Die Welt Kompakt - 13.08.2019

(Barré) #1

2 THEMA DES TAGES DIE WELIE WELIE WELTKOMPAKTTKOMPAKT DIENSTAG,13.AUGUST


ven dienen, die in der Lausitz be-
reits ansässig sind und eine krea-
tive Umgebung suchen, um ge-
meinsam die nachhaltige Regio-
nalentwicklung voranzutreiben.
Inzwischen arbeiten hier der Rei-
se- und Eventveranstalter
Spreescouts, der Bildungsdienst-
leister Spreeakademie, das Ent-
wicklungsbüro Tamen sowie die
Initiativen Lausitzer Perspekti-
ven und Wertewandel zusam-
men. Die Synergien seien jetzt
schon spürbar, sagt Schmidt.
„Wir sind wie eine Art kleines
Co-Dorf im Dorf.“
Mit diesem Konzept ist die
„Kaiserliche Postagentur“ Vor-
reiter für einen Trend, den Bevöl-
kerungsforscher mit wachsen-
dem Interesse beobachten. In
dem Maße, in dem die Städte vol-
ler und teurer werden, rückt das
Landleben in den Fokus auch des
urban geprägten, digital affinen
akademischen Milieus.
Auf der diesjährigen Digital-
konferenz re:publica gab es unter
Schlagworten wie „Ländlich, di-
gital, sucht“ oder „Wir sehen
Land: Digital“ gleich mehrere
Workshops zum Thema. Auf
Meet-up-Plattformen wie „Land-
drang“ oder „Stadt, Land, Work –
Berlin und Brandenburg“ disku-
tieren Gleichgesinnte, wie sie
Projekte, die sie in den enger
werden Städten nicht mehr reali-
sieren können, stattdessen auf
dem Land verwirklichen können.
Einige von ihnen haben ihren
Traum bereits realisiert. Sie ha-
ben in leerstehenden Resthöfen,
alten Schulen und ehemalige
Landwirtschaftliche Produkti-
onsgenossenschaften neue For-
men gemeinschaftlichen Woh-
nens und Arbeitens etabliert –
und damit eine Art des Zusam-
menlebens auf das Land ge-
bracht, die man bislang eher aus
dem städtischen Raum kannte.
Und anders als die Ökokom-
munen der Vergangenheit sind
die Neudörfler Menschen, die
nicht Selbstgenügsamkeit und
Abgeschiedenheit suchen, son-
dern global vernetzt sind. Men-
schen, die vorwiegend digital ar-
beiten und ihren Arbeitsplatz im
Idealfall immer dabei haben – vo-
rausgesetzt, es gibt einen leis-
tungsfähigen Internetanschluss.
In der Studie „Urbane Dörfer –

W


enn Daniel Wala-
schek sagen soll,
was den Aus-
schlag gegeben
hat für seine Flucht aus Berlin,
dann nennt einer ein ganzes Bün-
del von Gründen: Die zunehmen-
de Enge im Stadtteil Prenzlauer
Berg. Das Verschwinden von
kreativen Gestaltungsräumen.
Das Abgeschnittensein von der
Natur. „Wenn ich am Wochenen-
de mal raus in die Landschaft
wollte, saß ich mit Hunderten an-
derer Berliner im Zug. Und
abends pendelten wir alle wieder
zurück in die Stadt. Ich wollte
das alles nicht mehr. Ich hatte
das Bedürfnis nach mehr Frei-
raum und Naturerlebnis.“


VON SABINE MENKENS
AUS RADDUSCH

Der gebürtige Oberschwabe ist
Geograf. Als Webentwickler für
Formate im Bereich Natur, Land-
wirtschaft und Umwelt arbeitet
er aus dem Home-Office heraus
für einen Stuttgarter Verlag. Ein
Digitalarbeiter, der unabhängig
ist vom Firmensitz seines Arbeit-
gebers. Und so kam die Was-wä-
re-wenn-Frage auf zwischen ihm
und seiner Frau Ina Fettig. Was
wäre, wenn sie die Zelte abbre-
chen würden in der Stadt? Statt-
dessen auf dem Land leben, ar-
beiten und etwas aufbauen – mit
Gleichgesinnten, in einem ländli-
chen Co-Working-Space, einer
Art Digitalkommune?
Gemeinsam mit ihrer langjäh-
rigen Freundin Dagmar Schmidt
machte das Ehepaar sich auf die
Suche nach einem Ort, der diese
Vision würde einlösen können.
Fündig wurden sie in der Lausitz



  • einer Region, die dem Institut
    der deutschen Wirtschaft zufolge
    bedroht ist, „abgehängt“ zu wer-
    den. In dem Spreewalddorf Rad-
    dusch entdeckten sie im Jahr
    2014 ein Haus, das ehemals einen
    Gasthof mit Tanzsaal und einen
    Kolonialwarenladen mit Post-
    agentur beherbergte. „Kaiserli-
    che Postagentur“ lautet deshalb
    auch der Claim, unter dem die
    drei das Objekt saniert haben. Als
    Projektraum und Co-Working-
    Space konzipiert, sollte es vor al-
    lem als ein Magnet für Freelan-
    cer, kleine Firmen und Initiati-


wie digitales Arbeiten Städter
aufs Land bringen kann“ haben
das Berlin-Institut für Bevölke-
rung und Entwicklung und der
Verein Neuland21, ein Thinktank
für innovative Regionalentwick-
lung, den neuen Trend im Osten
Deutschlands untersucht. Sie
machen allerdings nicht nur die
originäre Landlust für die Bewe-
gung verantwortlich.
In Berlin fehlten inzwischen
einfach die Freiräume, sagte Rolf
Novy-Huy, geschäftsführender
Vorstand der Stiftung Trias, die
schon seit 2002 Gemeinschafts-
projekte unterstützt, den Auto-

Hohe Mieten und der Wunsch nach Natur


treiben eine neue Klientel in die Dörfer.


Junge Städter wollen das Landleben neu


erfinden. Kann das funktionieren?


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Quelle: mapbox.de

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