Die Welt - 13.08.2019

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ie heftigen Proteste gegen
die Regierung in Hong-
kong haben zur Einstel-
lung des Flugverkehrs auf
einem der weltweit wich-
tigsten Airports geführt. Zugleich warnte
die Regierung in Peking, die Gewalt bei
den Demonstrationen in der chinesi-
schen Sonderverwaltungszone zeige ers-
te Zeichen von Terrorismus. In der
Nachbarstadt Shenzhen wurden der amt-
lichen Zeitung „Global Times“ zufolge
Einheiten der bewaffneten Volkspolizei
mit gepanzerten Fahrzeugen für eine
Übung zusammengezogen.
Am Montag hielten die Demonstran-
ten zunächst den vierten Tag in Folge die
Ankunftshalle des Flughafens besetzt.
Bei den friedlichen Protesten skandier-
ten sie Slogans und verteilten Flugblätter
an die Passagiere, in denen sie ihre For-
derungen auflisteten und ihre Sicht des
Konflikts darlegten. Der Polizei zufolge
weiteten die etwa 5000 Demonstranten
dann ihre Proteste auf die Abflughalle
aus. Der Betreiber des Airports kündigte
eine Streichung aller Flüge an. Der Flug-
betrieb werde am Dienstag um sechs Uhr
(Ortszeit) wieder aufgenommen, teilte
der Flughafen mit. Die Ausfälle verur-
sachten Chaos. Mitarbeiter rieten Passa-
gieren, den Flughafen zu verlassen, doch
draußen stand der Verkehr fast still, und

öffentliche Verkehrsmittel waren über-
füllt. Dem Branchenverband ACI zufolge
ist Hongkong der größte Fracht- und
achtgrößte Passagierflughafen der Welt.
Schwarz gekleidete Aktivisten skan-
dierten im Flughafen Parolen. Die Polizei
solle einer Demonstrantin, die am Wo-
chenende durch ein Gummigeschoss
schwer im Gesicht verletzt worden war,
ihr Auge „zurückgeben“. Viele der De-
monstranten trugen aus Protest Augen-
binden mit roter Farbe. Ein Flugbeglei-
ter, der an seinem freien Tag am Flugha-
fen protestierte, sagte, das harte Vorge-
hen der Polizei gegen die prodemokrati-
schen Proteste in den vergangenen Wo-
chen sei für manche Bürger befremdlich.
Der Chef der Hongkonger Fluggesell-
schaft Cathay Pacific, Rupert Hogg, kün-
digte in einem internen Memo „diszipli-
narische Konsequenzen“ für Mitarbeiter
an, die sich an „illegalen Protesten“ be-
teiligen. Unternehmen von Luxusbeklei-
dungsmarken bis zu Bubble-Tea-Läden
stehen unter Druck, sich von den Protes-
ten zu distanzieren und die Position der
herrschenden Kommunistischen Partei
zu Hongkong öffentlich zu unterstützen.
Die Hongkonger Polizei führte am
Montag demonstrativ ihre Wasserwerfer
vor. Zu der Präsentation waren Abgeord-
nete und Journalisten eingeladen. Die
Menschenrechtsorganisation Amnesty

International hatte kürzlich gewarnt, der
falsche Gebrauch solcher Mittel könne in
den engen Straßen Hongkongs zu schwe-
ren Verletzungen führen.
Am Wochenende hatte die Polizei ge-
gen die Protestierenden in einem Bahn-
hof und mehreren Stadtvierteln Tränen-
gas eingesetzt. Die Website „Hongkong
Free Press“ zeigte Aufnahmen einer
Festnahme, an der sich offenbar auch als
Demonstranten verkleidete Polizisten
beteiligten. Der festgenommene junge

Mann hatte eine blutende Wunde am
Kopf und sagte, ihm sei ein Zahn abge-
brochen. Die Polizei berichtete, auch in
ihren Reihen habe es Verletzte gegeben,
unter anderem durch Laserpointer und
einen Molotowcocktail. Ein Sprecher der
für Hongkong und Macau zuständigen
Behörde der Regierung in Peking erklär-
te, die Demonstranten hätten „häufig ex-
trem gefährliche Werkzeuge eingesetzt,
um die Polizei anzugreifen“. Dabei hand-
le es sich um schwere Verbrechen, bei de-
nen „Sprösslinge des Terrorismus“ auf-
keimten. „Hongkong steht am Scheide-
weg“, sagte der Sprecher. Wem die Zu-
kunft der Stadt am Herzen liege, müsse
aller Gewalt und allen gewalttätigen Per-
sonen eine Absage erteilen.
Die Proteste hatten sich an Plänen der
Regierung für ein Gesetz zur Ausliefe-
rung an China entzündet. Regierungs-
chefin Carrie Lam hat den Entwurf zwar
für tot erklärt. Dennoch weiten sich die
Proteste seit Mitte Juni aus. Mittlerweile
fordern die Demonstranten den Rück-
tritt Lams, der sie zu große Nähe zur
Führung in Peking vorwerfen. Der frühe-
ren britischen Kronkolonie Hongkong
wurden bei der Übergabe an China 1997
besondere Rechte wie das der freien Mei-
nungsäußerung eingeräumt. Diese Rech-
te sehen die Regierungskritiker gefähr-
det. rtr/AP/dpa Kommentar Seite 8

Gewalt in Hongkong eskaliert,


Flughafen lahmgelegt


China spricht von „ersten Anzeichen von Terrorismus“ bei Demonstranten. Volkspolizei übt


demonstrativ mit gepanzerten Fahrzeugen in der Nähe der Metropole. Protest geht weiter


„Das Auge zurückgeben“: Aus Solidarität mit einer durch Gummigeschosse verletzten Demonstrantin trägt dieser Mann eine Augenbinde mit roter Farbe


AP

/ KIN CHEUNG

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13.08.19 Dienstag, 13. August 2019DWBE-HP



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H


ersteller von Wegwerf-
artikeln sollen nach
dem Willen von Svenja
Schulze künftig eine Abgabe für
ihre Produkte bezahlen, denn
bisher kam die Allgemeinheit
für die Beseitigung des Mülls
auf. Zunächst muss aber die
Frage geklärt werden, was ei-
gentlich kein Wegwerfartikel
ist? Alles, was so schwer wiegt,
dass man es nicht mit einer
unwirschen Handbewegung
wegschleudern kann, ist mit
großer Wahrscheinlichkeit kein
Wegwerfartikel. Waschmaschi-
nen, Stereoanlagen, Thermo-
mixe oder Schrankwände sind
zur spontanen Entsorgung eher
ungeeignet. Anders sieht es bei
Coffee-to-go-Bechern und Ziga-
retten aus, die bereits ein Vier-
tel der Fläche der Bundes-
republik bedecken. Das hat
katastrophale Folgen. Giftige
Stoffe aus Zigarettenfiltern
sickern ins Grundwasser, Kaf-
feereste aus Pappbechern eben-
falls. An vielen Orten ist der
Boden bereits so stark mit
Koffein angereichert, dass
Pflanzen dort keine Ruhe mehr
finden. Wenn die Hersteller die
Abgabe vermeiden wollen, müs-
sen sie in Zukunft Zigaretten so
schwer machen, dass man sie
nicht mehr wegwerfen kann.

ZZZippert zapptippert zappt


SchlussSchlussSchlussSchlussSchluss EZB-KursEZB-Kurs ��.�� Uhr��.�� Uhr��.�� Uhr��.�� Uhr��.�� Uhr

Dax Euro Dow Jones

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US-$
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DAX


Im Minus


Seite 15


W


egen eines Defekts an
einem Luftwaffen-Airbus hat
Bundesaußenminister Heiko
Maas (SPD) auf ein Ersatzflugzeug nach
New York umsteigen müssen. Statt wie
geplant mit einem A321 brach der Minis-
ter am Montagnachmittag vom militäri-
schen Teil des Flughafens Berlin-Tegel
mit einer kleineren Ersatzmaschine – ei-
nem Airbus des Typs A319 – zu seiner
viertägigen Nordamerikareise auf. Es war
für den Minister bereits die vierte Panne
innerhalb eines halben Jahres. Die Er-
satzmaschine mit Maas startete etwa ei-
ne halbe Stunde später als geplant. Um
welche Art von Defekt es sich handelte,

wollte eine Sprecherin des Auswärtigen
Amtes auf Anfrage nicht sagen.
Die Flugbereitschaft der Bundeswehr
war in den vergangenen Monaten immer
wieder in den Schlagzeilen. Ende Mai
musste Bundespräsident Frank-Walter
Steinmeier wegen einer gerissenen
Cockpitscheibe auf einen Privatjet um-
steigen. Die Bundesregierung hat inzwi-
schen Konsequenzen aus den Pannen
gezogen und die Beschaffung von drei
neuen Langstreckenmaschinen in Auf-
trag gegeben.
Maas hatte zuletzt drei Mal innerhalb
von nur drei Monaten wegen Flugzeug-
pannenVerspätungen hinnehmen müs-

sen. Mitte Mai traf er wegen einer tech-
nischen Störung mit einer Verspätung
von etwa 70 Minuten zu seinem Antritts-
besuch in Bulgarien ein. Ende Februar
blieb Maas zum Abschluss einer Afrika-
reise in der malischen Hauptstadt Bama-
ko liegen. 20 Stunden musste er dort auf
ein Ersatzflugzeug warten. Anfang April
hatte er bei der Landung in New York ei-
ne Reifenpanne. Er musste mehr als eine
Stunde lang in dem Airbus A340 warten,
bis er aussteigen konnte, und verpasste
deswegen den Auftakt einer informellen
Sitzung des UN-Sicherheitsrats. Davor
war er fast ein Jahr lang rund 300.000 Ki-
lometer störungsfrei geflogen.

Zum Auftakt seiner Nordamerikareise
warb Maas für eine Stärkung der interna-
tionalen Zusammenarbeit. „Wenn wir
nicht vernetzt und global die schwierigen
Aufgaben der nächsten Jahre und Jahr-
zehnte angehen, werden am Ende alle
verlieren. Zuerst die Schwächsten – am
Ende aber auch die Starken“, sagte er vor
seinem Abflug nach New York. „Ohne ei-
ne starke globale Ordnung werden wir
nicht bestehen.“
In New York wird er am Dienstag zu-
nächst an einer Sitzung des UN-Sicher-
heitsrats zum Schutz der Zivilbevölke-
rung in Konflikten teilnehmen. Deutsch-
land ist seit dem 1. Januar für zwei Jahre

Mitglied im Sicherheitsrat. Mit seinem
Besuch in New York will Maas auch den
polnischen Vorsitz unterstützen und die
Zusammenarbeit der europäischen Mit-
glieder des Gremiums stärken.
Am Nachmittag (Ortszeit) reist der
SPD-Politiker nach Kanada weiter, wo er
zusammen mit der kanadischen Außen-
ministerin Chrystia Freeland die von
ihm initiierte „Allianz der Multilateralis-
ten“ voranbringen will. Letzte Station
der viertägigen Reise ist die kanadische
Arktis. In Pond Inlet, einer Inuit-Sied-
lung mit nur 1300 Einwohnern, will er
sich über die Folgen des Klimawandels
informieren. DPA

Schon wieder


Das vierte Mal in sechs Monaten – Außenminister Maas muss wegen eines Defekts am Luftwaffen-Airbus Ersatzflieger nehmen


KUNDENSERVICE 0 8 0 0 / 9358537 DIENSTAG,13.AUGUST


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Die Lufthansastrich wegen der
Proteste am Airport mehrere Flü-
ge in die Millionenmetropole Hong-
kong. Die Entscheidung gelte zu-
nächst nur für den Montag, die
Lage müsse in den Folgetagen neu
bewertet werden, hieß es. Das
Auswärtige Amträt angesichts
der aktuellen Lage in Hongkong
dazu, lokale Medien zu verfolgen,
Demonstrationen und Menschen-
ansammlungen weiträumig zu
meiden und den Anweisungen der
Sicherheitskräfte Folge zu leisten.

Lufthansa: Mehrere


Flüge gestrichen


D


ie Spitzensteuersatzzahler
sind Verachtung gewohnt.
Wann immer sich irgendwo
eine soziale Ungerechtigkeit auftut,
die mit Steuergeldernkorrigiert wer-
den sollte, zeigen die Finger nach
oben. Zu jenem Teil der deutschen
Steuergesellschaft, der seit Jahren
und Jahrzehnten dieses Land trägt
und maßgeblich finanziert. Dafür
gibt es weder Dankbarkeit noch An-
erkennung, sondern im gleichheits-
seligen Deutschland eher Neid und
Gehässigkeit.
Jetzt wird über die Abschaffung des
Solidaritätszuschlags gesprochen, der
dringend zu erfolgen hat, und die po-
puläre Logik des Entwurfs von Vize-
kanzler Olaf Scholzist es, das Land zu
spalten: in die 90-Prozent-Mehrheit,
die davon profitieren soll, und jene
zehn Prozent, deren strukturelle und
groteske Benachteiligung über eine
viel zu hohe Abgabenlast perpetuiert
werden soll. So was kommt natürlich
gut an, besonders bei jenen, die ent-
lastet werden. Es verdeutlicht aber
auch, dass man die Zumutungstole-
ranz der Spitzenverdiener wohl rea-
listisch einschätzt: Die haben den
Glauben an Leistungsgerechtigkeit
weithin aufgegeben. Sie haben ein iro-
nisch bis sarkastisches Verhältnis zu
Steuergeschenken und Verschwen-
dungen entwickelt. Die Spitzenver-
diener haben keine Lobby: nur sich
selbst. Die Verbitterten schielen zur
AfD, weil es ihnen einfach reicht –
und nicht nur bei den Steuern.
Der Staat nimmt gerade circa 800
Milliarden Euro ein. Der Sozialetat
scheint einer eitel opportunistischen
Allmachtsfantasie entsprungen. Es ist
richtig, wenn die FDPjetzt nach einer
Senkung des Solis für alle ruft und
den Gang nach Karlsruhe ankündigt.
Drastischer als der Sarkasmus der
Topverdiener, die ihre erschwitzten
Milliarden in den Bundeshaushalt
stiften, ist die Neigung, sich irgend-
wann aus diesem Land zu verziehen.
Es gibt auch in Europa schöne Alter-
nativen. Die Schweiz ist die nächstlie-
gende, aber vielleicht wird ein wirt-
schaftsliberales Großbritannien ein
nächster Fluchtpunkt. Im Wahlkampf
gewinnt man mit Verständnis für die
Topverdiener keinen Blumentopf,
auch weil in den Medien der Wohlha-
bende als Schreckgespenst inszeniert
wird. Auch kluge Mainstreammedien
kommen dann schnell mit den Kli-
schees Villa, Porsche, Rolex, pfui.
Steuersenkungen für alle sind im-
mer richtig. Der Staathat nicht zu
wenig, sondern zu viel Geld. Eine
künftige Steuerreform kann gerne
auch im Sinne eines ökologischen
Umbaus konzipiert werden. Solch ei-
ne Reform würde Bürgerliche beloh-
nen, die heute oft schon umwelt-
freundlicher leben als viele grüne
Scheinheilige aus dem Easy-Jetset.

KOMMENTAR


Die obersten


zehn Prozent


[email protected]


ULF POSCHARDT

**D2,80EUROB Nr. 187


DW_DirDW_DirDW_Dir/DW/DW/DW/DW/DWBE-HP/DWBE-HP
13.08.1913.08.1913.08.19/1/1/1/1/TIBE/TIBE DSCHWENK 5% 25% 50% 75% 95%

A


ngesichts eines Macht-
apparats wie des saudi-
arabischen, der gegen
jede auch nur im Ansatz re-
gimekritische Stimme vorgeht,
wird aus manchem Journalisten
ein Menschenrechtsaktivist. So
auch Fadhel al-Manasef,Autor
und Fotograf, der am 2. Okto-
ber 2011 verhaftet wurde. Al-
Manasef wollte einem Freund
namens Hasan al-Zayd bei-
stehen. Er ging zur Polizei-
station, auf der man den Herz-
kranken festhielt, und erklärte,
die Verhaftung sei nicht recht-
mäßig. Al-Zayd wurde ins Kran-
kenhaus gebracht – al-Manasef
folgte und wurde an einem
Kontrollpunkt der Polizei
plötzlich selbst verhaftet.
In der Anklageschrift hieß es,
al-Manasef habe Material ver-
breitet, das „schädlich für die
öffentliche Ordnung und die
Moral“ sei. Er habe Fotos von
Protestaktionen in sozialen
Medien gepostet, um „Chaos zu
verbreiten“. Und er habe „un-
faire und beleidigende“ Artikel
über die Regierung geschrieben
sowie mit ausländischen Me-
dien kooperiert. Fast ein Jahr
durfte al-Manasef keinen Be-
such von seiner Familie emp-
fangen. Im Prozess klagte al-
Manasef über Folter und Ein-
zelhaft. Er wurde zu 15 Jahren
Haft, einer 15-jährigen Reise-
sperre und einer Geldstrafe von
rund 26.000 Dollar verurteilt.
Im Berufungsprozess wurde die
Strafe auf 14 Jahre reduziert.

#Free Free


them


all


Fadhel al-Manasef


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