der Legende nach soll
United-Trainer Sir Alex Ferguson noch auf
dem Rückflug die Anweisung gegeben ha-
ben, diesen Wunderknaben zu verpflich-
ten. Der Rest ist Fußballgeschichte.
Und weil sichThe Making ofmit nichts
weniger befasst, macht die Serie vieles rich-
tig, was andere zuletzt falsch machten. Sie
ist so etwas wie eine Rückkehr in Zeiten, als
es noch sehenswerte Fußball-Dokus gab,
etwa die Sky-Produktion4 Minuten im
Mai, die in ähnlicher Art das Bundesliga-Fi-
nale des Jahres 2001 nacherzählt. Letztlich
ist es ja so, dass Menschen Sport schauen,
weil sie sich nach genau solchen Momen-
ten sehnen. Oder wie es José Mourinho aus-
drückt, während er sich eines seiner Werke
ansieht: „Es ist fantastisch. Diese Dinge
sind für die Ewigkeit.“ thomas hürner

The Making of, Dazn.

TATORTKOLUMNE


Wiedersehen mit Mourinho


DieDokuserie „The Making of“ lässt Fußballer wichtige Karrieremomente noch einmal erleben – und macht vieles richtig


Kritische Töne sind nicht
zu erwarten, wenn Ronaldo
über Ronaldo spricht

Zu extrem


MDR sagt Podiumsdiskussion ab


Beim Prozess gegen Jörg
Kachelmann verschwimmen die
Bleistiftgesichter

Alles Teamsache: Wenige
Journalisten sind zugleich
begnadete Zeichner

Zeichne das auf!


Comicjournalismusist eine neue Form der Informationsvermittlung.


Aber lassen sich Subjektivität und Fakten wirklich miteinander verbinden?


44 MEDIEN Samstag/Sonntag, 17./18. August 2019, Nr. 189 DEFGH


Sarah Gliddens Cover ihres
Comics „Im Schatten des Krie-
ges“ (l. oben). Bo Soremskys
Aufzeichnungen aus dem Kachel-
mann-Prozess (r.oben) Und die
Ausgabe von „Die Unsichtbaren
und die Zornigen“ der Moskaue-
rin Victoria Lomasko.
FOTOS: MUSEUM FÜR KOMMUNIKATION BERLIN

Wie ein Maler vor seinem Werk: Mourin-
ho guckt Mourinho. FOTO: DAZN

von holger gertz

Fragen


Folge23/2019
Kommissar/in: Gorniak/Winkler
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