Süddeutsche Zeitung - 17.08.2019

(Jacob Rumans) #1
von marco völklein

V


or Kurzem hatte Bundesver-
kehrsminister Andreas Scheuer
(CSU) eine Idee: Wie wäre es,
fragte der Minister und ließ
seine Beamten einen Entwurf
einer neuen Fahrerlaubnisverordnung auf-
setzen, wie wäre es, wenn Autofahrer ab ei-
nem Alter von 25 Jahren und nach einer
kurzen Unterweisung in einer Fahrschule
auch ein kleines, leichtes Motorrad steu-
ern dürften? Eines mit nicht mehr als
125 Kubikzentimeter Hubraum, für das bis-
lang der Führerschein A1 vorgeschrieben
ist (außer man hat den Kfz-Führerschein
vor April 1980 erworben, dann ist A1 inklu-
sive)? Der Verkehrssicherheitsrat DVR und
der TÜV kritisierten den Vorschlag heftig,


der ADAC und der Branchenverband IVM
begrüßten ihn. Und Scheuers Ministerium
erklärte, man wolle mit der Öffnung ande-
re Arten der Mobilität unterstützen, beson-
ders auch im ländlichen Raum.
Wie auch immer man zu der Idee steht,
die 125er, im Amtsdeutsch „Leichtkrafträ-
der“ genannt, verkaufen sich gut. 2018 wur-
den laut IVM 18 435 Stück abgesetzt, ein
Zuwachs um 17,2 Prozent gegenüber dem
Vorjahr. Bei Leichtkraftrollern (insgesamt
14570 Stück) betrug der Zuwachs sogar gut
19 Prozent. Zum Vergleich: Bei schweren
Krädern lag der Wert bei nur 7,4 Prozent.


Gefragt sind die 125er vor allem bei
Jugendlichen, die den A1-Führerschein
bereits mit 16 erwerben dürfen. Aber auch
Ältere ziehe es mehr und mehr auf die klei-
nen, leichten Maschinen, heißt es bei den
Herstellern, etwa für die kurze Fahrt zum
Bäcker oder zum Baggersee. Und auch vie-
le Frauen entdecken laut IVM das Segment
der kleinen und leichten Bikes für sich.
Die Bandbreite der angebotenen Maschi-
nen ist dabei mittlerweile ähnlich unüber-
sichtlich wie bei großen Motorrädern. Be-
liebt sind bei (männlichen) Jugendlichen
vor allem solche 125er, die in ihrer Optik an
die schweren Maschinen erinnern; Frauen
indes setzen meist auf Leichtkraftroller bei-
spielsweise von Vespa oder diversen Her-
stellern aus Asien. Und Unternehmen wie
SWM oder der Hersteller Mash versuchen
mittlerweile, den Retrotrend auch bei den
125ern zu etablieren und nehmen Design-
anleihen bei Motorrädern aus den Fünfzi-
ger- und Sechzigerjahren. Leichtkrafträ-
der mit Elektroantrieb indes sind noch rela-
tiv selten, bislang hat unter anderem Go-
vecs eine elektrifizierte Schwalbe mit
90 Stundenkilometer Höchsttempo im An-
gebot. Und der E-Roller des Herstellers
Kumpan aus Remagen soll Tempo 100 und
120 Kilometer Reichweite schaffen.
Insbesondere jugendlichen Fahranfän-
gern rät Jürgen Bente vom DVR, ein Be-
wusstsein für defensives Fahren zu entwi-
ckeln. Zudem müssten sie lernen, die Ge-
schwindigkeit richtig einzuschätzen. Eine
gute Fahrschule, ergänzt Kurt Bartels vom
Fahrlehrerverband Nordrhein, bringe dem
Anfänger den „Indianerblick“ bei: „Alles se-
hen und Gefahren frühzeitig erkennen.“

Aus welchem Land stammt das meist-
produzierte Kraftfahrzeug der Welt?
Aus Deutschland vielleicht – mit dem
VW Käfer? Oder aus den USA, das Mo-
dell T von Ford? Nein. Richtig ist: Das
meistverkaufte Kfz der Welt ist gar kein
Auto, sondern ein kleines, handliches
Motorrad. Und es kommt aus Japan.
Die Super Cub von Honda wird seit
den Fünfzigerjahren gebaut; und 2017
verkündete der Konzern, dass die Pro-
duktion die Zahl von 100 Millionen Ex-
emplaren überschritten hat. Vor allem
in Asien sind die praktischen Zweiräder
als Lastenesel sehr beliebt. Und seit die-

sem Jahr bietet Honda die Super Cub
nun auch in Deutschland an.
Die 2019er-Version orientiert sich da-
bei stark am Original von 1958: Rahmen
mit Durchstieg, große Räder mit ausla-

denden Kotflügeln, Beinschilde zum
Schutz vor Wetterunbill. Und weil die
Super Cub 125 relativ leicht ist, ist sie ex-
trem wendig und leicht zu manövrie-
ren, wenngleich die Sicht nach hinten
wegen der zu kurz geratenen Rückspie-
gelhalterungen eingeschränkt ist.
Gewöhnungsbedürftig ist die halb-
automatische Vier-Gang-Schaltung, zu-
dem ist die Super Cub nur für eine Per-
son zugelassen. Ein Gepäckträger kos-
tet extra (knapp 100 Euro) und der Tank
ist mit nur 3,7 Liter zu klein. Aber: Spar-
sam ist die Kleine. Im Test lag der Ver-
brauch bei 1,8 Liter auf 100 Kilometer.

Mit mehr als 2800 Exemplaren führte
die KTM Duke 125 im vergangenen Jahr
die Liste der meistverkauften Leicht-
krafträder in Deutschland an. Erst mit
Abstand (1800 Stück) folgte die MT 125
von Yamaha. Was also zeichnet den Best-
seller aus, der zwar aus Österreich
kommt, aber in Indien gefertigt wird?
Vor allem zunächst einmal die Optik,
die in ihrer Supermoto-Anmutung
stark angelehnt ist an die größere
390 Duke, mit der sich die kleine Duke
das Chassis teilt. Sehr ausgewogen re-
agiert das Fahrwerk, es federt und
dämpft angenehm, ohne schwammig

zu wirken; als ausgesprochen handlich
lässt sich die Duke dennoch nicht be-
schreiben. Der 15 PS starke Motor treibt
die Maschine flott voran, die Bremsen
lassen sich gut dosieren und greifen

knackig. In Internetforen ärgern sich
Duke-Fahrer indes öfter mal über die
recht hakelige Schaltung, hin und wie-
der soll es sogar vorkommen sein, dass
Gänge rausspringen.
Bereits seit 2013 verfügt die Duke se-
rienmäßig über ein ABS, das war da-
mals vorbildlich. Und zeichnet sie auch
heute noch aus. Und der Umstand ist
wahrscheinlich auch ein Grund dafür,
dass das Bike trotz des happigen Preises
die Absatzliste anführt: Eltern oder
Großeltern, die dem Nachwuchs zur
125er etwas zuschießen, legen auf sol-
che Sicherheitsfeatures großen Wert.

Wer an Motorroller denkt, der denkt in
der Regel an Vespa. Die geschwungenen
Formen, die aufrechte Sitzposition, der
tiefe Durchstieg – all das zeichnet die
nach 1945 entwickelte Italienerin aus.
Doch andere Hersteller sind seit Lan-
gem auch in dem Segment aktiv und ver-
suchen immer mal wieder, mit entspre-
chend designten Retro-Modellen den
Marktführer aus Italien anzugreifen.
So auch der Zweiradhersteller Peu-
geot, der mittlerweile zu einem indi-
schen Konzern gehört, mit dem Retro-
Roller Django aber seit einigen Jahren
schon versucht, an die Firmenikone

S55 aus den Fünfzigerjahren anzuknüp-
fen. Den Alltagstest besteht der 125er-
Django mit Bravour: Der zehn PS starke
Einzylindermotor bringt ihn flott vor-
an, das Fahrwerk ist gut abgestimmt,

der Wetterschutz ausreichend. Im Fach
unter der Bank kommen ein Jethelm
und etwas Krimskrams unter, auf dem
ebenen Trittbrett ist Raum für einen
mittelgroßen Supermarkt-Einkauf.
Etwas versteckt und schlecht zu errei-
chen ist der Tankstutzen im Front-
schild. Der Verbrauch lag im Test bei
gut 3,2 Liter auf 100 Kilometer, außer-
dem klapperte die Plastikverkleidung
bei gröberem Straßenbelag. Denn das
unterscheidet den Django klar von der
Vespa: Während sich die Italienerin mit
einem Kleid aus Blech umgibt, ist beim
Django das meiste aus Plastik.

Optisch macht die Ace of Spades des ita-
lienischen Herstellers SWM (das Kürzel
steht für „speedy working motors“)
ziemlich was her. Der Scrambler wirkt
klassisch-rustikal, der hinten hochgezo-
gene Doppelport-Auspuff gibt dem Bi-
ke eine sportliche, leicht bullige Anmu-
tung. Verstärkt wird das Ganze durch
den breiten Lenker und die leicht nach
vorn gebeugte Sitzposition. Der 125-Ku-
bikzentimeter-Einzylinder schöpft das
vom Gesetzgeber festgelegte Leistungs-
limit der A1-Klasse von 15 PS nahezu
vollständig aus und ist im Gegensatz zu
vielen anderen 125ern nicht luft-, son-

dern wassergekühlt. Da steckt also
Wumms drin, sollte man meinen.
Doch das Gegenteil ist der Fall: Insbe-
sondere beim Ampelstart fehlt der Ace
of Spades in der 125er-Version deutlich

Kraft, die Maschine kommt kaum vom
Fleck. Um überhaupt Land zu gewin-
nen, muss man die Gänge in extrem kur-
zen Abständen nach oben zwingen, erst
ab dem vierten Gang nimmt die Maschi-
ne langsam mal Fahrt auf. Hinzu
kommt: Weil man so zumindest im Stop-
and-go-Verkehr ständig sehr hochtou-
rig fährt, ist die Ace of Spades extrem
laut und verbraucht relativ viel.
Immerhin: Handlich ist die Kleine,
auch durch enge Kurven lässt sie sich
gut steuern. Gebremst wird nur über ei-
ne (vom Gesetzgeber vorgeschriebene)
Kombibremse, ein ABS fehlt.

Probleme im Schiffshebewerk: Ein che-
mischer Prozess – bekannt als „Beton-
krebs“ – schädigt den Beton des für den
Güterverkehr zwischen Hamburg und
dem Hinterland wichtigen Schiffshebe-
werks in Scharnebeck bei Lüneburg. Das
Bauwerk wird nun aufwendig saniert.
Die notwendigen Arbeiten sollten voraus-
sichtlich bis zum Jahr 2022 dauern und
knapp 80 Millionen Euro kosten, sagt
Arno Liebrecht, beim Wasserstraßen-
und Schifffahrtsamt Uelzen zuständig
für Bauprojekte. „Auch die ganze Maschi-
nen- und Steuerungstechnik wird dabei
auf den neuesten Stand gebracht.“
Das erste Schiff passierte den östlich
von Lüneburg gelegenen Riesenfahr-
stuhl für Schiffe im Dezember 1975, da-
mals war das Schiffshebewerk das größte
der Welt. Seitdem haben Kieselsteine in
dem seinerzeit verwendeten Beton mit
dem Zement reagiert und seine Festig-
keit drastisch reduziert. Die Experten
sprechen von einer Alkali-Kieselsäure-
Reaktion (AKR), Laien nennen das Ganze
nur kurz: Betonkrebs.
„Die Kieselsäure der Gesteinskörnun-
gen reagiert mit Wasser und führt zu
einer Zunahme des Volumens“, erklärt
Liebrecht. „So kommt es zur Zerstörung
des Gefüges, Risse bilden sich. Diese che-
mischen Prozesse sorgen dafür, dass sich
der Vorgang immer weiter beschleunigt.“
Ernst werde es vor allem dann, wenn der
im Inneren verwendete Stahl angegriffen
werde. „Deshalb muss der marode Beton
abgetragen und erneuert werden“, sagt
Liebrecht. „Das neue Spezialbetonge-
misch soll die Prozesse künftig wie eine
neue Haut unterbinden.“
Mit der mächtigen Anlage am Elbe-Sei-
tenkanal überwinden Binnenschiffer ei-
nen Höhenunterschied von 38 Metern.
Über die zwei gewaltigen Wassertröge
mit jeweils 5800 Tonnen Gewicht passie-
ren jährlich etwa 20000 Schiffe das Hebe-
werk. 2018 wurden so etwa acht Millio-
nen Tonnen Güter transportiert, mehr als
120000 Container passierten Scharne-
beck. „Während der Arbeiten muss der
Betrieb natürlich weitergehen“, so Lieb-
recht. „Derzeit wird der Westtrog instand
gesetzt, der Osttrog übernimmt solange
den Verkehr.“ Später läuft es andersrum.
Hebewerk und Kanal sind von zentra-
ler Bedeutung für die Verbindung des
Hafens in Hamburg mit den niedersächsi-
schen Industriegebieten und dem west-
deutschen Kanalsystem. Sie entlasten
die Elbe, nicht nur bei niedrigen Wasser-
ständen. Aber nicht nur Binnenschiffer
sehen in Scharnebeck schon lange ein
Nadelöhr. So hat ein ungewöhnliches
Bündnis aus Politik, Wirtschaft und Um-
weltverbänden Druck beim Bund für den
Neubau einer großen Schleuse neben der
alten Anlage gemacht. Das Projekt hat es
auf die Liste der vordringlichen Projekte
im Bundesverkehrswegeplan geschafft.

Wenn alles klappt, könnte die neue
Schleuse schon Anfang der 2030er-Jahre
fertig sein, hoffen die Verantwortlichen.
„Mit einer modernen Schleuse würde
das Transportvolumen erheblich anstei-
gen“, sagt Michael Zeinert von der Indus-
trie- und Handelskammer (IHK) in Lüne-
burg. „Der Kanal wäre für bis zu 135 Me-
ter lange Schiffe befahrbar. Zurzeit ist bei
100 Metern Schluss.“ Außerdem würden
Straßen und Schienen entlastet, betont
der IHK-Vertreter. peer körner / dpa

20000 Schiffe nutzen jährlich das Hebe-
werk bei Lüneburg. FOTO: PHILIPP SCHULZE / DPA

Leichtkrafträder schaffen mitunter Spitzengeschwindigkeiten von mehr als 100 Kilometer pro Stunde. Unfallforscher se-
hen daher die vom Verkehrsminister geplante Freigabe für Autofahrer kritisch. FOTOS: HERSTELLER

Hersteller:Honda
Modell:Super Cub C125
Leistung:7,1 kW/9,7 PS
Verbrauch:1,8 Liter/100 km
Sitzhöhe:780 Millimeter
Tankvolumen:3,7 Liter
Preis:3690 Euro

Hersteller:Peugeot
Modell:Django 125
Leistung:7,5 kW/10,2 PS
Verbrauch:3,1 Liter/100 km
Sitzhöhe:770 Millimeter
Tankvolumen:8,5 Liter
Preis:3599 Euro

Hersteller:SWM
Modell:Ace of Spades 125
Leistung:11 kW/14,9 PS
Verbrauch:3,6 Liter/100 km
Sitzhöhe:720 Millimeter
Tankvolumen:16,5 Liter
Preis:3890 Euro

Hersteller:KTM
Modell:125 Duke
Leistung:11 kW/14,9 PS
Verbrauch:2,9 Liter/100 km
Sitzhöhe:830 Millimeter
Tankvolumen:13,4 Liter
Preis:4749 Euro

Wenn Eltern mit Erstklässlern den Schul-
weg üben, sollten sie das Training zu den
üblichen Schulzeiten absolvieren. Nur so
lerne das Kind die realen Verkehrsbedin-
gungen kennen, empfiehlt der Tüv Süd.
Als Faustregel gelte: Einfache Schulwege
mindestens sieben Mal gemeinsam abge-
hen, schwierige Wege mindestens dop-
pelt so oft. Dabei sollten dem Kind mögli-
che Gefahrenstellen erklärt werden. Die-
se lauern etwa auf Straßen, auf denen auf
beiden Seiten geparkt wird. „Hier sollte
Ihr Kind die Fahrbahn möglichst nicht
überqueren, denn zwischen den Autos
kann es nichts sehen und wird selbst
kaum gesehen“, erklärt Tüv-Verkehrspsy-
chologin Andrea Häußler. dpa

Den Schulweg


mehrmals einüben


Hängt den Käfer ab: Honda Super Cub C 125


Verkauft sich prächtig: KTM 125 Duke


Bietet viel Raum: Peugeot Django 125


Kommt schwer voran: SWM Ace of Spades 125


Betonkrebs nagt


am Hebewerk


Instandsetzung des Bauwerks bei
Lüneburg kostet 80 Millionen Euro

Leichtkrafträder mit


Elektroantrieb sind bislang


noch eine Seltenheit


Leicht läuft


Kleine Motorräder mit 125 Kubik


sind beliebt, die Zuwachsraten enorm


DEFGH Nr. 189, Samstag/Sonntag, 17./18. August 2019 MOBILES LEBEN 67


Hinweis der Redaktion:Ein Teil der im „Mobilen
Leben“ vorgestellten Produkte wurde der Redakti-
on von den Herstellern zu Testzwecken zur Verfü-
gung gestellt und/oder auf Reisen präsentiert, zu
denen Journalisten eingeladen wurden.
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