Die Welt - 13.08.2019

(nextflipdebug5) #1

S


o etwas ist in Parteien nor-
mal: Ein mittlerer Funktio-
när macht sich im Hinter-
zimmer wichtig und erzählt,
was er für die beste Strate-
gie bei der anstehenden Vorstandswahl
hält. Das hat auch der AfD-Bundestags-
abgeordnete Dirk Spaniel, Co-Lande-
schef in Baden-Württemberg, Mitte Mai
gemacht. Überhaupt nicht normal aber
war, dass Spaniels Ausführungen heim-
lich mitgeschnitten, in der vergangenen
Woche als Audio-Datei anonym an Me-
dien verschickt und alsbald auf einer In-
ternet-Seite mit aufpoppender Porno-
Reklame veröffentlicht wurden.

VON MATTHIAS KAMANN

Inhaltlich zeigt der Vorgang, wie
schwer sich der rechte Partei-„Flügel“,
dem Spaniel zuzurechnen ist, bei der
Vorbereitung auf die Neuwahl des Bun-
desvorstands Ende November tut. Dann
wird voraussichtlich ein Platz an der
AfD-Doppelspitze frei. Während der
weniger radikale Parteichef und Euro-
paabgeordnete Jörg Meuthen wieder
antreten wird, möchte der andere, Ale-
xander Gauland, das Amt aus Alters-
gründen abgeben und sich auf den Frak-
tionsvorsitz beschränken. Den Platz des
78-Jährigen könnten die Völkischen be-
anspruchen.
Aber: Der „Flügel“ hat bisher keinen
Kandidaten. Der informelle Anführer,
Thüringens Landeschef Björn Höcke,
scheint nicht zu wollen. Und schon ab-
gewinkt hat der zweite Mann dieser
Strömung, der Brandenburger Partei-
und Fraktionschef Andreas Kalbitz, der
nur sein bisheriges Amt als Vorstands-
mitglied verteidigen möchte.
Höcke und Kalbitz wurden von Spa-
niel in jener Hinterzimmerrunde Mitte
Mai denn auch gleich aussortiert. Statt
aber nach einem anderen „Flügel“-Ver-
treter zu suchen, widmete sich Spaniel
der Frage, mit welchem „gemäßigten“
Bundeschef die radikalen Rechten denn
leben könnten. Er wolle Meuthen „nicht
gern sehen“, sagte Spaniel. Meuthen,
mit dem er sich im Dauerkrieg des ba-
den-württembergischen Landesverban-
des völlig verkracht hat, würde als wie-
dergewählter Bundeschef „mit 100-pro-
zentiger Sicherheit in der nächsten Bun-
destagsfraktion den Anspruch auf den
Fraktionsvorsitz erheben“ – und dann,
so Spaniel, werde es „sehr heftig werden
müssen, um ihn davon abzubringen“.
Viel besser wäre es, den Berliner Lan-
desvorsitzenden Georg Pazderski, der-
zeit Bundesvize, als Parteichef „zu in-
stallieren“. Pazderski, der eigentlich als
gemäßigt gilt, sei „von seinen Zielen her
ein beinharter ‚Flügler‘“ und „könnte
uns auf dem Weg zur Macht nützlich
sein“, sagte Spaniel. Er habe mit Paz-
derski „ein persönliches Gespräch ge-
führt“ und sei „sehr dicke mit ihm“.
Dass Spaniels Plan realistisch ist,
lässt sich bezweifeln – Pazderski jeden-
falls sagte am Montag, er sei mit Spaniel
„überhaupt nicht dicke“ und habe mit
ihm „über diese Dinge nicht gespro-
chen“. Sehr heftig fiel bereits am Frei-
tag Meuthens Reaktion aus: Die Aufnah-
me zeige, „wie hochgradig toxisch die-
ser Mann Dirk Spaniel agiert“, sagte
Meuthen der „FAZ“. Spaniel hinterlasse
„verbrannte Erde“ und ordne „seinen
Machtfantasien restlos alles unter“.
Bei alldem aber fragt sich: Wer könn-
te in der Partei ein Interesse daran ha-
ben, die vertraulich geäußerten Fan-
tasien des Dirk Spaniel nach außen zu
tragen? Er selbst meint, dass „die Art
der Veröffentlichung auf eine kriminelle
Absicht schließen“ lasse, wie Spaniels
Büro am Montag auf WELT-Anfrage
mitteilte. Spaniel habe jenes Gespräch

mit „drei anderen Personen“ geführt,
über deren Identität er keine Angaben
machen wolle, solange das Leak „von
der Staatsanwaltschaft bearbeitet“ wer-
de. Der „Täterkreis“ lasse sich aber „auf
eine Person eingrenzen, sofern die Auf-
nahme nicht von außerhalb erfolgte“.
Weiterhin teilte das Büro mit, bei Spa-
niel hätten sich „im Laufe des Wochen-
endes Personen gemeldet, welche be-
richten, dass die Aufnahme bereits seit
Ende Mai, also kurz nach Aufzeichnung,
einzelnen Mitgliedern des Landesver-
bandes Berlin vorlag“.
Noch dubioser wird es, wenn man
sich mit der Veröffentlichung des Mit-
schnitts im Internet befasst. Verant-
wortlich zeichnet dort eine Gruppe, die
sich „Bewahrer des Flügels“ nennt und
empört zeigt, dass Spaniel durch seine
Pazderski-Gedankenspiele angeblich
die Kandidatur Höckes als Bundespar-
teichef infrage gestellt habe. Aber: Eine
Gruppe namens „Bewahrer des Flügels“
ist in der AfD unbekannt. Spaniels Büro
mutmaßt, da agiere jemand unter fal-
scher Flagge: „Die Art der Aufmachung
des Schreibens, welches darauf abzielt,

Mitglieder des ,Flügels‘ gegen Herrn
Spaniel aufzuhetzen, sowie die explizite
Forderung, dass Herr Höcke für den
Bundesvorstand kandidieren solle, er-
weckt den Eindruck, dass es sich hierbei
um eine ‚False Flag‘-Aktion parteiinter-
ner Konkurrenten handelt.“ Der echte
„Flügel“ jedenfalls habe mit der Veröf-
fentlichung „absolut nichts zu tun“.
So bleibt vorerst dieses Resümee:
Spaniel hat sich als Gegner Meuthens
geoutet – und Meuthen als Spaniels
Gegner. Und es wird deutlich, wie rabiat
es in der Partei zur Sache geht. Dies
aber hat zwei Seiten: Zum einen musste
Spaniel erleben, was ihm widerfährt,
wenn er seine Überlegungen im kleinen
Kreis ausspricht. Zum anderen aber
zeigt sich, wie radikal in Teilen des tat-
sächlichen „Flügels“ gedacht wird.
Denn mit seiner Abneigung gegen
Meuthen, der sich mehrfach für die Ab-
grenzung von extremen Rechten ausge-
sprochen hat, ist Spaniel auf der AfD-
Außenbahn keineswegs allein, und jetzt
radikalisiert er sich noch mehr. Denn
„inzwischen“, so Spaniels Büro, habe er
„von Herrn Pazderski eine andere Mei-

nung“, weil dieser sich kürzlich dem
Aufruf von rund 100 AfD-Funktionsträ-
gern gegen Höcke angeschlossen hatte.
Fraktionschefin Alice Weidel wiederum,
die von Spaniel im Hinterzimmer noch
kritisiert worden war, ist in seiner Ach-
tung mittlerweile gestiegen. Weidel, die
sich jüngst dem Höcke-Lager angenä-
hert hat, habe „inzwischen aufgrund ih-
rer professionellen Arbeit und ihrer of-
fensichtlichen Intelligenz den Respekt
durch Herrn Spaniel nach anfänglicher
Skepsis voll verdient“.
Offen ist nun, ob sich innerhalb des
rechten Lagers Spaniels Verschär-
fffungslogik durchsetzt – hart gegen alleungslogik durchsetzt – hart gegen alle
„Gemäßigten“ wie Meuthen und Paz-
derski – oder ob diejenigen die Ober-
hand behalten, die sich mit Meuthen
arrangieren wollen. Der „Flügel“ ist
gespalten: Es gibt Kompromisslose,
und es gibt jene, die Meuthen akzep-
tieren würden und sich neben ihm an
der AfD-Doppelspitze den Bundes-
tagsabgeordneten Tino Chrupalla vor-
stellen können. Chrupalla werden
„Flügel“-Treue und eine strategische
Intelligenz nachgesagt.

Allerdings fragt sich, ob solche Deals
zwischen den Lagern in der Partei noch
Zukunft haben. Denn schon regen sich
jene, die Parteitagsarrangements ableh-
nen und alle Macht der leicht erregba-
ren AfD-Basis geben wollen. Der bayeri-
sche Bundestagsabgeordnete Hansjörg
Müller hat in der vergangenen Woche
im Internet unter der Adresse mitglie-
derparteitag.de einen Aufruf veröffent-
licht, wonach es künftig in der Bundes-
partei keine Delegiertenparteitage, son-
dern nur noch solche geben soll, wo alle
Mitglieder kommen und abstimmen
können. Mitgliederparteitage gibt es in
der AfD oft in Landesverbänden; da sind
sie Radikalisierungsmotoren.
Die „Resonanz“ auf den Aufruf emp-
finde er als „außerordentlich groß“, sag-
te Müller WELT. „Schon am vierten Tag
nach der Veröffentlichung haben 460
AfD-Mitglieder und zehn Kreisverbände
den Aufruf unterzeichnet.“ Deshalb, so
der Parlamentarische Geschäftsführer
der Bundestagsfraktion, sei er „sehr op-
timistisch, dass es wie geplant bis Ende
August gelingt, auf die Zahl von knapp
1100 Mitgliedern zu kommen, die laut
unserer Parteisatzung nötig ist, um ei-
nen Mitgliederentscheid abzuhalten,
der dann verpflichtenden Charakter
hat.“ Käme es zu einem Mitglieder-
entscheid und dabei dann zu einer
Mehrheit in Müllers Sinne, dann müss-
ten künftig alle AfD-Bundesparteitage
sämtlichen Mitgliedern offenstehen.
„Hektik“ wolle er aber vermeiden,
betonte Müller, das neue System solle
erst ab 2020 eingeführt würden, sodass
der nächste Parteitag Ende 2019 noch
aus Delegierten bestehe. „Danach aber
möchte ich das Delegiertensystem ab-
schaffen, da es die Oligarchisierung der
AfD befördert“, sagte Müller. Denn
wenn es nur jeweils rund 600 Delegier-
te gebe, könnten diese „durch die Par-
teiführung leicht eingenordet werden,
sodass es auch in der AfD zu etwas kä-
me, was sich bei allen anderen Parteien
findet“. Dass nämlich „eine vergleichs-
weise kleine Führungsriege alles von
oben herab steuert und ihren Angehöri-
gen Posten und Vorteile verschafft“.
Wenn dies nicht aufgehalten werde,
„hätten wir uns die Arbeit mit dem Auf-
bau der AfD als einer Partei von Bürgern
für Bürger sparen können“, sagt Müller.
Zwar wisse er auch um die Nachteile
von Mitgliederparteitagen, wozu neben
„organisatorischen Problemen“ auch
gehöre, „dass die Zusammensetzung
solcher Parteitage dem Zufall oder auch
bestimmten Interessen unterliegen
kann“. Tatsächlich hängen bei solchen
Veranstaltungen die Mehrheiten leicht
davon ab, welches Lager die meisten
Busse zum Herbeikarren der eigenen
Klientel einsetzt oder in welcher Region


  • ob eher gemäßigt oder eher radikal –
    das Riesentreffen dann stattfindet.
    „In der Abwägung aber sind die
    Nachteile von Delegiertenparteitagen
    größer“, findet Müller. Zudem würden
    ihm jetzt auch schon „intern viele Vor-
    schläge unterbreitet, wie man jene
    Nachteile von Mitgliederparteitagen
    minimieren kann und welche anderen
    Wege zur Verhinderung einer Oligarchi-
    sierung es sonst noch geben könnte“.
    Diese Vorschläge sammle er derzeit und
    werde sie demnächst in die innerpartei-
    liche Diskussion tragen.
    Bisher konnte der „Flügel“ in der AfD
    seine wichtigsten Erfolge meist auf Mit-
    gliederparteitagen erzielen. So war es
    schon in vielen Landesverbänden und
    2015 auch auf Bundesebene. Es war da-
    mals ein Mitgliederparteitag, als in Es-
    sen der nicht radikalisierungsbereite
    Parteigründer Bernd Lucke gnadenlos
    niedergebrüllt und bei der Abstimmung
    anschließend abserviert wurde.


KKKompromisslos rechts imompromisslos rechts im


Hinterzimmer der AfD


Eine Affäre um geleakte Gesprächsaufzeichnungen


des Südwest-Landeschefs sorgt in der Partei für Unruhe.


Der Vorgang macht die Härte der innerparteilichen Kämpfe


deutlich – und die Uneinigkeit des völkischen „Flügels“


Abstimmungen wie hier beim Europawahlparteitag Ende 2018 werden in der AfD schnell zu Machtkämpfen


DPA

/ SEBASTIAN WILLNOW

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13.08.19 Dienstag, 13. August 2019DWBE-HP



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DIE WELT DIENSTAG,13.AUGUST2019* POLITIK 3


BRASILIEN


Bolsonaro will kein


deutsches Geld


Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro
zeigt sich unbeeindruckt von der An-
kündigung Deutschlands, Fördermittel
zum Schutz des Amazonas-Regen-
waldes auszusetzen. „Brasilien braucht
dieses Geld nicht“, erklärte der ultra-
rechte Staatschef. Deutschland höre
nun auf, den Amazonas zu „kaufen“.
Umweltministerin Svenja Schulze
(SPD) hatte angesichts der dramatisch
zugenommenen Abholzung des Regen-
waldes in Brasilien angekündigt, För-
dermittel ihres Ministeriums vorläufig
zu stoppen. Wie ein Ministeriums-
sprecher bestätigte, geht es in einem
ersten Schritt um einen Förderbetrag
von rund 35 Millionen Euro.

GROSSBRITANNIEN


Jeder fünfte Brite


hortet aus Angst


Aus Sorge vor einem ungeregelten
Brexit haben die Briten einer Studie
zufolge bereits Waren im Wert von vier
Milliarden Britischen Pfund (etwa 4,
Milliarden Euro) gehortet. Fast jeder
Fünfte habe damit begonnen, seinen
Vorrat an Nahrungsmitteln, Getränken
oder Arzneimitteln aufzustocken, geht
aus der Studie eines Finanzdienst-
leisters hervor. Wer hortet, versorgt
sich demnach vor allem mit Lebens-
mitteln (74 Prozent), gefolgt von Arz-
neiprodukten (50) und Getränken (46).
Im Falle eines EU-Austritts ohne Ab-
kommen rechnen viele Experten mit
vorübergehenden Lieferengpässen,
ausgelöst vor allem durch lange Warte-
zeiten für Lastwagen an den Grenzen
bei Zollkontrollen. Premierminister
Boris Johnson will Großbritannien am


  1. Oktober aus der Europäischen Uni-
    on führen – „komme, was wolle“.


NORWEGEN


Terrorismus-Verdacht


gegen Schützen


Die Polizei in Norwegen hat einen
offiziellen Terrorismusverdacht gegen
den mutmaßlichen Angreifer einer
Moschee erhoben. Zudem wird der
2 1-Jährige des Mordes und des ver-
suchten Mordes verdächtigt. Die Poli-
zei wollte am Montag in der Anhörung
hinter verschlossenen Türen eine
vierwöchige Isolationshaft für den
2 1-Jährigen beantragen. Demnach soll
ihm ein „versuchter Terroranschlag“
zur Last gelegt werden. Gemäß norwe-
gischem Recht kann eine Anklage erst
auf einen offiziellen Verdacht erfol-
gen. Der mutmaßlich rechtsextreme
Norweger war am Samstag mit min-
destens zwei Schusswaffen in eine
Moschee in einem Vorort von Oslo
eingedrungen. Ein 65-jähriger Be-
sucher der Al-Nur-Moschee konnte
den Angreifer überwältigen und wurde
dabei leicht verletzt. Der junge Mann
wird zudem verdächtigt, vor dem An-
griff auf die Moschee seine 17-jährige
Stiefschwester getötet zu haben. Ihre
Leiche wurde in seiner Wohnung ge-
fffunden. Medienberichten zufolge warunden. Medienberichten zufolge war
sie chinesischer Herkunft und von der
aktuellen Partnerin des Vaters adop-
tiert worden.

KOMPAKT


D


as Bild des geschundenen Kop-
fes des Bremer Bundestagsab-
geordneten Frank Magnitz hat
sich eingeprägt: eine große Platzwunde
quer über die Stirn, ein zugeschwolle-
nes Auge, überall Blut. So ließ sich der
Vorsitzende des AfD-Landesverbandes
Bremen Anfang Januar in einem bremi-
schen Krankenhaus fotografieren.

VON ULRICH EXNER

Die Verletzungen waren das Ergebnis
einer hinterhältigen Attacke dreier jun-
ger Männer auf Magnitz, der gerade den
Neujahrsempfang des Bremer „Weser-
Kurier“ verlassen hatte und auf dem
Heimweg war. Die Kopfwunden, so der
AfD-Mann damals in einer ersten Stel-
lungnahme, seien wohl auf einen Schlag
mit einem Kantholz zurückzuführen. So
hätten es ihm zwei Tatzeugen berichtet.
Eine Darstellung, die sich nicht be-
stätigt hat. Magnitz‘ Verletzungen wa-
ren offenbar auf den Sturz des Politi-
kers zurückzuführen, dem einer der An-

greifer zuvor von hinten in den Rücken
gesprungen war. Polizei und Staatsan-
waltschaft ermittelten daraufhin mona-
telang wegen des Verdachts der gefähr-
lichen Körperverletzung. Vergeblich,
wie sich jetzt herausstellt.
Bereits im Juli, das bestätigte der
Sprecher der Bremer Staatsanwalt-
schaft, Frank Passade, auf WELT-An-
frage, sind die Ermittlungen gegen die
drei unbekannten Angreifer eingestellt
worden. „Alle Ermittlungsschritte und
Maßnahmen“ seien ausgeschöpft wor-
den, so Passade, ohne dass ein oder
mehrere Verdächtige hätten identifi-
ziert werden können. Weitere Ansatz-
punkte für eine Fortsetzung der Fahn-
dung gebe es derzeit nicht. Auch die
Veröffentlichung des eineinhalbminü-
tigen Videos einer Überwachungska-
mera, auf dem die hinterhältige Atta-
cke vollständig dokumentiert war, half
der Behörde nicht weiter. Dabei hatten
sich daraufhin mehr als 200 Menschen
mit Hinweisen auf mögliche Verdächti-
ge bei den Behörden gemeldet. Ein

konkreter Verdacht hat sich daraus
nicht ergeben. Die drei Täter hatten
sich vor dem Angriff auf den AfD-Poli-
tiker vermummt.
Frank Magnitz reagierte auf WELT-
Anfrage gelassen auf den ergebnislosen
Ausgang der Ermittlungen. Er kritisier-
te allerdings das aus seiner Sicht zu ge-
ringe Engagement eines Teils der Bre-
mer Behörden in seinem Fall: Zwar habe
sich die Kriminalpolizei „sehr bemüht“,
die Täter ausfindig zu machen. Die
Staatsanwaltschaft hingegen habe „of-
fenbar kein besonders großes Interes-
se“ an möglichen Ermittlungsergebnis-
sen gehabt, sagte der Bremer AfD-Lan-
desvorsitzende.
Magnitz, der zu den Unterstützern
des Thüringer AfD-Vorsitzenden Björn
Höcke zählt, ist seit der Bremen-Wahl
sowohl Abgeordneter der Bürgerschaft
als auch des Bundestags. Er war im ver-
gangenen Mai, vier Monate nach der
Tat, als Spitzenkandidat seiner Partei
in die Bremer Bürgerschaft eingezogen.
Ein Wahlerfolg, der ihm inzwischen al-

lerdings viel Ärger bereitet. Der AfD-
Bundesvorstand hat Magnitz im ver-
gangenen Monat schriftlich dazu aufge-
fordert, bis zum 1. September dieses
Jahres einen seiner beiden Parlaments-
sitze zurückzugeben. Sowohl Magnitz
selbst als auch ein Sprecher der Bun-
des-AfD bestätigten entsprechende Be-
richte in Bremer Medien. Aus Magnitz’
Sicht hat der Bundesvorstand „über-
haupt nicht die Kompetenz“, ihm hin-
sichtlich des Doppelmandats ein Ulti-
matum zu stellen.
Eine Begründung für die Forderung
habe der Bundesvorstand in seinem
Schreiben nicht gegeben, so Magnitz. Er
will beide Parlamentsmandate zumin-
dest vorerst behalten. „Ich glaube, es
wäre ungehörig, die Partei in diesem
Moment sich selbst oder bestimmten
Leuten zu überlassen“, zitiert der „We-
ser-Kurier“den AfD-Landesvorsitzen-
den. Im Telefonat mit WELT wollte sich
Magnitz zu den möglichen Hintergrün-
den seines Streits mit dem Bundesvor-
stand nicht äußern.

Der Parteivorstand sieht im Festhal-
ten des Bremer Abgeordneten an sei-
nem Doppelmandat nach WELT-Infor-
mationen ein parteischädigendes Ver-
halten. Er droht Magnitz deshalb für
den Fall, dass dieser bis zum 1. Septem-
ber keinen seiner beiden Parlamentssit-
ze abgegeben hat, mit Amtsenthebung
als Landesvorsitzender der AfD in Bre-
men und der „Aberkennung der Fähig-
keit, ein bestimmtes Parteiamt oder jeg-
liches Parteiamt zu bekleiden“. Ent-
sprechende Sanktionsmöglichkeiten er-
geben sich nach Ansicht des Bundesvor-
stands aus Paragraf sieben der Bundes-
satzung der AfD.
Grundsätzlich sind Doppelmandate
im Bundestag und in den Landesparla-
menten zulässig. Sie werden jedoch in
der Regel nur für sehr kurze Zeiträume
wahrgenommen. Finanzielle Vorteile
ergeben sich für Frank Magnitz nicht:
Diäten von Bundestag und Bürger-
schaft werden auf Grundlage des Bre-
mer Abgeordnetengesetzes miteinan-
der verrechnet.

Fall Magnitz: Ermittlungen ergebnislos eingestellt


Bremens AfD-Chef


wurde Anfang


des Jahres von


Vermummten


verletzt. Inzwischen


hat er vor allem


Probleme mit der


eigenen Partei


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