Handelsblatt - 16.08.2019

(nextflipdebug2) #1

Prag


Hohe Preise in der


Goldenen Stadt


Der Immobilienboom ist in Prag angekommen. Doch eine


kafkaeske Bürokratie verzögert Neubauten.


Tanzendes Haus
in Prag: Der Markt
profitiert von niedri-
ger Arbeitslosigkeit.

NurPhoto/Getty Images

Hans-Peter Siebenhaar Prag

D


er Traum von der Villa
am Golfplatz mit Spa
und Tennisplätzen
kann für betuchte
Tschechen direkt vor
den Toren der Goldenen Stadt wahr
werden. In einer hügeligen Land-
schaft entsteht gerade ein Luxusdorf
mit 350 Wohnungen und Häusern
auf einer Fläche von 140 Hektar, um-
geben von einem 18-Loch-Golfplatz.
„Die ersten neun Löcher des Golf-
platzes können in diesem Jahr bereits
auf Einladung bespielt werden“, sagt
Margund Schuh, Chefin des gehobe-
nen Wohnprojekts Oaks von der Fir-
ma Arendon. Mehrere Hundert Mil-
lionen Euro will die Immobilientoch-
ter britischer Finanzinvestoren laut
Schuh in das Projekt im Süden von
Prag investieren.
Bei den Preisen geht es ab 4000
Euro pro Quadratmeter los. Wo in
Prag schon der Luxus beginnt, liegen
die Durchschnittspreise einer ge-
wöhnlichen Düsseldorfer Wohnung.
Das Geschäft mit dem Bilderbuch-
dorf in ausgedehnten amerikani-
schen Maßstäben läuft offenbar gut
an: „Ein Drittel des ersten Bauab-
schnitts mit 42 Einheiten haben wir
bereits verkauft“, berichtet die
57-jährige Österreicherin stolz. Die
Käufer seien Tschechen. Als Ziel-
gruppe nennt Schuh Kunden jenseits
von 40 Jahren mit einem überdurch-
schnittlichen Einkommen. Die Wirt-
schaftswissenschaftlerin, die schon
seit vielen Jahren im osteuropäi-
schen Immobilienmarkt als Manage-
rin unterwegs ist, kennt die Sehn-
süchte ihrer Kunden nach Design,
Natur und Infrastruktur.

Zu wenig Neubau
An Kauflust mangelt es in Tschechien
nicht – und das bereits seit Jahren.
Denn die Wirtschaft des knapp elf Mil-
lionen Einwohner großen Landes
brummt. Mit einer Arbeitslosenquote
von 1,9 Prozent setzt Tschechien
Maßstäbe. Nirgendwo sonst in der Eu-
ropäischen Union sind prozentual we-
niger Menschen ohne Job als in der
Tschechischen Republik. Eine gute
Binnenkonjunktur und Zinsen auf
niedrigem Niveau, so lautete die Zau-
berformel für einen boomenden Im-
mobilienmarkt mit sehr hohen Preis-
steigerungen in den vergangenen Jah-
ren. Allein im vergangenen Jahr
stiegen die Kaufpreise laut einer Un-
tersuchung der in Prag aktiven Immo-
bilienfirmen Trigema, Skanska Reality
und Central Group um 8,6 Prozent.
Chancen haben längst auch interna-
tionale Investoren erkannt. Doch der
Markt gerät ins Stocken. Die Unsicher-
heit über eine Blasenbildung wächst.
2018 wurde erstmals die psycholo-
gisch wichtige Preisschwelle von
100 000 Kronen (3 863 Euro) pro
Quadratmeter einer Eigentumswoh-
nung in Prag überschritten. Doch das
Wachstum schwächt sich allmählich
ab. In diesem Jahr wird mit einem
Preisauftrieb von nur 5,7 Prozent ge-
rechnet. Der Immobilienkonzern Tri-
gema, der zu den führenden Unter-
nehmen im privaten Wohnungsbau
in Prag zählt, ist noch skeptischer.
„In diesem Jahr rechnen wir mit ei-
ner Preissteigerung zwischen drei
und fünf Prozent“, sagte Unterneh-
menssprecher Radek Polák.
Das Problem: Die Wohnungspreise
im Land steigen schneller als die Löh-
ne. In Prag liegt das durchschnittli-
che Bruttogehalt bei knapp 1500
Euro – es ist das höchste in Tsche-
chien. Zum Vergleich: Das deutsche
Durchschnittsgehalt liegt doppelt so
hoch. Trotz der Gehaltserhöhungen

Immobilien
WOCHENENDE 16./17./18. AUGUST 2019, NR. 157
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