Focus - 16.08.2019

(Sean Pound) #1
TITEL

Fotos: Sonja Och für FOCUS-Magazin, akg-images (2), dpa (2), ullstein bild, bpk


FOCUS 34/2019 79

Freien verbringen, fehlt es ihnen an Tageslicht.
Das Ergebnis: War in China in den 1960er-Jah-
ren nur jeder Fünfte kurzsichtig, leiden heute
95 Prozent der chinesischen Jugendlichen an
der Sehschwäche.
Warum ist Kurzsichtigkeit ein Problem?
Je länger der Augapfel ist, desto dünnwandi-
ger wird das Auge. Menschen, die an einer star-
ken Kurzsichtigkeit (stärker als minus sechs
Dioptrien) leiden, sind zudem anfälliger für den
grünen und den grauen Star, für Wassereinlage-
rungen in der Makula (dem Netzhautbereich mit
der höchsten Dichte an Sehzellen) sowie für die
Degeneration oder gar Ablösung der Netzhaut.
Auch wenn die Fehlsichtigkeit durch eine Brille
oder durch Kontaktlinsen korrigiert wird, bleibt
das Risiko, an diesen Augenleiden zu erkran-
ken, bestehen, weil sich die Größe des Aug-
apfels dadurch nicht ändert.
Gibt es eine Behandlung?
Nein. Zwar hat man in Asien erste Erfahrun-
gen mit atropinhaltigen Augentropfen gesam-
melt, für Europa fehlen jedoch Studien. In der
Natur kommt Atropin als Gift der Tollkirsche vor.
Wie kann man Kurzsichtigkeit verhindern?
Experten geben die klare Empfehlung, Kin-
der so oft und so lange wie möglich ins Freie zu
lassen, mindestens zwei Stunden pro Tag. Nah-
arbeit und zu häufiges Starren auf das Smart-
phone sind eher kontraproduktiv.
Und Erwachsene?
Die können sich nur mit ihrer Kurzsichtigkeit
arrangieren. Aber auch ihnen tut es gut, sich
immer wieder vom Computer abzuwenden und
den Blick in die Ferne schweifen zu lassen. 

Eine kurze Geschichte der Brille


Der Mathematiker Archimedes soll schon im dritten
Jahrhundert v. Chr. die Brechung von Linsen berechnet haben

Die Nietbrille, entstanden um
1285 im Raum Venedig, war die
erste binokulare Sehhilfe. Der Maler
Friedrich Herlin verpasste ein solches
Modell dem heiligen Petrus auf
seinem 1466 vollendeten Altarbild.

»Die neuen Linsen sind die
ideale Lösung für das Leben
im digitalen Zeitalter«

Armin Scharrer, Augenarzt in Fürth und Vorsitzender im
Bundesverband Deutscher Ophthalmochirurgen

Die Bügelbrille folgte der Nietbrille.
Die Gläser wurden nicht mehr
durch ein Nietgelenk, sondern durch
einen starren Bügel verbunden.
Brille und Holzetui links stammen
aus dem 17. Jahrhundert.

Der Lesestein, eine dicke, konvexe
Linse, geht wohl auf den 1040 in Kairo
verstorbenen Wissenschaftler Alhazen
zurück. Das Foto zeigt ein Exemplar
auf einem sächsischen Arzneimittel-
rezept des 18. Jahrhunderts.

Das Monokel, eine zur Korrektur der
Kurzsichtigkeit geschliffene Linse,
wurde im 19. Jahrhundert zu einer Art
Statussymbol der Mächtigen und der
Gebildeten. Links der britische Politi-
ker Joseph Chamberlain 1903.

Farbige Kontaktlinsen machte
etwa der US-amerikanische Rock-
musiker Marilyn Manson zu extra-
vaganten Accessoires der Popkultur.
Sie sind selbstverständlich auch
ohne Dioptrien erhältlich.

Heinz Erhardts Brillen zählten zu
den Erkennungszeichen des 1979
verstorbenen Komikers. Sie wurden
später extra nachproduziert. Einige
Zeit trugen derartige Hornbrillen
den Beinamen „Kassengestell“.
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