P.M. History - 09.2019

(nextflipdebug2) #1

dem Fluss Yalu kommen, desto nervöser
wird Chinas Staatsführung. Schwer be­
waffnete amerikanische Imperialisten
wollen sich an ihrer Südgrenze einrich­
ten? Eine existenzielle Gefahr!
Als alle diplomatischen Warnun­
gen an Washington verhallen, schickt
Peking 250 000 Kämpfer ins Gefecht.
Doch selbst als ON-Truppen ab Ende
Oktober chinesische Soldaten gefan­
gen nehmen, behauptet MacArthur,
das seien bloß eine Handvoll Chinesen
in nordkoreanischen Diensten. Dann
verschwinden die rätselhaften Kämp­
fer Mitte November so schnell, wie sie
gekommen sind. MacArthur ahnt nicht,
dass sie lediglich auf einen geeigne­
ten Moment zum Großangriff warten.
Stattdessen sieht er sich bestätigt: Der
Weg zum Grenzfluss ist frei!


S

o kommt es am 25. November
1950 zur Katastrophe. Als die
Truppen von MacArthur gen
Norden stürmen, wirft China eine hal­
be Million Soldaten, unterstützt von
sowjetischen Kampfflugzeugen, in die
Schlacht. Am Neujahrstag 1951 lässt
Mao eine dritte Offensive starten, und
der Krieg wälzt sich wieder aufs Gebiet
Südkoreas. In scheinbar aussichtsloser
Lage fordert MacArthur schließlich den
Atomkrieg gegen China.
Aber Truman zögert. Fünf Jahre zu­
vor hat er befohlen, Atombomben auf
Hiroshima und Nagasaki zu werfen.
Damals glaubte er, er bewahre dadurch
bis zu eine Million Gis vor dem Tod im
Kampf um Japan. Aber jetzt? Ist Korea
einen Dritten Weltkrieg wert?
Der Kriegsverlauf erspart Truman
die Entscheidung. Zunächst erobern
Chinesen und Nordkoreaner im Januar
1951 zum zweiten Mal Seoul und ver­
schleppen alle männlichen Bewohner
zwischen 15 und 40 Jahren sowie alle
junge Frauen. Aber als das Wetter im
März milder wird, gehen die ON-Trup­
pen erneut in die Offensive.
Diesmal bleibt ein rasender Vor­
marsch einer der beiden Kontrahenten
aus. Stattdessen frisst die Front sich
in die Nähe des 38. Breitengrads fest.
Wie in den Schützengräben des Ersten
Weltkriegs kommt es zu gleichermaßen


blutigen wie erfolglosen Kämpfen. Die
Gefahr eines Dritten Weltkriegs aber
scheint vorerst gebannt.
Truman ruft nun zu Verhandlun­
gen auf. Zur selben Zeit entlässt er
MacArthur. Nicht etwa wegen dessen
Forderung nach 34 Atombomben-sein
Nachfolger wird sogar 38 verlangen.
Sondern weil der General öffentlich
Trumans Siegeswillen bezweifelt hat.
Über zwei Jahre ziehen sich die Ge­
spräche der Kriegsgegner hin. In dieser
Zeit bombardiert die OS-Luftwaffe im­
mer wieder Nordkorea, um einen Kom­
promiss zu erzwingen. Dabei wirft sie
erstmals massenhaft Napalm ab. Ein
Spritzer der klebrigen Masse auf der
Haut genügt, um ein unlöschbares Feu­
er zu erzeugen. Bei den Angriffen stirbt
Schätzungen zufolge jeder Dritte der
insgesamt 7,5 Millionen Nordkoreaner­
eine kaum zu ermessende Tragödie.
Doch die Verhandlungen geraten
erst in Bewegung, als Stalin am 5. März

Korea

1953 stirbt. Die Sowjetführung ist fort­
an mit sich selbst beschäftigt. Der Krieg,
der die Welt an den Rand des nuklearen
Abgrunds gebracht hat, endet in einer
Holzhütte. In einer Baracke auf dem


  1. Breitengrad einigen sich Chinesen,
    Nordkoreaner, Südkoreaner und Ame­
    rikaner am 27. Juli 1953 auf einen Waf­
    fenstillstand. Einen Friedensvertrag
    gibt es bis heute nicht. Stattdessen wird
    eine Pufferzone eingerichtet.
    In drei Jahren Krieg haben Süd­
    korea und China je etwa eine Million
    Menschen verloren, Nordkorea 2,5 Mil­
    lionen. Knapp 37 000 Amerikaner und
    4000 weitere ON-Soldaten sind tot. Ko­
    reas Grenze aber verläuft wieder dort,
    wo sie schon vor dem Morden lag. •


Matthias Lehre fand es
erschreckend zu sehen, wie
jene Mentalität. die später den
Vietnamkrieg schürte, bereits
in Korea ins Desaster führte.

Deutschland profitiert


Sowjets und Amerikaner liefern sich als Folge des Koreakriegs ein atoma­
res Wettrüsten, das erst Ende der 1980er-Jahre endet. Die USA fürchten
die kommunistische Welteroberung nun mehr als eine Wiederkehr des
deutschen Militarismus: Sie geben der Bundesregierung grünes Licht zur
Gründung einerneuen Armee, der Bundeswehr. Weil die US-Wirtschaft
jetzt immer häutiger profitable Rüstungsaufträge aus Washington an­
nimmt, kann die bundesdeutsche Industrie in die entstehende Lücke bei
den Konsumgütern stoßen. Produkte .. Made in West Germany" werden
zum weltweiten Verkaufsschlager und befeuern das Wirtschaftswunder.
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