Handelsblatt - 16.08.2019

(nextflipdebug2) #1

zern ZTE mit dem Vorhaben betraut werden, wie
das Handelsblatt erfuhr. Die Bundesregierung hatte
über Monate Spionagevorwürfe der US-Regierung
gegen den chinesischen Konzern Huawei geprüft.
Vor dem Hintergrund sei es unwahrscheinlich,
dass es möglich sei, dass ein chinesischer Netzaus-
rüster ein Mobilfunknetz in Deutschland errichten
dürfe, hieß es aus Regierungskreisen.
Die Frage nach dem richtigen Technologiepart-
ner ist für United Internet aber nur ein Schritt. Die
Firma will zudem eine Roamingvereinbarung mit
mindestens einem der etablierten Netzbetreiber
schließen. Denn als Neueinsteiger wird es Jahre
dauern, bis United Internet über das ganze Land
verteilt Mobilfunkmasten haben wird.
Deshalb braucht die Firma zumindest für die
Übergangszeit eine Zwischenlösung. Eine Auflage
aus der Fusion von Telefónica mit E-Plus sieht zu-
mindest vor, dass 1&1 Drillisch noch bis zum Jahr
2030 rund ein Drittel der Netzkapazität anmieten
darf. Danach ist alles offen. Zudem läuft schon jetzt
ein Rechtsstreit zwischen Telefónica und 1&1 Dril-
lisch darüber, wie hoch die Mietzahlungen sein
dürfen. Eine Entscheidung in dem Streit erwarte er
für Oktober, sagte Dommermuth.
Selbst wenn diese Hürde genommen ist, steht
United Internet vor weiteren Herausforderungen.
Bei der Frequenzauktion in diesem Jahr hat der
Konzern zwar ein wichtiges Spektrum erworben,
das die Firma für den Netzausbau einsetzen kann.
Doch das Paket an Frequenzen wird langfristig
nicht ausreichen. Bislang hat United Internet soge-
nannte Kapazitätsfrequenzen, die zwar hohe Ge-
schwindigkeiten erreichen und eine geringe Verzö-
gerung bei der Übertragung haben. Doch sie ha-
ben nur eine kurze Reichweite und sind kaum
dafür geeignet, das ganze Land mit Mobilfunk zu
versorgen.
Dafür sind sogenannte Flächenfrequenzen nö-
tig. Vermutlich wird die Bundesnetzagentur das
nächste Mal im Jahr 2024 Flächenfrequenzen ver-
steigern. United Internet hat in den Plänen bereits
in Aussicht gestellt, dass sich die Firma dann an
der Auktion beteiligen wird. Das bedeutet jedoch
auch, dass es noch viele Jahre dauern wird, bis
der Konzern einen abschließenden Plan vorlegen
kann, wie der Netzausbau langfristig funktio-
niert. Schließlich kann niemand sagen, ob United
Internet 2024 Frequenzen ersteigern wird und
wie viele.
Über allem steht jedoch die Frage, ob und wie
United Internet langfristig Geld mit seinem Netz
verdienen will. Der Research-Anbieter Redburn
hatte in einer Studie mögliche Geschäftsmodelle
durchgespielt. Am Ende kamen die Analysten je-
doch zum Schluss, dass es kaum möglich ist, für ei-
nen vierten Anbieter auf einem Mobilfunkmarkt
ein langfristig lukratives Geschäftsmodell zu etab-
lieren. Schließlich hatte 2014 Telefónica den Anbie-
ter E-Plus in Deutschland gekauft, um die Zahl der
Anbieter von vier auf drei zu reduzieren. Dommer-
muth muss also noch Überzeugungsarbeit leisten,
wenn er Analysten und Aktionäre von seinem Kurs
überzeugen will.


Ralph Dommermuth

„Die Aktionäre sind


momentan verunsichert“


Ralph Dommermuth ist einer der erfolg-
reichsten Internetgründer Deutschlands.
Doch der Umbau seines Unternehmens zum
Netzbetreiber ist eine große Herausforde-
rung.

Herr Dommermuth, wann wird Ihr 5G-Netz
in Deutschland starten?
Wir haben mit den Vorbereitungen begon-
nen. Ich gehe davon aus, dass wir 2021 star-
ten werden.

Wird Ihr Netz flächendeckend
Deutschland umspannen?
Natürlich. Dazu werden wir am
Anfang in den Regionen, wo
wir noch nicht selbst ausge-
baut haben, bestehende Mo-
bilfunknetze nutzen. In der
Fachsprache heißt das Natio-
nal Roaming. Denn wir kön-
nen niemandem zumuten, dass
er in Funklöcher fährt.

Mit 5G lässt sich zwar schnell surfen,
aber nicht telefonieren. Bauen Sie auch 4G?
Ja, wir planen ein kombiniertes Netz aus 5G
und 4G. Es wird ohnehin noch einige Jahre
dauern, bis 5G-Endgeräte von jedem genutzt
werden. Am Anfang werden sie noch sehr
teuer sein. Erst wenn es günstige Smart -
phones für den Massenmarkt gibt, steht die
Technik vor dem Durchbruch. Unsere Kun-
den werden also längere Zeit 4G und 5G pa-
rallel nutzen. Und darauf legen wir unser
Netz aus.

Als Neueinsteiger wollen Sie auch die Netze
von Wettbewerbern nutzen. Wie laufen die
Gespräche dazu?
Wir stehen ganz am Anfang der Gespräche
über National Roaming, deshalb kann ich
noch nichts Konkretes sagen. Zusätzlich ha-
ben wir aufgrund der Fusionsauflagen aus
Brüssel für die seinerzeitige E-Plus-Übernah-
me durch Telefónica einen garantierten Zu-
gang zum Netz von Telefónica, der auch 5G
umfasst. Diesen Vertrag können wir in eine
National-Roaming-Vereinbarung umwandeln.

Diese Regel läuft spätestens 2030 aus.
Das stimmt. Deshalb verhandeln wir auch
mit anderen Netzbetreibern.

Und was machen Sie, wenn es nicht zu einer
Einigung kommt?
Bei Bedarf können wir die Bundesnetzagen-
tur anrufen, die dann als Schiedsrichter fun-
gieren würde. Das ist bisher aber nicht nö-
tig. Deutschland hinkt beim Mobilfunk hin-
terher, will aber trotzdem zum Leitmarkt
für 5G werden. Wir sollten also schnellst-
möglich Klarheit schaffen.

Für Ihr Netz brauchen Sie auch Technik der
Ausrüster. Wie laufen die Gespräche mit
Nokia und ZTE?
Zu Details von Gesprächen und den Namen
der beteiligten Firmen kann ich mich nicht
äußern. Wir sprechen mit verschiedenen
potenziellen Partnern.

Werden Sie ein Netz bauen oder anmieten?
Wir diskutieren verschiedene Modelle. Es ist
möglich, dass wir die Infrastruktur kaufen.
Wir könnten aber auch ein komplettes Netz
leasen. Als dritte Möglichkeit könnten wir ei-
ne Mischform wählen. Die Entscheidung da-
zu ist noch nicht gefallen.

Wie wollen Sie mit 5G Geld verdienen – eher
mit Privat- oder mit Firmenkunden?
Unsere Stärke liegt klar im Geschäft mit
Konsumenten und Kleingewerbetreibenden.
Wir zahlen heute jährlich rund 600
Millionen Euro für Vorleistungen
an andere Mobilfunknetzbetrei-
ber. Diese Kosten können wir
mit dem Bau eines eigenen
Netzes internalisieren und
die eingesparte Summe für
Investitionen in unser Netz
nutzen.

Was ist mit Firmenkunden?
Geschäftskunden könnten auch lu-
krativ sein. Aber es ist noch nicht klar,
wie dort die Modelle aussehen. Derzeit
wird mit 5G-Lösungen für die Industrie ex-
perimentiert. Ich bin mir nicht sicher, ob
das wirklich ein nachhaltiges Geschäft für
Netzbetreiber ist. Schließlich können sich
Firmen ihr Campus-Netz auch direkt von
Ausrüstern wie Nokia, Ericsson oder Hua-
wei bauen lassen – ganz so, wie sie es bei
der Inhouse-Vernetzung auf Basis anderer
Technologien tun. Für uns ist das Mobil-
funkgeschäft mit Endkunden besser ein-
schätzbar. Dort haben wir ein etabliertes
Business-Modell und eine sehr gute Markt-
stellung mit nahezu zehn Millionen Ver-
tragskunden.

Wie wollen Sie sich von Telekom, Vodafone
und Telefónica unterscheiden?
Letztlich läuft alles über Netzqualität, Inno-
vationen, Service und Preis. Ich werde den
Mund nicht zu voll nehmen und behaupten,
ich könnte ein besseres Netz bauen als die
Telekom. Aber wir zeigen tagtäglich bereits
mit unserem Festnetz, dass wir eine gute
Kombination aus Leistung und Preis anbie-
ten können. Das wird uns auch mit einem
eigenen Mobilfunknetz gelingen.

Ihre Anleger scheinen daran zu zweifeln.
Ihr Aktienkurs hat gelitten. Wieso?
Die Aktionäre sind momentan verunsichert.
Sie fragen sich, wie viel der Netzausbau kos-
ten wird und wie sich Dividende und Ge-
schäft entwickeln werden.

Und was wird der Ausbau kosten?
Das kann ich Ihnen noch nicht sagen. Ich
war von Anfang an ehrlich und habe immer
gesagt, dass wir vor einem langwierigen Pro-
zess stehen. Deshalb kann ich Ihnen auch
jetzt keine verlässliche Zahl oder einen
exakten Zeitplan nennen. Der Erwerb des
Frequenzspektrums war nur der erste
Schritt auf einer langen Reise.

Die Fragen stellte Stephan Scheuer.

Der Chef von United Internet spricht über seine Pläne für den 5G-Ausbau, sein
langfristiges Geschäftsmodell und fallende Kurse an der Börse.

Der


Aufstieg zum


Netzbetreiber


dauert Jahre


und kostet


Milliarden


Euro – für


Frequenzen


und


Investitionen.


Mandeep Singh
Analyst Redburn

United Internet hat seinen Plan auf viele Jahre
angelegt.


Schritt 1: Kauf von Frequenzen (abgeschlossen)


Schritt 2: Verhandlungen über die Nutzung
anderer Netze, auch National Roaming genannt
(läuft)


Schritt 3: Kooperationsvereinbarungen mit
einem oder mehreren Technologiepartnern


Schritt 4: Netzausbau auf Basis der Glasfaserin-
frastruktur von 1&1 Versatel


Schritt 5: Teilnahme an der nächsten Frequenz-
versteigerung im Jahr 2024


Der lange Weg zum Netzbetreiber


Thies Rätzke für Handelsblatt

Unternehmen & Märkte


WOCHENENDE 16./17./18. AUGUST 2019, NR. 157
19

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