Die Welt Kompakt - 13.08.2019

(Barré) #1

zwei Seiten: Zum einen musste
Spaniel erleben, was ihm wider-
fährt, wenn er seine Überlegun-
gen im kleinen Kreis ausspricht.
Zum anderen aber zeigt sich, wie
radikal in Teilen des tatsächli-
chen „Flügels“ gedacht wird.
Denn mit seiner Abneigung ge-
gen Meuthen, der sich mehrfach
für die Abgrenzung von extre-
men Rechten ausgesprochen hat,
ist Spaniel auf der AfD-Außen-
bahn keineswegs allein, und jetzt
radikalisiert er sich noch mehr.
Denn „inzwischen“, so Spaniels
Büro, habe er „von Herrn Paz-
derski eine andere Meinung“,
weil dieser sich kürzlich dem
Aufruf von rund 100 AfD-Funkti-
onsträgern gegen Höcke ange-
schlossen hatte. Fraktionschefin
Alice Weidel wiederum, die von
Spaniel im Hinterzimmer noch
kritisiert worden war, ist in sei-
ner Achtung mittlerweile gestie-
gen. Weidel, die sich jüngst dem
Höcke-Lager angenähert hat, ha-
be „inzwischen aufgrund ihrer
professionellen Arbeit und ihrer
offensichtlichen Intelligenz den
Respekt durch Herrn Spaniel
nach anfänglicher Skepsis voll
verdient“.
Offen ist nun, ob sich inner-
halb des rechten Lagers Spaniels
Verschärfungslogik durchsetzt –
hart gegen alle „Gemäßigten“ wie
Meuthen und Pazderski – oder ob


diejenigen die Oberhand behal-
ten, die sich mit Meuthen arran-
gieren wollen. Der „Flügel“ ist
gespalten: Es gibt Kompromiss-
lose, und es gibt jene, die Meu-
then akzeptieren würden und
sich neben ihm an der AfD-Dop-
pelspitze den Bundestagsabge-
ordneten Tino Chrupalla vorstel-
len können. Chrupalla werden
„Flügel“-Treue und eine strategi-
sche Intelligenz nachgesagt.
Allerdings fragt sich, ob solche
Deals zwischen den Lagern in der
Partei noch Zukunft haben. Denn
schon regen sich jene, die Partei-
tagsarrangements ablehnen und
alle Macht der leicht erregbaren
AfD-Basis geben wollen. Der
bayerische Bundestagsabgeord-
nete Hansjörg Müller hat in der
vergangenen Woche im Internet
unter der Adresse mitglieder-
parteitag.de einen Aufruf veröf-
fentlicht, wonach es künftig in
der Bundespartei keine Delegier-
tenparteitage, sondern nur noch
solche geben soll, wo alle Mitglie-
der kommen und abstimmen
können. Mitgliederparteitage
gibt es in der AfD oft in Landes-
verbänden; da sind sie Radikali-
sierungsmotoren.
Die „Resonanz“ auf den Aufruf
empfinde er als „außerordentlich
groß“, sagte Müller WELT.
„Schon am vierten Tag nach der
Veröffentlichung haben 460 AfD-

Mitglieder und zehn Kreisver-
bände den Aufruf unterzeich-
net.“ Deshalb, so der Parlamen-
tarische Geschäftsführer der
Bundestagsfraktion, sei er „sehr
optimistisch, dass es wie geplant
bis Ende August gelingt, auf die
Zahl von knapp 1100 Mitgliedern
zu kommen, die laut unserer Par-
teisatzung nötig ist, um einen
Mitgliederentscheid abzuhalten,
der dann verpflichtenden Cha-
rakter hat.“ Käme es zu einem

Mitgliederentscheid und dabei
dann zu einer Mehrheit in Mül-
lers Sinne, dann müssten künftig
alle AfD-Bundesparteitage sämt-
lichen Mitgliedern offenstehen.
„Hektik“ wolle er aber vermei-
den, betonte Müller, das neue Sys-
tem solle erst ab 2020 eingeführt
wwwürden, sodass der nächste Par-ürden, sodass der nächste Par-
teitag Ende 2019 noch aus Dele-
gierten bestehe. „Danach aber

möchte ich das Delegiertensystem
aaabschaffen, da es die Oligarchisie-bschaffen, da es die Oligarchisie-
rung der AfD befördert“, sagte
Müller. Denn wenn es nur jeweils
rund 600 Delegierte gebe, könn-
ten diese „durch die Parteifüh-
rung leicht eingenordet werden,
sodass es auch in der AfD zu et-
was käme, was sich bei allen ande-
ren Parteien findet“. Dass näm-
lich „eine vergleichsweise kleine
Führungsriege alles von oben he-
rab steuert und ihren Angehöri-

gen Posten und Vorteile ver-
schafft“. Wenn dies nicht aufge-
halten werde, „hätten wir uns die
Arbeit mit dem Aufbau der AfD als
einer Partei von Bürgern für Bür-
ger sparen können“, sagt Müller.
Zwar wisse er auch um die
Nachteile von Mitgliederpartei-
tagen, wozu neben „organisatori-
schen Problemen“ auch gehöre,
„dass die Zusammensetzung sol-

cher Parteitage dem Zufall oder
auch bestimmten Interessen un-
terliegen kann“. Tatsächlich hän-
gen bei solchen Veranstaltungen
die Mehrheiten leicht davon ab,
welches Lager die meisten Busse
zum Herbeikarren der eigenen
Klientel einsetzt oder in welcher
Region – ob eher gemäßigt oder
eher radikal – das Riesentreffen
dann stattfindet.
„In der Abwägung aber sind
die Nachteile von Delegierten-
parteitagen größer“, findet Mül-
ler. Zudem würden ihm jetzt
auch schon „intern viele Vor-
schläge unterbreitet, wie man je-
ne Nachteile von Mitglieder-
parteitagen minimieren kann
und welche anderen Wege zur
Verhinderung einer Oligarchisie-
rung es sonst noch geben könn-
te“. Diese Vorschläge sammle er
derzeit und werde sie demnächst
in die innerparteiliche Diskussi-
on tragen.
Bisher konnte der „Flügel“ in
der AfD seine wichtigsten Erfol-
ge meist auf Mitgliederparteita-
gen erzielen. So war es schon in
vielen Landesverbänden und
2015 auch auf Bundesebene. Es
war damals ein Mitgliederpartei-
tag, als in Essen der nicht radika-
lisierungsbereite Parteigründer
Bernd Lucke gnadenlos niederge-
brüllt und bei der Abstimmung
anschließend abserviert wurde.

DIE WELIE WELIE WELT KOMPAKTT KOMPAKT DIENSTAG, 13. AUGUST 2019 REPORT 19


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In der Abwägung aber sind


die Nachteile von


Delegiertenparteitagen größer


Hansjörg Müller, AfD-Bundestagsabgeordneter aus Bayern
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