Der Spiegel - 17.08.2019

(singke) #1

SPIEGEL: Herr Kerkhoff, Thyssenkrupp
droht aus dem Dax zu rutschen. Die Leis-
tung reicht nicht mehr für einen Platz un-
ter den 30 wichtigsten Unternehmen in
Deutschland. Schmerzt das?
Kerkhoff:Ja, das ist nicht schön. Aber man
muss sich da von Eitelkeiten freimachen.
Es gibt gerade Wichtigeres, als der Zuge-
hörigkeit zu einem Index nachzutrauern.
Wir haben enormen Gegenwind und müs-
sen wegweisende Entscheidungen treffen.
Die Lage ist nicht gut.
SPIEGEL: Das ist untertrieben. Thyssen-
krupp steckt in einer existenziellen Krise.
Das Management wirkt getrieben und
scheint die Lage kaum im Griff zu haben.
Kerkhoff: Das stimmt so nicht. Wir hatten
immer einen klaren Plan. Aber durch die
milliardenschweren Fehlinvestitionen in
der Vergangenheit ist die Finanzsituation


seit acht Jahren angespannt. Wir konnten
seitdem immer nur kleine Schritte ma-
chen. Einige davon sind schiefgegangen.
Viele haben aber auch geklappt.
SPIEGEL:Ihr Unternehmen hat in den
ersten neun Monaten des Geschäftsjahres
2,5 Milliarden Euro an Cash verbrannt,
und Sie haben die Beschäftigten aufgefor-
dert, Büromaterial zu sparen. Ist das nicht
Ausdruck höchster Hilflosigkeit?
Kerkhoff: Nein, das ist ja nur eine Maß-
nahme von vielen. Natürlich kann man
einen negativen Cashflow in dieser Höhe
nicht damit ausgleichen, dass man bei
den Bleistiften spart. Man muss aber
genauer hinsehen. Wir spüren harten
konjunkturellen Gegenwind, vor allem
in unseren Werkstoffgeschäften. Da steu-
ern wir mit Macht dagegen. Zur Wahrheit
gehört aber auch, dass sich andere Berei-

che behauptet haben und besser sind als
im Vorjahr.
SPIEGEL: Diese Melodie kennen wir bei
Thyssenkrupp seit Jahren. Alles läuft gut,
aber es gibt immer auch ein oder zwei
Geschäftsfelder, die den Konzern in die
Krise ziehen. Mal ist es der Schiffbau, mal
die Autoteile oder der Stahl. Aktionäre
fordern schon lange, den Konzern zu zer-
schlagen. Ist es nicht Zeit?
Kerkhoff:Das ist mir zu sehr schwarz-
weiß gedacht. Wenn Sie sich unsere neue
Strategie ansehen, tun wir, was das jeweils
Beste für unsere Geschäfte ist. Zerschla-
gung oder Konglomerat, diese Frage stellt
sich für mich nicht. Wir wollten den Stahl
in ein Gemeinschaftsunternehmen mit
dem indischen Tata-Konzern führen und
sind an den Kartellbehörden gescheitert.
Wir werden nun unsere Aufzugsparte an

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Wirtschaft

»Keine Krise war schon Party«


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DOMINIK ASBACH / DER SPIEGEL
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