Berliner Zeitung - 17.08.2019

(Sean Pound) #1

I


stBerlinaufdemWegzue iner
anerkannten und beachteten
Fußball-Stadt–sow ieMadrid,
LondonoderMailand?
EinersterSchrittistjedenfallsge-
tan, denn in der nun gestarteten
neuen Bundesliga-Saison ist die
Hauptstadt zum erstenMalseit 43
Jahren wieder mit zweiMannschaf-
teninderBeletagevertreten.Zuletzt
war das in derSaison 1976/77 der
Fall, als Hertha BSC undTennis Bo-
russia zu denBranchen-Größen ge-
hörten.Dochnunduellierensichmit
dem 1. FCUnion (Ost) undHertha
(West) zwei Klubs äußerst unter-
schiedlicherHerkunft, Historie und
Botschaft. Beide Klubs durchlebten
verschiedenePhasen ihres gemein-
samen Daseins in einerStadt, die
lange durch eineMauer geteilt war.
Siefandensichsympathisch,beach-
teten sich später kaum oder übten
sichauchinAbneigung.
Es gibt einFoto,das die beiden
Profis Olaf Seier,Kapitän des 1. FC
Union,undDirkGr eiser,Spielführer
der Hertha, beimHandschlag am
Mittelkreis zeigt.Esstammtausdem
Januar 1990,wenige Monate nach-
dem dieMauer gefallen war.Esw ar
das sogenannte Wiedervereini-
gungsspiel im Olympiastadion.


51000 FansbeiderKlubskamenda-
mals,siefeiertendieTeamsundsich
selbst. DasSpiel endete mit einem
2:1fürdieHertha.Aberdas Ergebnis
wareigentlichegal.
Union-KapitänOlaf Seier,heute
60 Jahrealt, erinnertsich:„Das war
einganzgroßesEreignisinmeinem
Leben, wirklich dieErfüllung eines
Traums.IchstandzumerstenMalim
gewaltigenOlympiastadionaufdem
Rasenundbewundertedieunglaub-
liche Kulisse.Ich dachte damals:Ist
das alles wahr oder träume ich
doch?“DirkGr eiser,heute56,sagtin
der Nachschau: „Das war für mich
ein außergewöhnliches und bewe-
gendesErlebnisineinerturbulenten
Zeit.Wirlernten dieSpieler aus Kö-
penick zum erstenMalkennen und
genossengemeinsamdiesesSpiel.“
Nach diesemTreffen haben sich
diebeidenpopulärenProfisausden
Augen verloren –genauso wie die
beidenTraditionsvereineundvoral-
lemderenzahlreicheAnhänger.Her-
tha stieg amEnde der Saison in die
Bundesligaauf,aberauchsofortwie-
derab .UnionverpasstedenAufstieg
in die Oberliga des Nordostdeut-
schenFußball-Verbandes.
Nunaber,im3 0.Jahrdes Mauer-
falls,istUnionder56.Klub,derinder

VonMichaelJahn


Bundesligaangekommenist.Hertha
dagegen gehörtzum Inventar der
Liga, ist Gründungsmitglied und
steht aufRang 12 der„EwigenBun-
desligatabelle“. Endlich bekommt
Hertha BSC ernsthafteKonkurrenz
indereigenenStadt.
BislangwähntsichHerthaBSCals
dergrößteundwichtigsteFußballver-
ein Berlins.Und das bereits seit den
20er-und 30er-Jahren. Immerhin
sechsmal inSeriehatte dieMann-
schaftdasEndspielumdieDeutsche
Meisterschaft erreicht, zweimal –
1930 und 1931–denTitel geholt. Es

folgtenimmerwiedergewaltigeBrü-
cheinderVereinsgeschichte,genauso
wiesie Berlinerlebte.
Betroffen warenvorallem auch
dieFans.Alsdie MauerBerlinteilte,
verlor Hertha zahlreiche Anhänger
im Osten derStadt. Diemussten
Westfernsehen schauen, um ihre
Hertha zu sehen.Herthas Fans aber
solidarisierten sich so gut sie konn-
ten mit den Anhängerndes 1. FC
Union.DerVereingaltalsUnderdog
inderDDR-Oberligaundpflegteals
FeindbilddenvomStaatunddenSi-
cherheitsorganen gehätschelten

BFC Dynamo.Hertha-Fansreisten
häufigandieAlteFörsterei.Dortrief
man gerngemeinsam und trotzig:
„Eiser nBerlin!“ oder „Es gibt nur
zwei Meister an derSpree–Union
undHerthaBSC!“FürdieWest-Berli-
ner Fußballfans war dieReise nach
Köpenick durchaus auch einAben-
teuer,einNervenkitzel.Diegemein-
sameAblehnungstaatlicherRestrik-
tionenbeiderFangruppenwarwohl
einwichtigerAntriebfürdiedamals
keimendeFreundschaft.
Im Gegenzug fuhrenUnion-An-
hängerzuSpielenderHerthainsso-
zialistischeAusland, zuDuellen in
Pragoder Plowdiwundbildetenmit
ihren Hertha-Freunden eine beein-
druckendeKulisse.Nie waren sich
die beidenFangruppen so nah wie
zuZeiten,alsdieMauerteilte.
DochschonwenigeMonatenach
demSpielim Januar1990beganndie
Entfremdung.DieOst-BerlinerFuß-
ballfans bewegten wichtigereDinge
als Fußball. Siekämpften mit den
neuen gesellschaftlichen Anforde-
rungen.„SiemusstendieWeltneuler-
nen“, sagt einHertha-Anhänger,der
noch heute Freunde an der Alten
Förstereibesitzt.
DieFans aus denMauerzeiten
sind in die Jahregekommen.Die

junge Generation lebt lieber die
neue Rivalität. Unions Präsident
Dirk Zingler sagte zu den bevorste-
henden Duellen gegenHertha:„Für
michistdaseinDerby, dasstehtfür
Rivalität, fürAbgrenzung.Undfür
Fußball-KlassenkampfinderStadt.“
Daskam bei Hertha nicht beson-
dersgutan.UniontrittzuRechtselbst-
bewusst auf. An der Alten Försterei
pflegt manweiter das Image des„et-
was anderenVereins“, der sich gegen
die Kommerzialisierung desFußballs
wehrt. HerthaübtdagegendenSpagat
zwischenModerneundTradition.
Diebeiden Mannschafts-Kapi-
täne von1990, Olaf Seier und Dirk
Greiser,freuensichschon auf die
beidenDerbys .Seier,sportlicherLei-
terdes Vereins„KietzfürKids–Frei-
zeitsporte.V.“ in Hohenschönhau-
sen,besitzteinPrivileg–inA nerken-
nung seinerVerdienste bekam er
einst eineDauerkarte auf Lebens-
zeit. „Dann habe ich wenigstens
keine Schwierigkeiten, beimDerby
wieder dabei zu sein.“Dirk Gr eiser,
Rechtsanwalt in Charlottenburg,
spricht voneiner „gesunden Rivali-
tät“. Greiser:„DasWichtigste aber
ist, dass sich beideVereine mit Re-
spektbegegnen.“ Damit sollten
beideFanlagergutlebenkönnen.

DreißigJahrenachdemMauerfall


verbindetdieBerlinerVereine


mehralssportlicheRivalität


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