Focus - 16.08.2019

(Sean Pound) #1
INDUSTRIE

Fotos: Marina Rosa Weigl für FOCUS-Magazin, dpa (3), Philippe Ramakers, Cira Moro


Sabine
Bendiek, 53
Chefin von
Microsoft
Deutschland und auch im
Schaeffler-Aufsichtsrat

Anna Maria
Braun, 39
Chefin des Fa-
milienkonzerns
B. Braun, war zuvor sieben
Jahre in Asien tätig
Dorothee
Blessing, 51
Chefin von
J.P. Morgan
Deutschland, gilt als ein-
flussreichste Bankerin

Sabina
Jeschke, 51
Technik-Vor-
stand bei der
Bahn, hat viele Kontakte
in die Autoindustrie

Claudia
Nemat, 50
Technik-Vor-
stand bei der
Telekom, außerdem im
Airbus-Verwaltungsrat

Tina
Müller, 51
Die Chefin der
Parfümerie-
kette Douglas war zuvor
auch für Opel tätig

Nicola
Leibin-
ger-Kam-
müller, 59
Chefin von Trumpf, hat gu-
ten Kontakt zur Kanzlerin

Melanie
Kreis, 48
Post-Finanz-
vorstand, laut
„Forbes“ einflussreichste
deutsche Managerin

Martina
Merz, 56
Die Chefauf-
seherin von
Thyssenkrupp sitzt in vier
weiteren Aufsichtsräten

Simone Bagel-
Trah, 50
Die Aufsichts-
ratschefin von
Henkel ist gut vernetzt,
sitzt in vielen Gremien

FOCUS 34/2019 65

S


abrina Soussan ist
keine Frau, die un-
bedingt auffallen
will. In die Riege der
Techniker und Ma-
nager, die im Hangar
des Siemens-Prüf-
centers in Wegberg-Wildenrath
(NRW) die neue Berliner S-Bahn
präsentieren wollen, reiht sie sich
mit ihren kurzen Haaren und dem
schwarzen Hosenanzug ein. Nur
die goldenen Absätze ihrer Pumps
wirken extravagant, sind ein klei-
ner Tribut an die Weiblichkeit.
Es ist ein Tag im April. Sous-
san kämpft sich mit ihrem char-
manten französischen Akzent
zunächst durch die Superlative
von der „besten und zuverlässigs-
ten Bahn“. Auf die Karten in ihrer
Hand schaut sie danach kaum
noch. Sobald es um Züge geht,
um Technik, Zahlen und Fakten,
ist Soussan in ihrem Element.
Sabrina Soussan, 50, steht an
der Spitze von Siemens Mobili-
ty, der Zugsparte des Weltkon-
zerns Siemens. Frauen auf dieser
Management-Ebene sind rar in
Deutschland. Und noch seltener
in der Technologiebranche.
„Züge“, sagt sie „sind super
emotional.“ Ein Satz, den man
schon mal von Männern mit Mo-
delleisenbahnen im Keller hört.
Aber selten von Frauen auf gol-
denen Absätzen.
Bislang war Arbeitsdirektorin
Janina Kugel Siemens’ weiblicher
Star. Ihr 5-Jahres-Vertrag wurde
in diesem Sommer „im gegensei-
tigen Einvernehmen“ nicht ver-
längert. Damit verliert das Unter-
nehmen auf einen Schlag 50 Pro-
zent der weiblichen Vorstandsmit-
glieder. Lediglich US-Amerikane-
rin Lisa Davis ist noch da.
Über Kugels Nachfolge will Kon-
zernchef Joe Kaeser erst Ende
2019 entscheiden. Als sicher gilt,
dass eine zweite Frau in den Vor-
stand kommen soll. Hat Sabrina
Soussan das Zeug zur nächsten
„Frau Siemens“?
Sie ist Siemensianerin seit 1997.
Seither ging es für sie in dem
Großkonzern nur aufwärts. Wer
oder was ihr das ermöglicht hat,
darüber will sie nicht spekulie-
ren. Aber sie hat eine Philosophie:
„Wer gegen seine Persönlichkeit
agiert, wird unglücklich. Es geht

Zehn mächtige
Managerinnen

nicht darum, wie ein Mann zu
werden, sondern Frau zu bleiben.
Und Spaß zu haben an dem, was
man macht.“
Unter Spaß verstand die 1969
in Paris geborene Soussan aller-
dings stets etwas anderes als
ihre Geschlechtsgenossinnen.
Mit Barbie-Puppen hat sie nie
gespielt. Stattdessen: Fußball.
Der Vater, ein Unternehmer,
hätte die Tochter gern als Nach-
folgerin gesehen, die Mutter hielt
den Beruf einer Lehrerin für per-
fekt, weil familienkompatibel. Die
junge Sabrina aber entschied sich
dafür, Pilotin zu werden. Motor
trifft Abenteuer. Sie studierte
Luft- und Raumfahrttechnik sowie
Maschinenbau, machte den Flug-
schein und stellte fest, dass die
Technik für sie faszinierender ist
als deren Benutzung.

„Mich hat es nie gestört, einzige
Frau unter Männern zu sein“
Als Ingenieurin bei Renault tes-
tete sie Motoren in Skandinavien
bei minus 40 Grad. „Die ande-
ren Fahrer waren ausschließlich
Männer. Wenn ich aus dem Auto
stieg, staunten alle.“ Einzige Frau
zwischen Männern zu sein „hat
mich nie gestört“.
Soussan wechselte als Projekt-
managerin zu Siemens Automo-
tive in Toulouse. 2002 zog sie
nach Regensburg, heiratete einen
Deutschen und bekam eine Toch-
ter. 2017 schließlich übernahm
die Französin als Doppelspitze
mit Manager Michael Peter die
Siemens-Division Mobility, die
ein Jahr später vom Mutterkon-
zern als eigenständige GmbH
abgespalten wurde. Ganz oben
auf ihrer Agenda stand die Auf-
lösung derselben durch Fusion
mit dem französischen Konkur-
renten Alstom. Doch die EU-Wett-
bewerbshüter untersagten den
Zusammenschluss.
Enttäuscht über Brüssels Nein?
„Wir schauen nach vorn und
machen weiter“, sagt Soussan
nur. „Die Zahlen sprechen für
uns.“ Tatsächlich steht Siemens
Mobility (28 500 Mitarbeiter) auch
ohne Fusion glänzend da. Wäh-
rend in anderen Konzernsparten
die Umsätze sanken, war 2018 für
die Siemens-Tochter das bislang
erfolgreichste Geschäftsjahr. Der

Umsatz ist von 7,25 Milliarden
Euro 2014 binnen fünf Jahren auf
8,76 Milliarden gestiegen. Auch
für 2019 deutet alles auf Wachs-
tum hin.
Soussan hat dazu maßgeblich
beigetragen, etwa durch die
Entscheidung, die Produktion
von Hochgeschwindigkeitszü-
gen nicht Mitbewerbern wie der
chinesischen CRRC zu überlas-
sen. Die Entwicklung des Velaro
Novo, Spitzengeschwindigkeit
360 Stundenkilometer, ist auch
eine Kampfansage: Nein, wir
geben uns nicht mit Regional-
bahnen zufrieden.
Die Russischen Eisenbahnen
haben gerade 13 Züge des Modells
Velaro RUS geordert. Der Auf-
tragswert inklusive Instandhal-
tung für 30 Jahre beträgt 1,1 Milli-
arden Euro. In den Büchern stehen
außerdem etwa 26 Stadtbahnen
für Portland, 20 Lokomotiven für
die Schweiz und 94 U-Bahnen
für die Londoner Piccadilly Line.
Schon wird in der Branche über
einen Börsengang der Siemens
Mobility gemunkelt.
Macht all das die Französin vor-
standstauglich? Intern will man
darüber bei Siemens Mobility
nicht einmal spekulieren: Zu
viel ist seit der stornierten Ver-
schmelzung mit Alstom noch im
Umbruch. Eine größere Umor-
ganisation der Sparte wird für
Dezember erwartet. Und auch
das Thema Fusion ist nicht end-
gültig vom Tisch. Doch verneinen
will man die Frage auch nicht:
Soussan hat sich mit Technik-
leidenschaft, Fachwissen und
ihrer unprätentiösen Art gerade
bei der männlichen Belegschaft
viel Anerkennung erarbeitet. Man
würde ihr den Aufstieg gönnen.
„Ich mach das perfekt, ich mach
das perfekt“, murmelt Soussan
vor sich hin, während sie den
S-Bahn-Prototyp auf dem Test-
ring des nordrhein-westfälischen
Prüfcenters in Richtung Bahn-
steig lenkt. Keiner der Männer
vor ihr am Fahrpult hatte den Zug
bislang passgenau gestoppt, die
meisten bremsten zu spät. Sous-
san dagegen stoppt zu früh, muss
nachjustieren. Laut lacht sie auf:
„Ich war super!“ n

BEATE STROBEL
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