P.M. History - 09.2019

(nextflipdebug2) #1

Zeitmaschine


Pilgerfahrt nach Spanien

Kluge Augenzeugen sind die besten Reporter. Diesmal im Originalton:


der Dichter ]oseph uon AufJenberg in Andalusien


G

otteshäuser, Paläste-und
schöne Frauen: Andalusien ist
das Traumziel von Joseph
Freiherr von Auffenberg (1798-
1857). 1832 reist der Dichter und
Dramatiker über Mailand, Genua und
Marseille nach Spanien- und stellt fest:
"In diesem Lande
steht der Fremd­
lingfür sich allein,
muss sich selbst
helfen." Aufjen­
berg schildert in
seinem Bericht,
wie er per Maul­
esel beschwerlich
von Barcelona
nach Granada und
C6rdoba gelangte - und Räuber ihn in
Valenciafast erstochen hätten.

>) BARCELONA
Am Charfreitage glaubte ich in einer
anderen Welt zu sein. Nachmittags
3 Uhr schritt, von großer Volksmenge
begleitet, ein Zug von vierzig, als römi­
sche Krieger gekleidete, Kerls über die
Rambla. Sie hielten oft an, stießen mit
den Lanzen klirrend und taktmäßig auf
die Erde und machten zu Fuß mehrere
Carousselmanöver. (. .. )
Nachts 11 Uhr war die ganze Stadt
auf den Beinen. Eine große Glocke hall­
te dumpf in einzelnen Schlägen. Um
Mitternacht kam die schauervolle Pro­
zession! Die zahllosen Mönche trugen
brennende Kerzen und sangen in tiefen

Trauertönen. Ich sah furchtbare, von
geheimen Leidenschaften durchwühl­
te, abgezehrte Gesichter. (. .. )
Nun kamen Büßer in schwarzen
Kutten, mit silbernen Totenköpfen auf
der Brust. Sie schleppten große Kreuze
nach und schwere Eisenketten, deren
Gerassel furchtbar zwischen die Pries­
tergesänge tönte. ( ... ) diese furchtbare
Nachtfeier kam mir vor wie das Ge­
spenst der Inquisition, das sein leicht
vermauertes Grab zersprengte, um wie­
der einen neuen blutigen Thronstuhl zu
finden. ( ... )

VALENCIA
Es mochte 9 Uhr sein, als wir an das See­
tor kamen und es geschlossen fan­
den. Ich sagte: "Carlos, was tut's? Wir
schlafen im Freien." Kaum hatte ich es
gesagt, als ich etwas schleichen hörte,
und, wie vom Himmel herabgefallen
oder aus der Hölle emporgestiegen,
stand ein breitschultriger, untersetzter
Kerl neben uns. (. .. ) Gleich darauf tön­
te es neben uns: "Buenas tardes, Ca­
balleros!" (Guten Abend!) und zwei an­
dere Kerls in derselben Tracht kamen;
ein himmellanger und ein kleiner. "Um
diese Zeit werden die Stadtschlüssel in
die Hände des Commandanten gelegt;
aber um 4 Uhr früh kommt die Post, da
wird geöffnet. Kommen Sie, Sennores,
einstweilen mit uns!" (. .. )
Ich ging rasch mit dem Ersten voran;
der Große bildete das Zentrum und der
Kleine hatte sich an Carlos gemacht.

Jetzt tönte ein dreifaches, schlangen­
artiges Chi! Der Erste rief dumpf: "Jetzt
Geld her für die Armut!"
Hell blitzte das lange Messer in
der braunen Faust. Wie vom Blitz zer­
schmettert, sank ich, von einem Stein­
wurf des Mittlern getroffen, der Länge
nach zur Erde nieder. Ich war halb ohn­
mächtig, erwachte aber gleich - denn
schon spürte ich die kalten Messer,

Nachzulesen in: Joseph von
Auffenberg: Humoristische
Pilgerfahrt nach Granada und
�.����.: .• ,� .. " � ..... ,., Kordova Erstmals erschienen 1835 in:
J. Scheible's Verlags-Expe­
dition, antiquarisch erhältlich

die in meinem Leibe wühlten. (. .. ) Ich
brüllte und biss mit den Zähnen um
mich wie ein wildes Tier. Alle drei wa­
ren über mich hergefallen, und Carlos
hatte sich gerettet, da er weiter zurück
war; mir hätte er doch nicht helfen kön­
nen, weil er nicht einmal ein Messer bei
sich führte. (. .. )
Der Große riss mir indessen die
Uhr weg; da kam mir ein Gedanke, der
mich rettete. Ich warf den Teufeln die
Geldbörse zu und schrie: "Da, da, mein
Alles!" Jetzt aber raubte mir ein neu­
er, tiefer Stich die Besinnung! (und so)
sank ich, mich zum Tode ausstreckend,
röchelnd in Ohnmacht. Nun kam un­
ter Wehgeschrei - totenblass und ent­
stellt - Carlos mir wieder entgegen.
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