Süddeutsche Zeitung - 17.08.2019

(Jacob Rumans) #1

Jannes wirkt angespannt. Der 13-Jäh-


rige stelltsein Modellflugzeug auf


den Boden und überprüft ein letztes


Mal, ob die Fernbedienung mit dem


Empfänger verbunden ist. Ein lautes


Piepen verrät: Alles okay. Jannes


überreicht den Flieger seinem Vater


und sagt: „Wirf den Jet kräftig in die


Luft, damit er genug Auftrieb hat“.


Drei, zwei, eins – und Aaaabflug! Die


Turbine springt an und dröhnt oh-


renbetäubend. Fliegt da etwa ein


Staubsauger über die Münchner The-


resienwiese?


Nein, es ist Jannes’ erster selbstge-

bauter Turbinenjet. Bisher hat Jan-


nes Propeller an seinen Fliegern ver-


baut, nun sorgt die


Turbine im Rumpf


des Flugzeugs für


den Anschub. Flug-


zeuge fand er schon


immer toll. Als klei-


ner Junge hat er sie


nur gemalt. Vor zwei Jahren hat er


dann angefangen, Modellflieger zu


bauen, und ist total begeistert: „Ich


find es cool, etwas zu bauen, das am


Ende auch fliegt.“ Das Wissen hat


sich Jannes durch Youtube-Videos


angeeignet. Flugzeugbauer zeigen


in den Videos haarklein, wie alles


funktioniert. Das notwendige Mate-


rial bestellt er im Internet.


So einen Flieger zu bauen, sei gar

nicht so einfach. Die Größe, die Höhe


und das Gewicht des Flugzeugs, die


Spannweite, der Schwerpunkt – al-


les muss perfekt aufeinander abge-


stimmt sein. Sonst passiert es


schnell, dass die Maschine vorne


überkippt. Jannes hat lange getüf-
telt, bis eines seiner Flugzeuge tat-
sächlich geflogen ist. Sein wichtigs-
tes Baumaterial ist Foam. So nennt
er das extrem leichte, flach gepress-
te Schaummaterial, das durch Pa-
pierlagen auf beiden Seiten stabil
gehalten wird. Den Foam schneidet
und biegt er zurecht, je nachdem,
welche Form und Windschnittigkeit
er erzeugen will.
Den Turbinenjet hat er erst ges-
tern neu zusammengebaut. Bevor er
den Flieger noch mit Sprühfarbe ver-
schönert, testet er, wie gut er fliegt.
Mit dem Anschub durch seinen Va-
ter klappt es schon sehr gut. Jannes
steuert den Flieger
zwei große Runden
um sich herum und
lässt ihn dann auf
der steinigen Wiese
landen – eine holpri-
ge Angelegenheit.
Das Fahrwerk bricht ab. „Kein Pro-
blem“, sagt Jannes und steckt die Rä-
der wieder an.
Schaulustige stellen sich mit re-
spektvollem Abstand um den Flug-
künstler auf. „Die sollten auch bes-
ser nicht näher kommen“, sagt Jan-
nes. Sein Flieger kann auf bis zu
30 Kilometer die Stunde beschleuni-
gen – und ist damit schneller unter-
wegs als ein Elektroroller. Die spitze
Flugzeugnase möchte man auch lie-
ber nicht an die Schläfe bekommen.
Bis zu einem Gewicht von maximal
fünf Kilogramm sind seine Flieger
aber über die Familienhaftpflicht
versichert.

Zu Hause in Jannes Kinderzimmer
sieht es aus wie in einer Tüftlerwerk-
statt. In der Mitte des Raumes steht
ein riesiger Schreibtisch. Darauf la-
gern sein Jet, eine Propellermaschi-
ne, ein Segelflugzeug, eine Heiß-
klebepistole und zwei große Fern-
bedienungen. Sein Bett befindet sich
direkt daneben. Wenn er aufwacht,
blickt er als Erstes auf seine Flieger
und dann auf das grüne Blätterwerk
vor seinem Fenster. Gerade liegt Gis-
mo auf seinem Bett – ausnahmswei-
se. Die schwarze Mischlingshündin
versteckt sich vor dem nahenden
Gewitter.
Ob Jannes gerne ein Flugzeug bau-
en will, in dem er selbst sitzen kann?
Er lacht und sagt: „Dafür reicht der

Platz in meinem Zimmer nicht aus.“
Doch wenn er mit der Schule fertig
ist, möchte er einen Helikopterfüh-
rerschein machen und für die Polizei
oder den ADAC fliegen. Bis es so weit
ist, hat er aber eine gute Alternative
gefunden, um ein wenig Fluggefühl
zu erzeugen.
An der Vorderseite seiner Flieger
kann er eine kleine Kamera anbrin-
gen. Die Kamera ist mit einer Visual-
Reality-Brille verbunden und sendet
Echtzeitdaten zu ihm. Hat Jannes
die Brille auf, wird vor seinen Augen
das abgebildet, was die Maschine
aus der Luft filmt. „So sitze ich quasi
im Cockpit und sehe alles aus den Au-
gen meines Flugzeugs“, sagt er. Fast
so schön wie selber fliegen!

Abheben


Früher hatJannes Flugzeuge


gemalt, nun baut er sie selbst.


Und was für welche!


text: nadine regel; fotos: stefanie preuin

Nicht auf die Uhr gucken
Zeit vergeht besonders zäh, wenn man ständig
auf die Uhr schaut. Selbst eine Minute fühlt
sich dann an wie eine Ewigkeit. Deshalb: Wäh-
rend man wartet, ist jeder Blick auf die Uhr ta-
bu. Außer man muss unbedingt wissen, wie
spät es ist. Dann ganz kurz gucken und sofort
wieder etwas anderes machen.

Sich ablenken
Umgekehrt vergeht die Zeit im Flug, wenn
man überhaupt nicht an sie denkt. Am besten
lenkt man sich deshalb ab. Je vertiefter man in
eine Sache ist, desto besser. Ich höre zum Bei-
spiel gerne ein Hörbuch oder spiele ein biss-
chen Fußball oder Basketball. Das macht mir
so viel Spaß, dass ich die Zeit vergesse.

Die Gegend erkunden
Ein guter Tipp, wenn man für eine Verabre-
dung zu früh dran ist: einfach ein bisschen die
Gegend erkunden und herumwandern. So
geht nicht nur die Zeit schneller rum, sondern
mit etwas Glück entdeckt man auch etwas Neu-
es – zum Beispiel eine Eisdiele, in der man
noch nie war. Oder einen tollen Spielplatz oder
einen schönen Baum.

Sich unterhalten
Wenn jemand da ist, kann man sich während
der Wartezeit auch unterhalten. Am besten re-
det man über etwas Erstaunliches: Schon ge-
wusst, dass Bienen Matheaufgaben lösen kön-
nen? Oder eine Maus mehr Knochen hat als ein

Foto: privat Mensch? protokoll: nina himmer

SZ: Herzlichen Glückwunsch!
Du hast beim Wettkampf ziem-
lich abgeräumt. Worauf kommt
es an?
Lisa Patzak: Die Jury schaut auf
die gesamte Performance. Wie
selbstbewusst springt die Person
vom Brett? Wie gut hält sie die
Spannung? Ich springe mit zwei
verschiedenen Techniken. Erst
den Anker: ein Bein anwinkeln,
das andere durchstrecken und ein
bisschen mit dem gesamten Kör-
per nach hinten. Oder den Reißer:
Arme überkreuzt vor dem Ober-
körper und ein bisschen nach hin-
ten lehnen. Dann lasse ich mich
einfach fallen, bis ich ins Wasser
platsche – am besten im richtigen
Winkel. Hier schaut die Jury noch
einmal genau, wie der Körper auf
die Wasseroberfläche trifft.

Hohe Spritzer – sind die nicht auch
wichtig?
Für die Weltmeisterschaft nicht.
Aber wer’s mag: Nach dem Eintau-
chen noch einmal kräftig mit den Ar-
men unter Wasser rudern. Das lässt
die Wasserfontäne höher aufstei-
gen.

Du bist jetzt Weltmeisterin in den
Disziplinen Arschbombe, Arsch-
bombe-Synchronspringen und
Bester Trick. Wie geht es jetzt wei-
ter?
Ich bin jetzt in der Nationalmann-
schaft. Eigentlich will ich später mal
lieber Jura studieren. Bis dahin übe
ich an meinem dreifachen Rück-
wärtssalto vom Zehnmeterbrett. Vor
dem Absprung habe ich allerdings
schon ein bisschen mehr Respekt.
interview: aline spantig

Nur beim Start
braucht dieser
Flieger Hilfe von
Jannes’ Papa.
Danach fliegt
er alleine.

Kabelsalat: Um das Flugzeug mit einer Fernbedienung vom Boden
aus steuern zu können, muss die Elektronik richtig verdrahtet sein. Foto: privat

... der neuen Arschbombenweltmeisterin


Eine 16-Jährige hat bei der


Arschbombenweltmeisterschaft dieses Jahr


gleich drei Titel gewonnen


Fotos: privat, dpa

Zeit totschlagen


Freunde, Abendessen, Pausengong – manchmal
muss manauf etwas warten. So geht es schneller

Beim Freibadplatscher kommt es vor allem darauf an, Rumstehende vollzuspritzen. Bei der WM im
Splashdiving,wie die Arschbombe offiziell heißt, ist es die Gesamtperformance, die zählt.

Wenn die Turbine
anspringt, klingt sie wie
ein lauter Staubsauger

Kindertipp


Bisher hat Jannes vor allem Propellerflugzeuge wie dieses gebaut.
Doch seitKurzem sorgen Turbinen im Rumpf für den Antrieb.

Ein Anruf bei ...

Von Hannah, 8

Höhe, Größe, Gewicht, Spannweite: Alles muss perfekt passen, damit
das Flugzeug in der Luft nicht einfach umkippt und abstürzt.

Alles noch heil? Manchmal landet ein Flieger unsanft auf dem Boden.
Meist kann Jannes ihn aber mit wenigen Handgriffen reparieren.
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