Focus - 16.08.2019

(Sean Pound) #1
MITTELSTAND

burg. Er stellte zunächst Pflaster her,
darunter das berühmte Hühneraugen-
pflaster Probat. Anfang des 20. Jahrhun-
derts kam die Folienproduktion dazu. Das
Unternehmen expandierte ins Ausland:
nach Österreich, Frankreich, sogar nach
Japan.
Doch nach dem Mauerfall liefen die
Geschäfte schlechter, 1997 wurde der
Familienbetrieb daher in eine Aktienge-
sellschaft umgewandelt und wenig später
an die Börse gebracht. Das füllte zunächst
die Kassen auf.
Auf die Expansion, neue Werke in
Großbritannien und den USA, folgte
2015 die Insolvenz: Neschen hat-
te sich vollkommen übernom-
men. Die Münchner Blue Cap
AG kaufte 2016 die insolvente
Firma und wandelte sie in die
Neschen Coating GmbH um.
Die Unternehmensführung
hat aus der Pleite ihre Schlüsse
gezogen. Neschen ist nun in drei
Produktsäulen aufgeteilt. Neben
dem Bücher- und dem Industriege-
schäft stellt die Firma auch bedruckte
Folien her. „Wir sind nun nicht davon
abhängig, dass eine Sache gut läuft“,
erklärt Tittgemeyer. Wenn eine Spar-
te schwächelt, können die anderen das
ausgleichen.
Um weiter zu wachsen, will der Fir-
menchef auch den Vertrieb ausbauen.
Neschen Coating verfügt mit der Tochter-
firma Filmolux über ein eigenes Händler-
netz in sieben europäischen Ländern. Der
internationale Vertrieb des Herstellers in
mehr als 70 Ländern läuft aktuell noch
über andere Vertreiber.
„Wir wollen in Zukunft die Vertriebsak-
tivitäten ausbauen“, sagt der Firmenchef.
Intern setzt Tittgemeyer auf Automati-
sierung und Digitalisierung. „Dadurch
werden Prozesse optimiert und die Kun-
denreichweite ausgebaut.“
Es sieht ganz so aus, als wäre die Fir-
ma Neschen GmbH wieder auf dem Weg
nach oben. Für 2019 ist man vor allem
deshalb zuversichtlich, weil die neuen
Zielmärkte das Potenzial der Produkte
weiter ausschöpfen sollen. n

SARA SIEVERT

DIE FIRMA Neschen Coating GmbH
GRÜNDUNG 1889 in Bückeburg
UMSATZ 61 Millionen Euro
MITARBEITER 275
KUNDEN Privat- und Firmenkunden

Made in
Germany
Der Mittelstand
im FOCUS

SERIE, TEIL 15

Foto: Thomas Rocho


FOCUS 34/2019 63

Drei Jahre nach der Insolvenz baut Neschen das Geschäft mit


Klebefolien und Tapeten aus – und will weltweit expandieren


N wie Neustart


D


er wichtigste Termin im Jahr für
Kai Tittgemeyer hat fünf Buch-
staben: F-E-S-P-A. Es handelt
sich dabei um eine internatio-
nale Druck- und Fachmesse,
auf der er die neuesten Produkte seiner
Firma vorstellt.
Tittgemeyer ist Geschäftsführer von
Neschen Coating, einem Folienbeschich-
ter. Das Unternehmen stellt unter ande-
rem Schutzhüllen und Laminatoren für

Bücher her und repariert Bucheinbände.
Außerdem verkauft die Firma selbstkle-
bende Folien für Türen und Wände, ent-
wickelt Klebstoffe und Schutzfolien für
Industrieanlagen. Auf der diesjährigen
Fespa, die Mitte Mai in München statt-
fand, präsentierte der Neschen-Chef erst-
mals auch bedruckbare Tapeten, die im
nächsten Jahr auf den Markt kommen
und das Geschäft weiter wachsen lassen
sollen.
Rund 61 Millionen Euro setzte Neschen
2018 um, ein Plus von acht Prozent im Ver-
gleich zum Vorjahr. Wie hoch der Gewinn
ist, will die Firmenleitung nicht verraten.
Nur so viel: Auch in diesem Jahr soll es
weiter nach oben gehen. „Das Tagesge-
schäft läuft wieder“, sagt Tittgemeyer.
Das war nicht immer so. 1889 gründete
der Apotheker Georg König das Unter-
nehmen im niedersächsischen Bücke-

Folienkönig
Kai Tittgemeyer, 51, ist seit 2016 Geschäfts-
führer von Neschen Coating
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