P.M. History - 09.2019

Burton Holmes

DER NIL, ÄGYPTEN (1906)

,. Der volle Frontalblick einer Nilfeluke

ist immer distingue, anmutig wie ein

wunderschönes Fluginsekt. Aber das

Profil der Boote ist enttäuschend."

BERLIN, DEUTSCHLAND (1907)

Den .Brennpunkt des Berliner Lebens"

nahm Holmes aus dem Cafe Bauer

auf, .dem Protest des Kellners und des

Eigentümers zum Trotz", wie er erzählt

trägt er grundsätzlich einen schwarzen

Abendanzug mit Fliege -und natürlich

den Ziegenbart, sein Markenzeichen.

Auch die Zuschauer sind in

Abendrobe gekleidet. Holmes infor­

miert sie zunächst immer über forma­

len Details: "Sie sehen die dritte Show

in der 54. Saison. Thema: ,Abenteuer

in Mexiko'." Das Licht geht aus, die ers­

ten Bilder flimmern auf der Leinwand,

Holmes kommentiert sie präzise und

mit Humor. Er zeigt eine Tortillaver­

käuferin und erläutert danach anhand

von Nahaufnahmen, wie Tortillas ge­

backen werden. Er präsentiert Bilder

eines Stierkampfes - aber nicht die Tö­

tung des Tieres. Holmes' Sicht auf die

Welt bleibt immer harmlos: Er sucht die

Schönheit einer Landschaft, eines Ge­

bäudes, Folklore. Armut, Gefahr oder

REISEBERICHTE

BUCHTIPP

Eine wunderbare

Zusammenstellung:

Burton Holmes

Reiseberichte

Taschen Verlag,

608 Seiten, 15 Euro

gar Politik blendet er aus. Für diese

Themen sind andere zuständig. Holmes

will unterhalten, nichts weniger. Aber

auch nichts mehr. Er ist ein Feigling -

das sagt Holmes von sich selbst.

U

nd doch kann er der Gefahr

nicht immer ausweichen. Etwa

an der europäischen Kriegsfront

im Frühjahr 1918. In Padua fotografiert

er nachts von einem Hoteldach aus ei­

nen Luftangriff. Der "Wagemut des

Ahnungslosen" vergeht ihm, als er am

nächsten Morgen die zerstörte Stadt be­

sichtigt. In der folgenden Nacht flüchtet

er wie alle anderen Gäste in den Keller.

Persönliche Entbehrungen auf Rei­

sen macht der Gentleman Holmes nur

selten zum Thema seiner Shows. Er

wird wohl oft gelitten haben - an Fie­

ber, Durchfällen, Insekten, ungenieß­

barem Essen, beschwerlichen Trans­

portmitteln oder auch nur am ewigen

Staub auf der Linse seiner Kamera. Wo

immer möglich, genießt Holmes den

Luxus der besten Hotels.