Handelsblatt - 16.08.2019

(nextflipdebug2) #1
Hongkong-Krise

Trump überrascht mit Kehrtwende


Der US-Präsident schaltet sich
erstmals in die
Hongkong-Krise ein. Parallel
erhöht China den Druck auf
die Demonstranten.

Sha Hua, Annett Meiritz Peking,
Washington

Ü


ber Wochen hatte Donald
Trump sich mit Kommenta-
ren zur Hongkong-Krise zu-
rückgehalten. Die Auseinanderset-
zungen in der asiatischen Metropole
seien „eine Sache zwischen Hong-
kong und China“, so der US-Präsi-
dent. Seit Mittwochnacht gilt diese
für Trump ungewohnt diplomatische
Haltung nicht mehr. In einer Reihe
von Tweets bot er an, direkt zu ver-
mitteln. Trump lobte den chinesi-
schen Präsidenten Xi Jinping als „gu-
ten Mann“ und schlug ein Treffen
vor. Parallel verknüpfte Trump die
Hongkong-Krise erstmals mit den fra-
gilen Handelsgesprächen zwischen
den USA und China. China müsse die
Situation „menschlich“ regeln, bevor
ein Handelsabkommen zustande
kommen könne, drohte Trump.
Im Juni noch hatte Trump in ei-
nem Telefonat mit Xi versichert,
Washington werde die chinesische
Regierung nicht wegen ihres Vorge-
hens in Hongkong verurteilen.
Die Millionenstadt ist eine ehe-
malige britische Kolonie, die 1997
an China zurückgegeben wurde,
heute gilt sie als Asiens Handelstor
zum Westen. Als Sonderverwal-
tungszone genießen die Bewohner
deutlich mehr Freiheiten als Chine-
sen, die auf dem Festland leben. Im
Juni entzündeten sich Massenpro-
teste mit mehr als einer Million
Menschen: Anlass war ein umstrit-
tener Gesetzesvorschlag, der Aus-
lieferungen mutmaßlicher Krimi-
neller auf das chinesische Festland
ermöglichen würde. Nachdem das
Gesetz vorerst eingefroren wurde,
gingen die Proteste weiter: Eine Be-
wegung mit einigen Tausenden Teil-
nehmern drängt auf demokratische

Reformen und wirft der Zentralre-
gierung in Peking vor, die Rechte
Hongkongs zu untergraben. Sie for-
dern die Rücknahme des Ausliefe-
rungsgesetzes, den Rücktritt der
Regierungschefin Carrie Lam, eine
unabhängige Aufklärung der Poli-
zeigewalt, die Freilassung von ver-
hafteten Demonstranten und uni-
verselles Wahlrecht.
Die Polizei geht unter anderem
mit Tränengas und Schlagstöcken
gegen die zumeist jungen Men-
schen vor. Am Dienstag eskalierte
die Situation, als nach einer zu-
nächst friedlichen Besetzung des in-
ternationalen Flughafens Demons-
tranten einen chinesischen Journa-
listen und einen vermeintlichen
Agenten angriffen und malträtier-
ten. Viele Teilnehmer entschuldig-
ten sich anschließend in Internetfo-
ren für ihre „Überreaktion”.

Schickt China Truppen?
Nach der zunehmenden Gewalt
nehmen die Gerüchte zu, dass chi-
nesische Truppen in die Stadt ein-
dringen und eine gewaltsame Nie-
derschlagung, ähnlich wie im Jahr
1989 am Platz des Himmlischen
Friedens, anstreben könnten. Zu-
letzt hatte die chinesische Regie-
rung die Drohungen verschärft.
Hunderte Sicherheitskräfte der be-
waffneten Volkspolizei trainierten
in einem Sportstadion in der süd-
chinesischen Metropole Shenzhen,
die direkt gegenüber von Hongkong
liegt. Auf dem Parkplatz davor stan-
den mehr als 100 Militärfahrzeuge,
darunter gepanzerte Truppentrans-
porter und Wasserwerfer. Staatsme-
dien sprachen von „einer klaren
Warnung an Randalierer in Hong-
kong“ und verwiesen auf die Befug-
nis der Kräfte, gegen Unruhen und
Terroranschläge vorzugehen.
„Sollte sich die Situation in Hong-
kong verschlechtern, wird die Zen-
tralregierung nicht still sitzen und
zuschauen”, sagte Liu Xiaoming,
der chinesische Botschafter in
Großbritannien. China habe genü-
gend Möglichkeiten im Rahmen des

Hongkonger Grundgesetzes, „um
jede Unruhe schnell zu ersticken”.
Westliche und asiatische Diploma-
ten gehen dennoch nicht von einem
militärischen Eingreifen aus. Steve
Tsang, Leiter des SOAS China Institu-
te in London, glaubt, dass die jüngs-
ten Aktionen vor allem der Abschre-
ckung dienen. „Die chinesische Füh-
rung würde es viel lieber vorziehen,
wenn die Demonstranten einfach
nach Hause gehen.”

Trump unter Zugzwang
Dennoch ist die Lage fragil. China
beschuldigt ausländische Kräfte,
insbesondere die USA, hinter den
Protesten zu stehen. Peking weist
eine Einmischung aus Washington
klar zurück. „Hongkong ist eine
rein innenpolitische Angelegenheit
Chinas”, hieß es am Donnerstag aus
dem Außenministerium. Kompli-
zierter wird die Situation dadurch,
dass die US-Regierung widersprüch-
liche Signale sendet. Nur Stunden
bevor sich Trump auf Twitter äu-
ßerte, bestritt sein Handelsminister
Wilbur Ross noch, dass die Han-
delsgespräche mit China von der
Hongkong-Krise beeinflusst wür-
den. „Das ist eine interne Angele-
genheit”, sagte er.
Trump war offensichtlich aus den
eigenen Reihen unter Druck gera-
ten, seine Zurückhaltung zu über-
denken. Im US-Kongress gibt es
breite Unterstützung für einen Anti-
China-Kurs sowohl von Demokraten
als auch von Republikanern.
Ein Grund für die Kehrtwende
Trumps könnten auch die zuneh-
mend nervösen Märkte sein. Anleger
und Investoren sind verunsichert an-
gesichts des Handelskriegs der bei-
den größten Wirtschaftsmächte USA
und China. Der US-Aktienindex Dow
Jones fiel in dieser Woche auf seinen
tiefsten Stand in diesem Jahr, ausge-
löst durch Ängste vor einem globalen
Abschwung. Am Dienstag signalisier-
te Trump erstmals Entgegenkom-
men, indem er einige für September
angekündigte Strafzölle gegen China
auf Dezember verschieben ließ.

Polizisten am Flughafen
in Hongkong: mit
Tränengas und Schlag-
stöcken gegen die
Demonstranten.

AP


imago images / UPI Photo


China will


dringend


einen


Handelspakt.


Erst müssen


sie sich in


Hongkong


menschlich


verhalten!


Donald Trump
US-Präsident




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Wirtschaft & Politik
WOCHENENDE 16./17./18. AUGUST 2019, NR. 157
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