Die Welt Kompakt - 13.08.2019

(Barré) #1

Karpalband


Beugesehnen-


scheiden


Karpaltunnel


entzündeter


Mittelhandnerv


(Medianus-Nerv)


kribbelnde,


schmerzende


Finger


entzündeter


Mittelhandnerv


Mittelhand-


knochen


Karpaltunnelsyndrom


Quelle: W&B, Apotheken-Umschau

Karpalband


Beugesehnen-
scheiden

Karpaltunnel


entzündeter
Mittelhandnerv
(Medianus-Nerv)

kribbelnde,
schmerzende
Finger

entzündeter
Mittelhandnerv

Vorbeugende Übungen


Mittelhand-
knochen

schon daran, dass sie ziemlich
gerädert wirken. Doch damit
nicht genug – auch die Aussich-
ten für das Herz sind nicht gera-
de rosig. Denn ein Forscher-
team des Universitätsklinikums
in Kopenhagen hat bei Durch-
sicht der Krankenakten von
über 56.000 Karpaltunnel-Pa-
tienten festgestellt, dass sie in
den zehn Jahren nach dem Ein-
griff auch eine um 50 Prozent
erhöhte Quote von Herzinsuffi-
zienzen entwickelten. Was kon-
kret heißt: Wem nachts immer
wieder die Hand einschläft,
muss auch mehr als andere da-
mit rechnen, dass seinem Her-
zen die Power ausgeht. Die Ver-
bindung zwischen Herzschwä-
che und Karpaltunnelsyndrom
besteht laut Studienleiter Emil
Fosbøl im sogenannten TTR-
Amyloid. Es handelt sich dabei
um Proteine, die so ungünstig
gefaltet sind, dass sie sich in be-
stimmten Organen ablagern
und dadurch deren Funktion
einschränken können. So findet
man die Problemproteine ver-
stärkt im Herzmuskel von
Herzinsuffizienzpatienten.
„Und vor einigen Jahren hat
man sie auch bei zehn bis 15 Pro-
zent von operierten Karpaltun-
nel-Patienten entdeckt“, so
Fosbøl. Beide Erkrankungen ha-
ben also offenbar einen Zusam-
menhang mit den Amyloidabla-
gerungen, was die Vermutung
nahelegt, dass sie auch beidsei-
tig gehäuft auftreten könnten –

E


twa jeder zehnte Bun-
desbürger erkrankt in
seinem Leben am Kar-
paltunnelsyndrom. Es
tritt meist im Alter von 40 bis
70 Jahren auf. Die Patienten lei-
den unter Taubheit und hefti-
gen Schmerzen an den Händen.
Laut einer neuen Studie müssen
Betroffene sogar mit einer
Herzschwäche rechnen.

VON JÖRG ZITTLAU

Auch durch den Konsum von
Computerspielen erkranken
viele junge Menschen daran. Ei-
nige professionelle E-Sportler
haben bereits ihre Karriere be-
enden müssen. Zwar würden re-
gelmäßige Übungen wie Massa-
ge- und Druckpunkttechniken
etwaigen Nervenschäden vor-
beugen, doch kaum ein Compu-
terspielfan macht vermutlich
wie von Ärzten empfohlen alle
zwei Stunden eine drei- bis
fünfminütige Pause.
Karpaltunnelsyndrom: Noch
vor 20 Jahren wusste kaum je-
mand etwas mit diesem Begriff
anzufangen. Doch mittlerweile
wissen die meisten von dieser
Verengung im Handgelenk, die
so massiv auf den mittleren Ver-
sorgungsnerv zu den Fingern
drückt, dass diese schmerzhaft
„einschlafen“, was wiederum –
weil es vor allem nachts passiert


  • für vermehrte Schlafstörun-
    gen sorgt. Patienten mit dem
    Syndrom erkennt man daher oft


und das sieht sich nun durch die
Kopenhagener Studie bestätigt.
Für die mindestens 1,5 Millio-
nen Karpaltunnel-Patienten
hierzulande sind das nicht gera-
de beruhigende Nachrichten.
Denn es könnte sein, dass in ih-
rem Herzmuskel die Problem-
Amyloide kursieren, und einfa-
che Methoden zu deren Nach-
weis gibt es noch nicht. Ande-
rerseits berechneten die däni-
schen Forscher, dass das kon-
krete Herzinsuffizienzrisiko für
jeden Karpaltunnel-Patienten –
trotz seiner erhöhten Anfällig-
keit – immer noch deutlich un-
ter sechs Prozent liegt. Panik ist
also nicht angebracht.
Da bietet schon eher Anlass
zur Sorge, dass man in der The-
rapie des Karpaltunnelsyn-
droms immer noch auf fragwür-
dige Behandlungsmethoden
setzt. Wie etwa nächtliche
Schienung des Handgelenks.
Die Idee dahinter: Das schmer-
zende Gelenk so zu fixieren,
dass es nicht mehr in die
schmerzhafte Abknickposition
kommen kann, in die es vom
Schläfer gerne gebracht wird.
Doch eine Expertenkommission
der Deutschen Gesellschaft für
Neurologie (DGN) bescheinigte
der Schiene kürzlich: „Der Er-
folg ist mäßig, und die Akzep-
tanz bei den Patienten aufgrund
des schlechten Schlafkomforts
gering.“ Immerhin scheint sie,
so jedenfalls das Ergebnis eini-
ger Studien, den ebenfalls weit

verbreiteten Kortisonspritzen
überlegen zu sein. Was aber
letzten Endes nichts anderes
heißt: Die Schiene hilft wenig
und die Kortisoninjektion noch
weniger. Ein weiterer Behand-
lungsstandard besteht im Ver-
abreichen entwässernder Medi-
kamente, mit dem Ziel, das Ge-
webe im Handgelenk abzu-
schwellen und dadurch Druck
vom eingeklemmten Nerv zu
nehmen. Klingt logisch, bringt
aber laut Studienlage ebenfalls
nur wenig. Mit einer Ausnahme
allerdings: die Schwangerschaft.
In dieser Phase lagern Frauen
tatsächlich mehr Wasser im Ge-
webe an, was auch ihr Risiko für
ein Karpaltunnelsyndrom dras-
tisch erhöht. Weswegen die Ex-
perten der DGN konstatieren,
dass hier eine entwässernde
Therapie „positiv wirken kann“.
Verlässlicher sind da schon
die physikalische Therapie, um
mit gezielten Bewegungsübun-
gen für eine Entlastung im
Handgelenk zu sorgen, sowie
die Operation, bei der das Bän-
derdach oberhalb des Karpal-
tunnels gespalten wird, um den
Sehnen und Nerven in ihm
mehr Platz zu verschaffen. Die
Erfolgsaussichten beider Ver-
fahren sind laut einer spanisch-
amerikanischen Studie ähnlich
groß. „Es wird zwar immer wie-
der postuliert, dass die OP zu
besseren Therapieergebnissen
führt“, betont Studienleiter
César Fernández von der Uni-

versität Rey Juan Carlos in Al-
corcón, „doch im Vergleich zur
manuellen Therapie schneidet
sie nach unseren Erkenntnissen
nicht besser ab.“ Selbst über ei-
nen längeren Zeitraum von ei-
nem Jahr zeigten beide eine
ähnliche Wirksamkeit. 70 bis 90
Prozent der Patienten sprechen
positiv auf die beiden Therapie-
formen an. Die Hartnäckigkeit
der Erkrankung hat dazu ge-
führt, dass immer mehr alterna-
tive Heilverfahren eingesetzt
werden. Wie Akupunktur, hoch
dosiertes Vitamin B6 und Be-
strahlungen mit Rotlichtlaser.
Geradezu abenteuerlich klingt
eine aktuelle Studie der medizi-
nischen Universität von Tehe-
ran, in der sich das Karpaltun-
nelsyndrom mit Ozon-Injektio-
nen lindern ließ, denn die Sau-
erstoffverbindung kennt man
sonst eher vom Smog. Doch die
Medizin weiß schon länger von
ihren entzündungshemmenden
und durchblutungsfördernden
Eigenschaften. Es bedarf jedoch
noch klinischer Tests, bis Ozon
sich als Medikament etabliert
haben könnte. Bis dahin sollte
man vorbeugend versuchen, es
gar nicht erst eng im Karpaltun-
nel werden zu lassen. Dazu ge-
hört, wie an der Universität
Hongkong ermittelt wurde, eine
Reduktion des Smartphone-Ge-
brauchs. Denn die lange und in-
tensive Nutzung des Mobilfunk-
gerätes führt zum Abflachen
des mittleren Nervenstrangs im
Handgelenk, das Risiko für
Schmerzen und Taubheitsge-
fühle in den Fingern steigt um
mehr als 50 Prozent.
Gegen eine andere ihrer Ur-
sachen gibt es jedoch keinen
Schutz: die Evolution. Uns
wächst derzeit eine neue
Schlagader im Unterarm: die
Arteria mediana. Im embryona-
len Stadium findet man sie noch
in jedem Menschen, doch nach
der Geburt bildet sie sich meis-
tens zurück. So war es jedenfalls
bisher, doch die Zeichen stehen
jetzt auf Veränderung. Der aust-
ralische Humanbiologe Maciej
Henneberg entdeckte, dass zum
Beginn des 20. Jahrhunderts
noch etwa zehn Prozent der
Menschen die Arteria mediana
in ihrem Arm hatten, knapp ein
Jahrhundert später waren es je-
doch schon 30 Prozent. Offen-
bar ist es aus evolutionärer
Sicht sinnvoll geworden, den
durch Handwerk oder Arbeit
am PC-Keyboard stark belaste-
ten Fingern eine zusätzliche
Blutversorgung zu gönnen.
Doch diese Entwicklung hat
auch Nachteile: Die zusätzliche
Ader sorgt für weiteren Druck
im Handgelenk. Weswegen man
bei Patienten mit Karpaltunnel-
syndrom viele Fälle findet, in
denen die Arteria mediana aus-
gebildet ist. Möglich, das die
Evolution dort nachbessert und
anatomisch für mehr Raum im
Handgelenk sorgt. Doch bis da-
hin dürften noch Jahrzehnte
vergehen. Und möglicherweise
passiert – weil die Evolution zu-
weilen unberechenbar ist – auch
gar nichts.

Handschmerzen?


Herz in Gefahr!


Wer viel am Smartphone hängt oder


Computerspiele zockt, der riskiert Nervenschäden


im Handgelenk – und nicht nur das. Gegen das


schmerzhafte Karpaltunnelsyndrom gibt es


Therapiemöglichkeiten, doch auch die Evolution


trägt zur Verbreitung der Erkrankung bei


Karpaltunnelsyndrom


Quelle: W&B, Apotheken-Umschau

Karpalband

Beugesehnen-
scheiden

Karpaltunnel

entzündeter
Mittelhandnerv
(Medianus-Nerv)

kribbelnde,
schmerzende
Finger

entzündeter
Mittelhandnerv

Vorbeugende Übungen

Mittelhand-
knochen

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