P.M. History - 09.2019

(nextflipdebug2) #1

]erusalem


Kernstück sind die Streitwagen. Ge­
schützt von einem Schildträger kann
ein Bogenschütze nun ungleich mehr
Pfeile verschießen als ein Reiter, wäh­
rend ein Lenker den Wagen im Hoch­
tempo steuert. Bogenschützen bilden
überdies das Gros der Infanterie. Ein
ganzes Arsenal an Gerätschaften, um
Stadt- und Festungsmauern zu kna­
cken, steht bereit. Dieser Schlagkraft ist
kein Reich gewachsen -weder Babylon
noch Ägypten. Zur Zeit seiner größten
Ausdehnung erstreckt sich das Impe­
rium im Norden bis nach Anatolien und
im Osten bis zum Persischen Golf. Und
damit will es Hiskija aufnehmen?

D

och ihm ist nicht einfach der Er­
folg seines Boom-Staats zu Kopf
gestiegen. Er hat zunächst viele
Partner. Denn als der assyrische Kö­
nig Sargon II. 705 v. Chr. stirbt, sehen
etliche der untergebenen Reiche die
Chance zur Revolte: Babylon, Sidon (im
heutigen Libanon), Askalon (im Süden
des heutigen Israel). Auch Ägypten sagt
Unterstützung zu.
Die Aufständischen machen die
Rechnung allerdings ohne Sanherib,
den Sohn von Sargon II. Der zieht gegen
seine Feinde mit durchschlagendem Er­
folg ins Feld. Von den Rebellenstaaten
bleibt nur Juda übrig. Das Invasions­
heer der Supermacht rollt Richtung Je­
rusalem. Ein ungleicher Kampf beginnt.
Immerhin: Hiskija hat Vorkehrun­
gen getroffen. So hatte er Arbeiter für
den Tunnelbau abkommandiert, um
Jerusalem im Fall einer Belagerung Fri­
schwasser zu sichern. In der Bibel heißt

Auf den Tontafeln des Prismas
des Sanherib wird der dritte
Feldzug des Königs beschrie­
ben, mit dem er die assyrische
Vorherrschaft über Syrien und
Kanaa sichern wollte. Unter
anderem wird die Belagerung
des von König Hiskija offenbar
erfolgreich verteidigten Jeru­
salem geschildert. Heute ist
das Prisma im Israel-Museum in
Jerusalem ausgestellt.

Die weiteren Vorbereitungen His­
kijas, von denen die Bibel berichtet,
sind archäologisch belegt: Er lässt die
Stadtmauern Jerusalems befestigen;
die Stadt Lachisch, 44 Kilometer süd-

Vier Jahre dauert der Tunnelbau


er wird gerade rechtzeitig fertig


es: "Er ließ die obere Quelle des Gihon
dämmen und leitete das Wasser hinun­
ter auf die Westseite der Stadt Davids"
(2. Chronik 32,30). Auch viele Wis­
senschaftler halten dies für plausibel,
zumal man für die Konstruktion vier
Jahre ansetzt - die Zeit zwischen dem
Beginn des Aufstands und der assyri­
schen Invasion.

westlich, erhält elaborierte Bollwerke.
In großen Steinkrügen werden Vorräte
angelegt. "Noch nie hatte ein König Ju­
das so viel Energie, Know-how und Res­
sourcen in die Vorbereitung für einen
Krieg gesteckt", schreiben Pinkelstein
und Silberman anerkennend.
Das Heer kann kommen. Und wie
es kommt: Tausende reguläre Soldaten

verschiedener Nationen, unterschied­
lich gekleidet, unter anderem bewaff­
net mit 110 bis 125 Zentimeter langen
Bögen, Elitekrieger auf ihren Streitwa­
gen, alle gerüstet mit Helmen und lan­
gen, mit Metallplatten besetzten Män­
teln. Vor der Streitmacht marschieren
Träger mit Bildern assyrischer Götter.
Zur Belagerung dienen Türme aus Boh­
len und Flechtwerk sowie gepanzerte
Wagen samt Rammböcken. Haben His­
kijas Soldaten dagegen eine Chance?
Nein. Die Annalen Sanheribs sind
deutlich: "Hiskija aus Juda wollte sich
meinem Joch nicht unterwerfen. Ich
belagerte 46 seiner befestigten Städte,
Festungen und zahllose kleine Dörfer in
ihrer Umgebung und eroberte sie." Die
Einnahme Lachischs wird auf einem
rund 2,5 x 18,9 Meter großen Relief ver­
ewigt, das Sanherib in seinem Palast
aufhängen lässt und das sich heute im
Britischen Museum in London befindet.
Es zeigt die ganze Dramatik des Ge­
schehens: die Belagerungsrampe, den
verzweifelten Versuch der Verteidiger,
die Attacken der Rammböcke zu ver­
hindern, hinter denen die assyrischen
Bogenschützen ihre Pfeile abfeuern.
Gefangene werden aus der Stadt ge­
führt, andere auf Speere gespießt.

U

nd das ist keine Kriegspropa­
ganda. In den 1970er-Jahren
werden Überreste der Rampe
ausgegraben - ebenso ein Massengrab,
Hunderte von Pfeilspitzen und eine Ge­
genrampe, die die Verteidiger zu errich­
ten versucht hatten. Auch sonst zeigen
die archäologischen Funde, wie sehr
ganz Juda in diesem Zeitraum von der
assyrischen Armee verwüstet wurde.
Und Hiskija? Sanheribs Annalen sind
weiter gnadenlos: "Ich machte ihn zum
Gefangenen in Jerusalem wie einen
Vogel in seinem Käfig. Ich verkleinerte
sein Land und erhöhte seinen Tribut."
Doch zwischen den Zeilen findet sich
ein Hoffnungsschimmer: Jerusalem
wurde offensichtlich nicht eingenom­
men. Warum sollten die Assyrer, die
sich gern rühmten, wie vielen Feinden
sie die Hände abgeschnitten, die Haut
abgezogen oder die Augen ausgerissen
hatten, ausgerechnet einen militärisch
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