Focus - 16.08.2019

(Sean Pound) #1

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Auch Ersatz-


begriffe wie


,mobile ethnische


Minderheit‘


sind zu meiden,


heißt es in dem


Erlass


« Foto: Susanne Krauss


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D


er Inspekteur der Bayerischen Polizei,
Harald Pickert, hat seine Beamten ange-
wiesen, nicht länger von „Sinti“ und
„Roma“ zu sprechen. Auch Ersatzbegrif-
fe wie „mobile ethnische Minderheit“
seien im Dienstgebrauch zu meiden,
heißt es in dem Erlass, mit dem der
Inspekteur seine Polizisten zum „sensiblen Umgang mit
diskriminierenden Bezeichnungen“ anhalten will.
Wie die Beamten reden, wenn sie dienstfrei haben,
bleibt weiterhin ihnen überlassen. Da kann man nicht viel
machen. Aber sobald sie in Uniform sind, gilt die neue
Weisung zum sensiblen Sprachgebrauch. Das heißt, auch
bei der Fahndung oder der Personalienfeststellung müs-
sen die Polizisten jetzt über die Herkunft von Verdächti-
gen hinwegsehen.
Dass man heute nicht mehr von
Zigeunern redet, ist klar. Ein Mensch,
der nicht auf Krawall aus ist, vermei-
det Begriffe, die als abwertend emp-
funden werden. Auch Ableitungen wie
„Zigeunerschnitzel“ oder „Zigeuner-
baron“ scheiden aus. Vorsicht ist die
Mutter der Porzellankiste, wie es so
schön heißt.
Aber Sinti und Roma? Es war mir
neu, dass dies eine diskriminierende
Bezeichnung sein könnte, schließlich
nennt sich der entsprechende Interes-
senverband in Heidelberg ganz offiziell
„Zentralrat Deutscher Sinti und Roma“.
Zu den Erfolgen des Zentralrats gehört,
dass nahe dem Holocaust-Mahnmal
eine Gedenkstätte für die von den
Nazis ermordeten Sinti und Roma
errichtet wurde. Die Gedenkstätte heißt

genauso: „Denkmal für die im Nationalsozialismus ermor-
deten Sinti und Roma Europas“.
Ich vermute, es geht der bayerischen Polizeiführung da-
rum, Vorurteile zu bekämpfen. Das ist löblich, auch wenn ich
unsicher bin, ob man wirklich so weit gehen sollte, deshalb
die Fahndung umzustellen. Meiner Meinung nach würde es
reichen, wenn man nach außen Zurückhaltung übt.
Ob man bei Straftätern die ethnische Zugehörigkeit nen-
nen darf, wird seit Längerem diskutiert. In Presseartikeln soll
die Herkunft nur dann auftauchen, wenn ein „begründetes
öffentliches Interesse“ besteht. So steht es im Kodex des Pres-
serats, den alle großen Redaktionen unterschrieben haben.
Die Richtlinie wird zunehmend strenger ausgelegt, was
dazu führt, dass viele Redakteure bei Gesetzesübertre-
tungen den Hinweis, woher einer stammt, unter den
Tisch fallen lassen. Die Leser machen sich natürlich
trotzdem ihren Reim auf die Geschichte.
Wenn in einem Artikel davon die Rede ist,
dass die Gäste einer Hochzeitsfeier die
A 3 blockiert haben, um auf der Autobahn zu
feiern, weiß der kundige Leser schon, dass es
sich hierbei nicht um eine normale deutsche
Hochzeitsgesellschaft gehandelt haben dürfte.
Das Entzünden von Feuerwerkskörpern aus
dem Wagen heraus ist hierzulande als Hoch-
zeitsbrauch eher unüblich. Auch gewagte
Bremsmanöver oder qualmende Reifen als
demonstrative Freudenbekundung haben
sich in Deutschland noch nicht wirklich
durchgesetzt.

E


inige Argumente, die für
eine Anonymisierung spre-
chen, sind nicht so leicht von
der Hand zu weisen. Was nützt
es mir, lässt sich fragen, wenn ich erfahre,
dass der auf frischer Tat gestellte Laden-
dieb kein Landsmann, sondern, sagen wir,
Syrer ist? Im Zweifel wird es meine Einstel-
lungen gegenüber Syrern im Allgemei nen
ändern. Das wäre allerdings sehr ungerecht
gegenüber jedem unbescholtenen Flücht-
ling, der sich eher einen Arm ausreißen
würde, als bei Edeka mopsen zu gehen.
Das Problem ist, dass nach dieser Logik
streng genommen auch die Nennung von
Geschlecht oder Alter unterbleiben müsste.
Wenn ich immer wieder zu hören bekom-
me, was Männer so alles Frauen antun,
führt das dazu, dass ich von Männern ins-
gesamt ein schlechtes Bild entwickle.

Roma sein oder


Roma nicht sein


JAN FLEISCHHAUER


Soll man bei Straftätern (oder Verdächtigen)
die ethnische Zugehörigkeit nennen?
Die Polizei in Bayern will künftig darauf
verzichten. Unser Kolumnist ermittelt

Die neue Kolumne im FOCUS

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