Frankfurter Allgemeine Zeitung - 17.08.2019

(Tuis.) #1

NR. 190·SEITE 7


FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG Deutschland und die Welt SAMSTAG, 17. AUGUST 2019


FRANKFURT,16. August. Greta Thun-
berg geht es gut. Überraschend gut. Die
ersten beiden recht stürmischen Tage
und Nächte an Bord der „Malizia“ hat
die 16 Jahre alte Schwedin ohne größe-
re Anzeichen von Seekrankheit über-
standen. Am Freitag durfte sie sich zu-
dem über einen sonnigen Mittag auf
dem Ozean freuen– einige hundert
Kilometer vom spanischen Festland ent-
fernt, bei etwa 23 Grad Lufttemperatur
und leichtem Seegang.
Seit Mittwoch segelt die Klima-Akti-
vistin gemeinsam mit ihrem Vater Svan-
te, einem Kameramann sowie den bei-
den Profiskippern Boris Herrmann aus
Hamburg und Pierre Casiraghi aus Mo-
naco über den Nordatlantik nach New
York. Knapp 2500 Seemeilen und etwa
zwölf Tage sind es noch bis zur
Metropole an der amerikanischen Ost-
küste, wo die Jugendliche Ende Septem-
ber am UN-Klimagipfel teilnehmen
will. Danach reist sie hauptsächlich mit
dem Zug nach Südamerika, um im
Dezember auf der Weltklimakonferenz
in Santiago de Chile dabei zu sein. Die
Rückreise nach Europa plant Thunberg
erst für das Frühjahr 2020–auf wel-
chem Weg sie das tut, ist noch offen.
Möglicherweise werden sich die Kli-
maschützerin und ihr Team dann noch
einmal verstärkt Gedanken darüber
machen, wie und mit welchem PR-Auf-
wand Thunberg–die angibt, immer
möglichst emissionsfrei reisen zu wol-
len und deswegen auf das Flugzeug ver-
zichtet–ihre mehrere tausend Kilome-
ter lange Reise zurück nach Schweden
antreten wird. Denn die knapp zwei
Wochen dauernde Überfahrt mit der
„Malizia“ über den Nordatlantik ohne
jeglichen Komfort hat zwar nur wenig
mit entspanntem Urlaub auf einem
Hightech-Spielzeug für Reiche und
Schöne zu tun–mit Klimaschutz aller-
dings auch nicht.Schon gleich nach Be-

kanntwerden der Zusammenarbeit mit
dem zum Yachtklub von Monaco gehö-
renden Team der „Malizia“ wurde die
Ökofreundlichkeit der Kampagne in
Zweifel gezogen. Nach dem Ablegen vor
drei Tagen sorgt bei vielen Greta-Kriti-
kern nun besonders eine andere Tatsa-
che für Wut, Häme und Spott: Herr-
mann und Casiraghi werden nicht selbst
in der Rennyacht zurück nach Europa se-
geln, nachdem sie ihre Passagiere direkt
unterhalb des Freedom Towers in Man-
hattan wieder an Land gebracht haben.
„Es stimmt: Zwei unserer Mitarbeiter
sind bereits in New York, um organisato-
rische Dinge abzuklären. Zwei weitere
kommen noch hinzu, damit die Yacht
von diesen vier Personen sicher zurück
nach Europa gesegelt werden kann“,
sagt „Malizia“-Pressesprecher Andreas
Kling am Freitag. Weil eine so lange
Überfahrt körperlich und psychisch
sehr anstrengend sei und sowohl Herr-
mann, der im kommenden Jahr als ers-
ter Deutscher an einer der härtesten Re-
gatten der Welt teilnehmen will, als
auch Casiraghi, der Sohn von Prinzessin
Caroline von Hannover und Miteigen-
tümer der Helikopterfirma Monacair,
noch weiteren Verpflichtungen nach-
kommen müssten, habe es keine bessere
Lösung gegeben. „Greta und ihr Team
wussten, dass wir aus organisatorischen
Gründen nicht einfach mit denselben

beiden Seglern direkt wieder kehrtma-
chen können“, sagt Kling. Davon abgese-
hen kann die Miete eines Anlegeplatzes
am Hudson River für eine Yacht solcher
Größe schnell Tausende Dollar kosten.
Eine mehrtägige Erholungspause für
die beiden Skipper in New York wäre
dementsprechend teuer geworden.
Warum also haben sich Thunberg und
ihr Vater nicht einfach in ein Flugzeug in
die Vereinigten Staaten gesetzt? Laut
Emissionsrechner der Klimaschutz-Orga-
nisation Atmosfair werden in einer Boe-
ing 747 von Mitteleuropa nach New York
etwa 1500 Kilogramm Kohlenstoffdi-
oxid pro Person ausgestoßen. Thunberg
und ihr Vater wären somit auf 3000 Kilo-
gramm Emissionen gekommen. Nun
sind insgesamt sechs Flüge auf dieser
Strecke notwendig, was den Kohlendi-
oxid-Ausstoß verdreifachen wird. Selbst
mit einer zehntägigen Kreuzfahrt von
Hamburg nach New York in einer Innen-
kabine auf dem Luxusdampfer „Queen
Mary 2“ hätten Greta und Svante Thun-
berg die Umwelt mit weniger als sechs
Tonnen Kohlenstoffdioxid belastet.
Auch die Überfahrt auf einem Container-
schiff wäre in diesem Fall insgesamt deut-
lich klimafreundlicher ausgefallen.
Zwar wird der aufsehenerregende
Segeltörn–gegen manche Behauptun-
gen von Verschwörungstheoretikern –
weder von militärischen Überwachungs-

flugzeugen noch von Beibooten mit
Kamerateams begleitet. Die zahlreichen
Flüge und Autofahrten der Reporter und
Kamerateams aus Deutschland, Europa
und Übersee, die zur Abfahrt der „Mali-
zia“ extra ins südenglische Plymouth ge-
reist waren, sind allerdings ebenfalls in
die Ökobilanz der Aktion einzurechnen.
Wer es genau nimmt, rechnet noch die
Kohlendioxid-Kosten für Bau und Be-
trieb der etwa 18 Meter langen, acht Ton-
nen schweren und hauptsächlich aus Car-
bon bestehenden Rennyacht dazu. Hinzu
kommen die stetig anfallenden Optimie-
rungen und Reparaturen an dem für die
Weltumsegelungs-Regatten „Vendée Glo-
be“ und „Ocean Race“ gefertigten Wun-
derwerk der Technik. Nicht zu vergessen
ist auch die Bereitstellung der hauptsäch-
lich gefriergetrockneten Nahrung und
der wetterfesten Kleidung für die derzei-
tige Crew an Bord.
Kurzum: Es gibt wohl nur wenig, was
innerhalb dieser Prozesse als besonders
ökologisch oder klimafreundlich her-
gestellt werden konnte. „Es geht uns
auch nicht darum, zu zeigen, wie klima-
neutral man angeblich über den Atlan-
tik reisen kann“, sagt Andreas Kling
und verteidigt die gemeinsame Aktion.
„Unser Ziel lautete, größtmögliche Auf-
merksamkeit für Greta und ihr Engage-
ment zu erzeugen. Wir betreiben PR für
den Klimaschutz, und ich denke, das ist
uns gelungen. Unser Team hat im ver-
gangenen Jahr etwa 40 Tonnen Kohlen-
dioxid verursacht und diese komplett
durch Beitragszahlungen kompensiert.
Das werden wir auch für die jetzigen
Flüge unserer Mitarbeiter tun.“
Welche Ökobilanz Greta Thunberg
nach ihrer Rückreise im kommenden
Frühjahr aufweisen wird, ist zurzeit noch
offen. Doch für welches Transportmittel
sie sich auch entscheiden wird–an Bord
der „Malizia“ wird sie sicher nicht zurück
nach Europa segeln, so gut es ihr dort
zurzeit auch geht.

Das Greta-Paradox


ROM, 16. August.Mailand ist bei den
E-Tretrollern energisch auf die Bremse
getreten. Die Stadtverwaltung erließ eine
Anordnung, wonach bis zum Wochenende
sämtliche Mietroller von den Anbietern
entfernt werden müssen. Damit reagierte
das Rathaus auf mehrere Unfälle mit Fuß-
gängern und auf noch mehr Beschwerden
über die Flut von E-Tretrollern.
Nach einem schweren Unfall, den der
Nutzer eines Mietrollers verursacht hatte,
ermittelt die Mailänder Staatsanwalt-
schaft, ob der Verleiher die erforderlichen
Sicherheitsstandards verletzte. Auch die
mögliche Mitverantwortung der Stadtver-
waltung bei diesem und anderen Unfällen
überprüfen die Strafverfolger. Für beson-
ders viel Unmut in der Bevölkerung und
unter Besuchern der Stadt sorgen Nutzer,
die E-Tretroller in Einkaufspassagen fah-
ren. Das ist grundsätzlich verboten.
Von der Anordnung sind vorerst nur die
sieben Anbieter der Mietroller betroffen.
Private E-Roller können gemäß den gel-
tenden gesetzlichen Bestimmungen wei-
ter benutzt werden. Es handelt sich aber
nicht um einen dauerhaften Bann der
E-Tretroller. Die E-Roller sollen wieder
vermietet werden können, wenn die vom
Innenministerium in Rom festgelegten
Voraussetzungen erfüllt sind. Verkehrs-
minister Danilo Toninelli von der links-
populistischen Fünf-Sterne-Bewegung hat-
te Ende Juli ein Dekret zur probeweisen
Zulassung der elektrischen Tretroller erlas-
sen. Für die Testphase wurden neben Mai-
land auch die Städte Cattolica, Pesaro, Ri-
mini und Turin ausgewählt.
Vorerst dürfen E-Roller in Italien nur in
Fußgängerzonen und mit einer maxima-
len Geschwindigkeit von sechs Stunden-
kilometern verkehren. Radwege, geteilte
Fußgänger- und Radstreifen sowie Stra-
ßen in Tempo-30-Zonen dürfen mit einer
Höchstgeschwindigkeit von 20 Stunden-
kilometern erst dann befahren werden,
wenn die Kommune zuvor entsprechende
Hinweisschilder hat aufstellen lassen. Nur
Personen, die mindestens 18 Jahre alt
sind, dürfen die E-Tretroller auf öffentli-
chen Straßen und Plätzen nutzen. Eine
Helmpflicht besteht nicht.
Weil Mailand vor und während der Test-
phase die erforderlichen Schilder noch
nicht hatte aufstellen können, kam es jetzt
zum vorübergehenden Verbot der Miet-
Roller. In den anderen Städten, die für die
landesweite Testphase ausgewählt wur-
den, gibt es bisher keine Einschränkungen
sowohl für die Anbieter von Mietrollern
als auch für Privatleute. In Deutschland
sind die E-Tretroller seit zwei Monaten zu-
gelassen. MATTHIAS RÜB


ceh. LOS ANGELES, 16. August.Der
Schütze, der vor einem Nachtclub in Day-
ton (Ohio) neun Menschen getötet und
weitere 27 Personen verletzt hatte, hat vor
dem Anschlag Drogen, Alkohol und ver-
schreibungspflichtige Medikamente kon-
sumiert. Wie die Rechtsmedizin des Be-
zirks Montgomery am Donnerstag mitteil-
te, fanden die Ermittler an Connor Betts’
Leichnam auch eine Tüte mit Kokain. Aus
weiterhin ungeklärtem Motiv hatte der
Vierundzwanzigjährige am 4. August mit
einem Sturmgewehr auf Besucher des
Nachtclubs in Daytons Kneipenviertel
Oregon gefeuert. Nach etwa 30 Sekunden
wurde er von Polizisten erschossen. Ein
Freund soll Betts geholfen haben, Muniti-
on, eine schusssichere Weste und den Up-
per Receiver für dessen AR-15 zu kaufen.
Nach den bisherigen Ermittlungen war
Betts schon als Schüler durch Gewalt-
phantasien aufgefallen. In sozialen Me-
dien sprach er sich wiederholt gegen Präsi-
dent Donald Trump aus und unterstützte
die demokratische Präsidentschaftsbewer-
berin Elizabeth Warren. Der Anschlag in
Dayton hatte die Vereinigten Staaten auch
erschüttert, weil ein Einundzwanzigjähri-
ger nur 13 Stunden zuvor in einem Waren-
haus in El Paso (Texas) 22 Menschen er-
schossen hatte. Zudem war unter den Op-
fern in Dayton auch Betts’ 22 Jahre alte
Schwester Megan.


Madonnaquält sich vor ihrem Tourstart
mit Stretching-Übungen. Zu ihrem 61. Ge-
burtstag am Freitag postete sie auf Insta-
gram ein Video, das sie beim Dehnen auf
einer Gymnastikmatte zeigt. Dabei singt
sie ihren Song „Rescue Me“ und trägt ein
Bühnenoutfit. „Es ist gut, beweglich zu
bleiben“, schrieb sie. (dpa)
Michael Madsenmuss für einige Tage hin-
ter Gitter – weil er betrunken Auto gefah-
ren ist. Der amerikanische Schauspieler
habe seine Schuld vor Gericht einge-
räumt und im Gegenzug eine mildere Stra-
fe von vier Tagen Gefängnis und fünf Jah-
re Bewährung erhalten, teilte die Staats-
anwaltschaft in Los Angeles am Donners-
tag mit. (dpa)
Der silbergraue Aston Martin, der durch
die James-Bond-Filme „Goldfinger“ und
„Feuerball“ berühmt wurde, ist für
6,385 Millionen Dollar versteigert wor-
den. Bei der Auktion im kalifornischen
Monterey kletterte der Preis in wenigen
Minuten schnell in die Höhe. Das Auk-
tionshaus RM Sotheby’s hatte den Wert
des seltenen Sportwagens zuvor auf vier
bis sechs Millionen Dollar geschätzt.
Über den Käufer wurde zunächst nichts
bekannt. (dpa)

DETMOLD, 16. August (AFP).Im Pro-
zess um den Kindesmissbrauch auf einem
Campingplatz im nordrhein-westfäli-
schen Lügde hat die Staatsanwaltschaft
am Freitag hohe Haftstrafen mit anschlie-
ßender Sicherungsverwahrung gefordert.
Der 56 Jahre alte Dauercamper Andreas
V. aus Lügde soll nach dem Willen der An-
klage für 14 Jahre hinter Gitter, der 34 Jah-
re alte Mario S. aus Steinheim für zwölfein-
halb Jahre, wie ein Sprecher des Detmol-
der Landgerichts mitteilte. In ihren Plä-
doyers forderten die beiden Vertreterin-
nen der Staatsanwaltschaft zudem für die
beiden geständigen Angeklagten die An-
ordnung der Sicherungsverwahrung.

FRANKFURT,16. August. Russland
hat zwei neue Helden: Die beiden Pilo-
ten des Airbus 321, der am Donnerstag
kurz nach dem Start vom Moskauer Flug-
hafen Schukowskij in einem Maisfeld not-
gelandet ist. Der Kreml hat angekündigt,
dass sie mit Orden ausgezeichnet wer-
den sollen. Luftfahrtexperten und ande-
re Piloten werden in russischen Medien
mit bewundernden Äußerungen über die
Leistung der beiden Männer zitiert, die
nach dem Ausfall der Triebwerke wegen
eines Zusammenstoßes mit Möwen das
Flugzeug mit 233 Menschen an Bord im
Gleitflug mit vollen Tanks sicher auf den
Boden gebracht haben. 74 Personen wur-
den bei der Notlandung leicht verletzt,
nur sechs von ihnen mussten stationär
behandelt werden. Die Leistung der Pilo-
ten wird in Russland mit dem „Wunder
auf dem Hudson River“ vor zehn Jahren
verglichen, als es einem amerikanischen
Piloten gelang, nach einem Zusammen-
stoß mit Gänsen auf dem Fluss in New
York zu wassern.
Während über die Leistung der Pilo-
ten Einigkeit herrscht, begann schon
wenige Stunden nach dem Unglück ein
Streit über die Herkunft des Möwen-
schwarms. Die Wirtschaftszeitung „We-
domosti“ berichtete am Freitag, dass
sich russische Fluglinien schon seit eini-
ger Zeit über die große Zahl von Vögeln
in der Umgebung russischer Flughäfen
beschwerten. Das Blatt zitierte den
Chef der Fluggesellschaft Utair mit der
Aussage, Zusammenstöße zwischen

Flugzeugen und Vögeln seien in Russ-
land zehnmal so häufig wie im übrigen
Europa. Laut der Statistik der Luftfahrt-
behörde Rosawiazija ist die Zahl solcher
Vorfälle in den vergangenen Jahren
stark gestiegen – von 411 im Jahr 2015
auf 1021 voriges Jahr; in der ersten Jah-
reshälfte 2019 waren es schon 556 Fälle.
Laut „Wedomosti“ hat sich der Billig-
fluganbieter „Pobeda“ voriges Jahr des-
halb offiziell an die Staatsanwaltschaft
gewandt. Das Unternehmen sieht den
Grund für die steigenden Zahlen in ei-
ner Pflichtverletzung durch die Flug-
häfen: Sie kümmerten sich nicht aus-
reichend darum, Vögel fernzuhalten.
Allerdings haben die Flughäfen dabei
mit Problemen zu kämpfen, auf die sie
selbst keinen Einfluss haben. Moskaus
größter Flughafen Scheremetjewo be-

schwerte sich schon vor drei Jahren bei
der Regionalregierung des Moskauer Ge-
biets und der Generalstaatsanwaltschaft
über „zyklopische“ illegale Müllhalden
in seiner unmittelbaren Umgebung, die
mehrere tausend Hektar Fläche bedeck-
ten, bis zu 100 Meter hoch seien und gro-
ße Vogelschwärme anzögen.
Auch nach dem Unglück am Donners-
tag kam sofort die Vermutung auf, die
Möwen stammten von einer Müllkippe in
der Nähe des Flughafens Schukowskij,
des neuesten der vier internationalen
Flughäfen der russischen Hauptstadt.
Die Regionalregierung des Moskauer
Umlands wies das umgehend als „fehler-
haft“ zurück. Die nächste Mülldeponie
sei 14 Kilometer entfernt und schon
2012, vier Jahre vor der Eröffnung von
Schukowskij, geschlossen worden. Aller-

dings befindet sich um einen Baggersee
in unmittelbarer Nähe des Flughafens
eine mehrere Hektar große illegale Müll-
kippe, über die örtliche Medien schon
2017 berichtet hatten. Damals warnte
eine lokale Parlamentarierin, die Müllhal-
de sei nicht nur eine Gefahr für das
Grundwasser und die Gesundheit der
Menschen in den umliegenden Siedlun-
gen, sondern auch für den Flughafen.
In manchen russischen Medien hieß
es, diese Müllkippe sei noch immer in
Nutzung, andere berichteten, sie sei vori-
ges Jahr geschlossen worden. Diese Un-
klarheit ist bezeichnend: Die offiziell
ausgewiesenen Müllkippen reichen seit
Jahren nicht mehr, um den ganzen Müll
Moskaus aufzunehmen. Im Moskauer
Umland gab es in den vergangenen Jah-
ren mehrfach heftige Bürgerproteste ge-
gen illegale Müllhalden, die wohl mit
Wissen oder Unterstützung korrupter
Behördenvertreter eingerichtet wurden.
Nun versucht die Hauptstadt, ihren
Müll in entlegenen Gebieten Russlands
zu entsorgen, stößt aber auch dort auf
Widerstand. Der Protest gegen eine als
„Ökotechnikpark“ bezeichnete Deponie
im Gebiet Archangelsk in Nordrussland
wurde diesen Sommer so massiv, dass
sich Präsident Wladimir Putin zum Ein-
greifen gezwungen sah. Das bis dahin
offiziell von der Moskauer Stadtregie-
rung und dem Gebiet Archangelsk vor-
angetriebene Projekt hatte mit den il-
legalen Müllkippen im Moskauer Um-
land eines gemeinsam: Es gab dafür kei-
ne Genehmigung. REINHARD VESER

ceh. LOS ANGELES, 16. August. Der
amerikanische Südstaat Tennessee hat ei-
nen Mann auf dem elektrischen Stuhl hin-
gerichtet. Der 56 Jahre alte Stephen West
starb am Donnerstagabend durch zwei
Stromstöße, nachdem Gouverneur Bill
Lee diese Woche eine Begnadigung des
Doppelmörders abgelehnt hatte. West
hatte daraufhin die Exekution auf dem
elektrischen Stuhl beantragt, um der Gift-
spritze zu entgehen. Weil sich Pharma-
unternehmen weigern, Medikamente für
Exekutionen herzustellen, experimentie-
ren verschiedene Bundesstaaten mit
Mischungen aus Fentanyl, Pentobarbital
und Thiopental. Immer wieder kommt es
dabei zu Zwischenfällen in der Hinrich-
tungszelle. West war bereits der dritte
Todeskandidat in Tennessee, der sich in
den vergangenen zwölf Monaten für ei-
nen Tod durch Stromstöße entschied.
Gemeinsam mit einem Komplizen hatte
er 1986 die 51 Jahre alte Wanda Romines
und ihre Tochter Sheila in deren Haus
überfallen. Bevor er die beiden ermorde-
te, vergewaltigte West die Fünfzehnjähri-
ge vor den Augen ihrer Mutter.


Kurze Meldungen


Lange Haftstrafen


im Fall Lügde gefordert


Der Müll, der Flughafen und die Vögel


Was das Flugzeugunglück von Moskau mit den Umweltproblemen der russischen Hauptstadt zu tun hat


Schütze von Dayton


unter Drogeneinfluss


ceh. LOS ANGELES, 16. August. Nach
drei Tage langen Beratungen hat eine Jury
in Los Angeles den als „Hollywood Rip-
per“ bekannten Michael Gargiulo schuldig
gesprochen. Die Geschworenen sahen es
am Donnerstag als erwiesen an, dass der
Dreiundvierzigjährige die Studentin Ash-
ley Ellerin Anfang 2001 mit 47 Messer-
stichen ermordet hatte. Vier Jahre später
tötete er seine Nachbarin Maria Bruno.
Die Ermittler waren dem Techniker für Kli-
maanlagen 2008 auf die Spur gekommen.
Damals konnte sich ein weiteres Opfer be-
freien, das Gargiulo zu Hause überfallen
hatte. Eine Blutspur führte die Ermitt-
lungsbehörden schließlich zu dem Frauen-
mörder. Der Prozess erregte auch wegen ei-
nes prominenten Zeugen Aufsehen. Der
Schauspieler Ashton Kutcher sagte aus, er
sei in der Nacht ihres Todes mit Ellerin ver-
abredet gewesen. Als er an ihrem Bunga-
low klingelte, traf er sie aber nicht an. Der
Rotweinfleck, den Kutcher durch das Fens-
ter zu erkennen glaubte, stellte sich später
als Blutlache heraus.

mwe. BERLIN, 16. August. Darf ein Mäd-
chen in einem Knabenchor mitsingen?
Und klingt eine Mädchenstimme wirklich
anders als die Stimme eines Jungen? Die-
se Fragen wurden am Freitag vor dem Ber-
liner Verwaltungsgericht behandelt.
Es geht um den Fall eines neun Jahre al-
ten Mädchens, das im November 2018 in
den Staats- und Domchor Berlin eintreten
wollte, aber abgelehnt wurde. Nur weil
ihre Tochter ein Mädchen sei, sagt die Mut-
ter, die als Anwältin die Tochter selbst vor
Gericht vertrat. Dabei seien ihre Voraus-
setzungen sehr gut gewesen. Denn sie war
mit Bravour auf das Händel-Musikgymna-
sium aufgenommen worden, hatte im
Chor der Komischen Oper und an der
Domsingschule in Frankfurt mitgesungen.
Chorleiter Kai-Uwe Jirka aber sah die
Sache anders. Gute Stimme, aber keine
Spitzenbegabung, befand er nach einem
Vorsingen des Mädchens. Das Kind habe
zudem keine Motivation, in einem Kon-
zertchor zu singen. Das Geschlecht der
Bewerberin habe keine Rolle gespielt.
Die Mutter bezweifelte das.
Jedenfalls wäre ihre Tochter das erste
Mädchen gewesen, das zu dem 1465 ge-
gründeten Ensemble gehört hätte. Als
öffentliche Einrichtung sei der Chor zur
Gleichbehandlung verpflichtet, argumen-
tierte die Mutter. Die Unterschiede zwi-
schen Mädchen- und Jungenstimme seien
nicht so groß, wie oft dargestellt – das hät-
ten Studien gezeigt.Der Chorleiter sah
auch das anders. Die Stimme eines Jungen
sei bis zum Stimmbruch unvergleichbar
mit der eines Mädchens – nämlich wie
„ein letzter Schwanengesang“.
Ob diese Unterschiede zutreffen oder
aber überhöht werden, ist umstritten. Der
Vorsitzende Richter befand, es gehe um
einen prinzipiellen Konflikt zwischen
Kunstfreiheit und Gleichheit vor dem
Gesetz. Das Gericht entschied letztlich
für die Kunstfreiheit. Das Klangbild des
Chors habe Vorrang. Doch sei es ein Pilot-
fall. Eine Berufung wurde zugelassen.

Tennessee richtet


Doppelmörder hin


„Hollywood Ripper“


schuldig gesprochen


Mädchen im


Knabenchor?


Klage abgewiesen


Miet-E-Roller


in Mailand


vorerst verboten


Ist die ReiseimSegelboot nach New York wirklich


so klimafreundlich?Die Aktivistin und ihr Vater


hätten sich womöglich besser in ein Flugzeug


gesetzt.Von Sebastian Reuter


Schulstreik auch auf hoher See:Greta Thunberg protestiert am Freitag mit ihrem altbekannten Schild gegen den Klimawandel. Foto Twitter/gretathunberg/Screenshot F.A.Z.


Wunder im Mais:Das Passagierflugzeug landete auf dem Feld. Foto AP

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