Frankfurter Allgemeine Zeitung - 17.08.2019

(Tuis.) #1

FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG Wirtschaft SAMSTAG, 17. AUGUST 2019·NR. 190·SEITE 17


Im Streit über den Soli-Abbau


legtWirtschaftsminister Altmaier


seinen Vorschlag vor.Seite 18


Madoff-Jäger Harry Markopolos


nimmtden Mischkonzern


General Electric ins Visier.Seite 22


Der Verkauf der Medienrechte im


Fußball hakt. Das liegt an der Nähe


zweier Rivalen.Seite 24


Abschmelzmodell auf Prüfstand Auf der Pirsch Der Ball rollt, das Geld stockt


che. SINGAPUR,16. August.Am Wo-
chenende dürften wieder Tränengas-
schwaden durch Hongkongs Straßenfluch-
ten ziehen, während Demonstranten Katz
und Maus mit der Polizei spielen. Die De-
monstranten treten für eine größere Unab-
hängigkeit ihrer Stadt gegenüber dem chi-
nesischen Mutterland ein. Provoziert wur-
den sie durch das brutale Vorgehen der Po-
lizei und die Sprachlosigkeit der von Pe-
king gesteuerten Politiker. Ihrer Wut zu-
grunde aber liegt die wirtschaftliche Lage,
in die sich die Sonderverwaltungszone
Chinas manövriert hat: „Viele von uns se-
hen keine Zukunft mehr. Wir werden uns
nie eine Wohnung leisten können. Wir sol-
len rund um die Uhr schuften. Dabei aber
überholen uns die Festlandchinesen, die
zuwandern, jeden Tag“, fasst der junge
Mann, der sich Jack nennt, ihre Sicht auf
die Welt zusammen. Er ist 24 Jahre alt und
arbeitet in der Finanzbranche der Geld-
drehscheibe Asiens. Seinen vollen Namen
will er im Gespräch mit dieser Zeitung
nicht nennen.
Die Sicht des Rebellen wird von nack-
ten Zahlen unterstützt. Seit 2003 haben
sich die Häuserpreise in Hongkong in
etwa verdreifacht. Bilder jener, die in den
berühmt-berüchtigten „Käfigwohnun-
gen“ hausen, gehen seit Jahren um die
Welt. In mehreren Ranglisten ist die Stadt
der teuerste Immobilienstandort der
Welt. Die Gehälter aber blieben im sel-
ben Zeitraum in etwa auf gleicher Höhe.
Beträgt das monatliche Durchschnittsein-
kommen 17 500 Hongkong Dollar (
Euro), liegt die durchschnittliche Monats-
miete eines Einzimmerapartments bei
16 500 Hongkong Dollar. „Hongkong ist
seit langem ein Schnellkochtopf“, warnt
der unabhängige Ökonom Andy Xie.
Einst musste er die Investmentbank Mor-
gan Stanley verlassen, nachdem er dem
Stadtstaat Singapur unterstellt hatte, vor
allem dank des Aufsaugens von Schwarz-
geldern aus Indonesien zu wachsen.
Die amerikanische Heritage Foundati-
on hat Hongkong mehrfach zur „freiesten
Wirtschaft der Welt“ ernannt. Was sich
gut anhört, trägt Züge von Wildwest.
Denn so, wie sie in Hongkong gelebt
wird, kommt diese Freiheit mit enormen
Risiken für die Mehrheit der gut 7 Millio-
nen Menschen – das soziale Gefälle ist
enorm. Im Mai vergangenen Jahres hiel-
ten die 21 reichsten Hongkonger 1,83 Bil-
lionen Hongkong Dollar (206,3 Milliar-
den Euro) – in etwa so viel, wie die gesam-
ten Reserven des Verwaltungsgebietes.
Sie profitieren von einer Gewinnsteuer
von nur 16,5 Prozent – noch geringer als
diejenige Singapurs und wesentlich niedri-
ger als die des Durchschnitts der
G-20-Länder (28 Prozent). Die Spekula-
tionen, die den Immobilienmarkt unter
Druck halten, werden von wenigen Super-
reichen und der Stadtverwaltung getrie-


ben. Insofern betrachten viele aus der Mit-
telschicht die Tycoons und die Verwal-
tung als zwei Seiten einer Medaille, die
dazu noch in den Händen der kommunisti-
schen Diktatur in Peking liegt.
In dieses Bild passt, dass die Superrei-
chen gleichzeitig mit der Stadtverwaltung
vor dem wirtschaftlichen Abstieg war-
nen. Der Gleichklang bestätigt viele De-
monstranten in dem Eindruck, einer von
Peking gelenkten Front aus Partei und
Geld entgegenzustehen. „In Singapur gibt
es wenigstens eine Art Wahl und eine Re-
gierung, die Probleme mildert“, sagt Jack.
Die engen Verbindungen der Wirtschafts-
führer nach Peking kennt in Hongkong je-
der Schüler. Oft wird darüber gelächelt,
dass sie die kommunistische Regierung
beraten und dafür Zugangsrechte zum rie-
sigen Markt in Festlandchina erhielten.
Xie nimmt kein Blatt vor den Mund: „Sie
sind das Problem. Sie müssen normale
Geschäftsleute werden, ohne den politi-
schen Einfluss und ohne die ganze Stadt
zu steuern.“ Wenig spricht dafür, dass
dies Wirklichkeit würde. Rund 60 Prozent
der für China so wichtigen Auslandsinves-
titionen laufen über Hongkong. Im Um-
kehrschluss nutzt Peking die Finanzdreh-
scheibe, um von hier aus seine Investitio-
nen zu tätigen. Während die über die
Stadt geleiteten Investitionen innerhalb
von fünf Jahren um fast 90 Prozent zuleg-
ten, stiegen die aus Festlandchina „nur“
um 28 Prozent.
Festlandchinesische Unternehmen ste-
hen für ein Volumen von rund 9 Milliar-
den der insgesamt 11 Milliarden Dollar,
die die Börse in Hongkong in diesem
Jahr über Börsengänge erzielte. Hinter
vorgehaltener Hand haben mehrere Un-
ternehmen nun schon erklärt, sie wür-
den geplante Börsengänge aufhalten.
Auch beim Handelskonzern Alibaba
herrscht seit Wochen Schweigen zu sei-
nem Mega-Börsengang über 20 Milliar-
den Dollar in Hongkong. Allerdings
könnte auch dies schon durch die Han-
delsauseinandersetzungen getrieben
sein und nun politisch gegen die Proteste
gemünzt werden. Chinas Direktinvesti-
tionen in Hongkong stehen bei gut 600
Milliarden Dollar – gut 70 Prozent der ge-
samten Wirtschaftsleistung der Stadt.
Bislang beschränken sich die Kommu-
nisten auf unverhohlene Drohungen ge-
gen die Rebellen und kosmetische Korrek-
turen ihres eigenen Kurses: Um erste
Schäden aus den Auseinandersetzungen
und derjenigen, die durch den Handels-
streit zwischen China und Amerika ent-
stehen, zu mildern, hat die Verwaltung
der Stadt 19,1 Milliarden Hongkong Dol-
lar versprochen. Zuvor hatte Finanzver-
walter Paul Chan die Wachstumserwar-
tung Hongkongs für dieses Jahr von 2 bis
3 Prozent auf 0 bis 1 Prozent zusammen-
gestrichen. Im zweiten Quartal lag die
Wachstumsrate nur bei 0,5 Prozent im
Jahresvergleich – der niedrigste Wert seit
der internationalen Finanzkrise 2008. Al-
lerdings überraschen die niedrigen Werte
nicht wirklich: Denn auch der konkurrie-
rende Finanzplatz Singapur hat seine
Wachstumserwartung gerade im selben
Maße zusammengestrichen – ganz ohne
Aufruhr als Ursache. Auch wenn die Ver-
waltung Hongkongs dies anders darstellt,
lässt sich in ihren Zahlen bislang weniger
der Einfluss der Demonstrationen able-
sen als die Folge des Handelskonflikts.

S


age und schreibe 67 Leitzinssen-
kungen durch Notenbanken hat
die Welt in diesem Jahr bisher gese-
hen. Dabei wird es nicht bleiben. Die
Europäische Zentralbank dürfte im
September folgen, eventuell ergänzt
um ein neues Anleihekaufprogramm.
An den Finanzmärkten gilt mindes-
tens eine weitere Leitzinssenkung
durch die Fed bis Jahresende als wahr-
scheinlich. Dem Sog der beiden größ-
ten Notenbanken der Welt werden
sich Währungshüter in kleineren Län-
dern kaum entziehen können.
Der Zinsrückgang, ablesbar auch an
sinkenden Anleiherenditen, ist ein glo-
bales Phänomen, so wie auch die Fra-
gilität der Konjunktur nicht auf eine
einzige Region beschränkt ist. Es wäre
nicht erstaunlich, sähe die Welt bis
Ende Dezember 100 Leitzinssenkun-
gen. Aus einer rein wirtschaftlichen
Sicht existiert kein Grund für ein
Ende des jahrelangen Aufschwungs
der Weltwirtschaft, der weitgehend
frei von Inflation und ohne Überforde-
rung der Produktionskapazitäten ver-
laufen ist.
Politisches Handeln, das seine Ursa-
che nicht selten in gesellschaftlicher
Unrast findet, ist zur größten Gefahr
für den Aufschwung der Weltwirt-
schaft geworden. Politisches Handeln

nicht nur in Washington sorgt für eine
erhebliche Verunsicherung. Unterneh-
men in der Realwirtschaft halten In-
vestitionen zurück, an den Finanz-
märkten fliehen Anleger in sichere
Anlagen. Dies akzentuiert den ohne-
hin vorhandenen Trend zu fallenden
Anleiherenditen. Anleihen im Wert
von rund 15 Billionen Euro weisen
mittlerweile negative Renditen auf –
darunter auch eine hundertjährige An-
leihe Österreichs.
Was auf den ersten Blick mindes-
tens widersinnig und auf den zweiten
Blick sogar verrückt erscheinen mag,
besitzt durchaus Sinn. Wer in der gras-
sierenden Unsicherheit über die wirt-
schaftliche und politische Entwick-
lung einen Verfall der Aktienkurse
um mehr als 10 Prozent für möglich
hält, wird sich mit einer Staatsanleihe
eines soliden Landes geborgen fühlen,
auch wenn deren Rendite leicht unter
null liegt.
An den Finanzmärkten werden we-
gen der Verschlechterung der Wirt-
schaftslage weitere Lockerungen der
Geldpolitik erwartet; gleichzeitig
wachsen dort aus gutem Grund die
Zweifel an der Kraft der Geldpolitik.
Bei Zinssätzen um oder unter null Pro-
zent nimmt die Wirksamkeit der Geld-
politik ab. Für die Verschlechterung
der wirtschaftlichen Lage sind in ers-
ter Linie Regierungen verantwortlich.
Notenbanken tun nicht gut daran, Re-
gierungen aus ihrer Verantwortung zu
entlassen.

K


risen sind gefährlich. Sie bedro-
hen das Gewohnte, schüren Unsi-
cherheit und Angst. Die produziert
Fehler. Es ist nicht nur der Zeitdruck,
der vermeintliche Rettungskonzepte
sehr schnell zu falschen Beschlüssen
reifen lässt. In aufgeheizten gesell-
schaftspolitischen Debatten werden
oft Antworten auf komplexe Fragen
präsentiert, die aber die wahren Pro-
bleme nur scheinbar lösen. Das gilt
auch für die Klimakrise.
Je größer die Unsicherheit, desto
umsichtiger und strukturierter sollte
die Stabilisierung angegangen wer-
den. Deshalb ist es in Ordnung, dass
sich die Bundesregierung für ihren
Ende September angekündigten gro-
ßen klimapolitischen Wurf einen et-
was längeren Anlauf genehmigt hat.
Panik ist, Greta Thunbergs Attacke
auf unser aller Gewissen zum Trotz,
auch hier ein schlechter Ratgeber.
Die Problemanalyse jedoch ist ein-
deutig: Die Menschheit setzt zu viel
Klimagas frei, vor allem vom langlebi-
gen Kohlendioxid. Der deutsche An-
teil daran ist, bezogen auf die Jahres-
emission der Welt, gering. Aber über
die Jahrzehnte hat sich einiges aufge-
staut. Überproportional hoch ist das
Budget jedes Deutschen mit etwa
zehn Tonnen CO 2 gemessen am
Durchschnitt der Weltbevölkerung.
Das liegt deutlich über dem Wert, der
eine Begrenzung des Temperaturan-
stiegs wahrscheinlich werden lässt.
Was also dagegen tun? Und vor al-
lem: Wie? Der freiheitlichen Grund-
ordnung entspricht es nicht, zuerst die
Bürger mit Ordnungsrecht zu traktie-
ren und kleinteilig mit bevormunden-
den Ver- und Geboten zu überziehen:
weniger Fleisch essen, seltener in den
Urlaub fliegen, Öl- und Gasheizungen
in Neubauten verbieten – wie es die
Dänen schon vorexerziert haben.
Sinnvollerweise sollte zuerst dort
angesetzt werden, wo mit dem gerings-
ten Einsatz von Mitteln die größten
Erfolge der CO 2 -Minderung zu erzie-
len wären. Das sollte vor allem durch
einen Preismechanismus geschehen,
der sich weitgehend allein steuert und
damit wenig anfällig ist für Manipula-
tionen durch wohlfeile politische In-
terventionen. Machen wir uns nichts
vor: Der deutsche Wohlstand hängt
vor allem an einer exportorientierten
und energieintensiven Industrie, also
an Autos, Maschinen, Chemie. Wer
sie an die klimapolitische Leine legt,
fügt den Fährnissen von Konjunktur-
abschwung bis Digitalisierung eine
weitere Unwägbarkeit hinzu.
Das bedeutet nicht, die Betriebe aus
der Verantwortung zu entlassen, die
viele schon bisher im Emissionshan-
del mit Bravour getragen haben. Aller-
dings benötigen sie Planungssicher-
heit. Mit den Preisfolgen marktwirt-
schaftlicher Instrumente wie dem eu-
ropäischen Emissionshandel, der auf
die Menge zulässiger Abgase ausge-
richtet ist, können sie umgehen. Eine
solche Steuerung könnte auch techno-

logische Detailvorgaben der Politik
zur Minderung klimaschädlicher Gase
obsolet machen: Wie die Klimaziele
erfüllt werden, wäre allein Sache des
Marktes. Kernkraftwerke würden in
Deutschland übrigens schon allein
deshalb nicht mehr gebaut, weil sie zu
teuer sind. Aber anderswo erprobte
Verfahren wie das Abscheiden und La-
gern von Kohlendioxid im Boden soll-
ten auch hierzulande eine Chance be-
kommen.
Dazu bedürfte es einerseits einer
entschiedenen Politik, die klare Priori-
täten setzt. Etwa für den Bau neuer
Stromleitungen, bevor noch mehr
Windräder im Norden aufgestellt wer-

den, deren Strom viel zu oft niemand
braucht. Dann muss die groteske Fehl-
steuerung des Strompreises rückgän-
gig gemacht werden. Wenn Ökostrom
Öl und Gas deren zentrale Rolle als
Energielieferant streitig machen soll,
dann macht es keinen Sinn, ausgerech-
net Elektrizität durch Umlagen, Abga-
ben und Steuern so teuer zu machen
wie kaum sonst in Europa und der
Welt.
Es braucht mehr Politiker, die dem
Volk unbequeme Wahrheiten sagen –
auch, dass Klimaschutz Geld kostet.
Leuten wie Bayerns Ministerpräsi-
dent Markus Söder (CSU) sollte man
jedoch nicht durchgehen lassen, sich
mit dem Wunsch nach „Klimaschutz
ins Grundgesetz“ grün anzumalen,
während sie aus Angst vor dem Wäh-
ler den Windstromausbau durch Ab-
standsregeln auf null reduzieren und
den Bau neuer Stromleitungen, wie ge-
schehen, um Jahre verzögern.
Der Hype um „Greta“, „Hambi“
und die Klimakrise kommt vielen in
der Politik wohl ganz recht. Können
sie doch so auf Verständnis für Eingrif-
fe aller Art rechnen und ein Feuer-
werk an Vorschlägen abbrennen: Vor-
fahrt für die Rettung der Welt. Die ver-
gangenen Wochen haben einen Aus-
blick auf eine Klimapolitik geliefert,
die nicht mehr das große Ganze, son-
dern viele Einzelfälle im Blick hat: hö-
here Flugpreise, niedrigere Mehrwert-
steuer auf Bahntickets, Staatshilfen
für den Austausch der Ölheizung, Auf-
forstungsprogramme für den Kohlen-
dioxidspeicher Wald, Quoten für
E-Autos, stromgetriebene Lkw auf Au-
tobahnen, Förderprogramme für die
Entwicklung künstlicher Treib- und
Heizstoffe. So eine wenig aufeinander
abgestimmte, anmaßend-bevormun-
dende wie spendierfreudige Politik lie-
fe Gefahr, den Wald vor lauter Bäu-
men nicht mehr zu sehen. Das wäre
schlecht für die, die das mit Umlagen
und Steuern einmal bezahlen müssen.
Und wohl auch für das Klima.

Das Ringen um Hongkong hat ein ers-
tes prominentes Opfer in der Wirt-
schaftswelt gefordert: Rupert Hogg,
Vorstandsvorsitzender der Hongkon-
ger FluggesellschaftCathay Pacific,
kündigte am Freitag. Sein Nachfolger
wird Augustus Tang. Hogg hatte sich
in den vergangenen Tagen in eine Mi-
sere manövriert: Im Westen verlor er
Ansehen, weil er dem Wunsch der
Diktatur entsprach und Mitarbeiter
entließ, die sich am Widerstand in
Hongkong beteiligten. Noch am Mon-
tag hatte er jenen Mitarbeitern, die
sich „mit den Protesten solidarisie-
ren“, mit „disziplinarischen Konse-
quenzen“ gedroht. In Festlandchina ge-
riet er unter Druck, weil er nicht hart
genug durchgriffe: Die chinesische
Flugaufsicht hatte Cathay aufgefor-
dert, Mitarbeiter zu entlassen, die an
den Protesten teilnehmen. John Slo-
sar, Vorsitzender des Verwaltungsra-
tes von Cathay, ging am Freitag hart
mit seinem bisherigen Vorstandsvorsit-

zenden ins Gericht: Cathays Fähig-
keit, sicher zu fliegen, sei in Frage ge-
stellt, und die Marke stehe unter
Druck. Noch vergangene Woche hatte
er erklärt, das Unternehmen diktiere
seinen Angestellten nicht, was sie zu
denken hätten. Peking übt schon län-
ger Druck auf Fluggesellschaften aus:
Im vergangenen Jahr folgten 20 Unter-
nehmen einschließlich der Deutschen
Lufthansa Pekings Anordnung, auf ih-
ren Internetseiten Taiwan als Teil Chi-
nas zu bezeichnen. Washington hatte
die Anordnung zuvor als „Blödsinn
wie im Reiche Orwells“ bezeichnet.
Zuletzt ließen sich die Modemarken
Givenchy, Versace und Coach zu einer
Entschuldigung an die Chinesen zwin-
gen: Sie hatten auf Hemden und in
der Werbung Hongkong und Taiwan
als eigenständige Länder gezeigt. Am
Freitag packte Paul Loo seine Koffer.
Bislang leitete er das Kundengeschäft
bei Cathay. Ihm folgt Ronald Lam,
der Hong Kong Express leitete. che.

hw.BERLIN, 16. August. Beim Verbrau-
cher wird Bundesjustizministerin Christi-
ne Lambrecht (SPD) mit ihrem Gesetzent-
wurf gegen Kostenfallen punkten kön-
nen: Fitnessstudios und Handyverträge
sollen künftig höchstens ein Jahr lang lau-
fen und sich nur um drei Monate verlän-
gern dürfen. Derzeit können sie zwei Jah-
re laufen und sich um ein Jahr verlängern.
Lambrechts Gesetzentwurf verspricht
sich davon mehr Wahlfreiheit und Wettbe-
werb. In der zerstrittenen Koalition wird
auch dieses Vorhaben allerdings für Zwist
sorgen: „Ein generelles Verbot für Verträ-
ge mit zwei Jahren Laufzeit lehne ich ab“,
sagte der Rechtspolitiker Jan-Marco
Luczak (CDU), denn dieses führe nur
dazu, „dass Unternehmen nicht mehr pla-
nen können und Leistungen dadurch teu-
rer werden“. Immerhin, im Übrigen sei er
mit den Plänen einverstanden.
Die Unternehmen warnten, die Pläne
könnten für Kunden teuer werden. Die
Absichten der Bundesjustizministerin se-
hen die Anbieter von Fitnessstudios „kri-
tisch“, sowohl für Studiobetreiber als
auch für Kunden, heißt es beim größten
Branchenvertreter, dem Arbeitgeberver-
band deutscher Fitness- und Gesundheits-
unternehmen in Hamburg. „In den meis-
ten Fitnessanlagen haben Kunden die
Möglichkeit, zwischen verschiedenen
Laufzeiten zu wählen“, erklärt ein Ver-
bandssprecher, „in der Regel sind kürzere
Vertragslaufzeiten teurer als langfristige
Verträge“. Zudem werde den Verbrau-
chern die Wahl genommen, sich für eine


bestimmte Laufzeit zu entscheiden. „Für
Betreiber entfällt eine gewisse Planungssi-
cherheit, die langfristige Vertragslaufzei-
ten von 24 Monaten ermöglichen.“
Ähnlich äußerten sich die Telekommu-
nikationsanbieter: Jürgen Grützner, Ge-
schäftsführer des Branchenverbandes
VATM, hält den Vorschlag, die Vertrags-
laufzeit etwa von Handyverträgen auf ein
Jahr zu begrenzen, für „absolut kontrapro-
duktiv“, da dies den Kunden Vergünsti-
gungen versperren würde. Die Verbrau-
cher hätten es oft auf die technisch besten
und stark subventionierten Smartphones
abgesehen. „Aus ökonomischer Sicht ist
eine Laufzeitverkürzung für die Kunden
doppelt teuer, da unabhängig von teurer
werdenden Handys auch der Verwaltungs-
aufwand zum Vertragsbeginn entsteht
und auf die Laufzeit verteilt werden
muss“, warnt Grützner, „alle Kosten müs-
sen folglich über 12 statt bisher 24 Mona-
te verrechnet werden“. Grützner verweist
darauf, dass schon seit dem Jahr 2012 alle
Telekommunikationsanbieter „mindes-
tens eine Vertragsoption mit einer einjäh-
rigen Laufzeit“ anböten. Die Kunden
wollten sich aber „ganz überwiegend“ wei-
terhin für zwei Jahre an Verträge binden.
Andere Kunden, die weniger Wert auf ein
„subventioniertes“ – also über Raten ab-
bezahltes – Gerät legten, würden eher zu
im Voraus bezahlten Angeboten greifen
(Prepaid).
Dass Sport und Smartphones künftig
teurer werden, glaubt der Vorstand des
Verbraucherzentrale Bundesverbands,

Klaus Müller, nicht. „Die Erfahrungen in
Dänemark und Belgien sind andere“,
kommentierte Müller diese Befürchtung.
„In beiden Ländern führte die Verkür-
zung der Vertragslaufzeit zu verbraucher-
freundlichem Preiswettbewerb“. In Bel-
gien seien die Wechselraten im Mobil-
funkbereich gestiegen und bis 2014 seien
die Preise gesunken und seitdem kon-

stant, teilte der Verbraucherschützer über
Twitter mit.
„Regelungen zur Erleichterung von An-
bieterwechseln hat es in Deutschland im-
mer wieder gegeben, ohne dass die davon
erwarteten Markteffekte tatsächlich ein-
getreten wären“, sagt Martin Schmidt-
Kessel, Direktor der Forschungsstelle für
Verbraucherrecht an der Universität Bay-
reuth. Insofern sei er skeptisch hinsicht-
lich der zu erwartenden Wirkungen auf
das Preisniveau. Die Zahlen aus Belgien
und Dänemark würden zudem nicht in Be-
zug zur Rechtsordnung gesetzt. „Wir ha-
ben einen allgemeinen Trend weg vom
Kauf zu Dienstleistungs- und Nutzungs-
verhältnissen auf Dauer“, meint der Ju-
rist, darauf sei das Bürgerliche Recht „ge-
nerell schlecht vorbereitet“.
Lambrechts Entwurf entspricht im Üb-
rigen den Eckpunkten, die ihre Vorgänge-
rin Katarina Barley (SPD) im Frühjahr
vorgestellt hatte. Aufgedrängte Verträge


  • allerdings nur der Energiebranche – soll
    der Verbraucher in Textform bestätigen
    müssen. Unternehmen müssen besser do-
    kumentieren, wenn Verbraucher Telefon-
    werbung zugestimmt haben. Zudem sol-
    len Verbraucher ihre Ansprüche in Mas-
    senverfahren besser abtreten können,
    etwa bei Flugverspätungen. Der Gesetzge-
    ber will zudem klarstellen, dass beim
    Kauf gebrauchter Sachen eine kurze Haf-
    tungsdauer von nicht weniger als einem
    Jahr gelten soll. Ob diese Verkürzung
    möglich ist, war zuletzt wegen eines Ge-
    richtsurteils fraglich geworden.


Im Kampf um das Klima
gibtes viele Einzelideen.
Sie versperren den Blick
auf das Notwendige.

Im Tränengas:Rebell in Hongkong Foto AFP


67 Zinssenkungen


Von Gerald Braunberger


Klima schützen – aber richtig


Von Andreas Mihm


Hongkongs Jugend sieht kaum Chancen


Peking greift in Unternehmen durch


Macht der Verbraucherschutz das Smartphone teurer?


DieBundesjustizministerin will die Vertragslaufzeit von Fitnessstudios und Telefonverträgen begrenzen


Hinter den Protesten in


Hongkong stehen auch


wirtschaftliche Sorgen.


Junge Menschen haben


Angst, dass sie nicht


vorankommen.


Bald nur ein Jahr schwitzen Foto Frank Röth

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