Frankfurter Allgemeine Zeitung - 13.08.2019

(WallPaper) #1

FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG Finanzen DIENSTAG, 13. AUGUST 2019·NR. 186·SEITE 25


I


chhabe mal wieder Post bekom-
men, dieses Mal von zwei Gentle-
men aus dem Badischen. Die beiden
Herren, der eine ist 75 Jahre alt, der an-
dere ist 70 Jahre jung, sind Kunden der
Sparkasse und der Volksbank. Sie besit-
zen beide Aktien und Anleihen und ha-
ben in den vergangenen Wochen zum
ersten Mal in ihrem Leben eine „Infor-
mation über Kosten und Nebenkosten
für depotverwahrte Finanzinstrumente
für das Jahr 2018“ erhalten. Kommt Ih-
nen das bekannt vor? Haben auch Sie de-
taillierte Aufstellungen erhalten, wie
viel die Dienstleistungen gekostet haben
und wie hoch die Produktkosten waren?
Dann wird Sie die Reaktion der beiden
Anleger nicht verwundern. Der „blaue“
Anleger war – gelinde gesagt – etwas er-
staunt, wie er zu Protokoll gab, und der
„rote“ Anleger machte aus seinem Her-
zen keine Mördergrube und ließ seiner
Wut freien Lauf: „Das ist eine bodenlose
Unverschämtheit!“
Das Depot mit dem weißen S enthält
sechs Positionen im Gesamtwert von
166 000 Euro. Es geht los mit 130 Aktien
der Bayer AG. Sie sind im letzten Jahr um
20 Prozent gefallen und zurzeit rund 8400
Euro wert. Das ist ein herber Rückschlag,
so dass die Dienstleistungskosten, also
die Kosten der Lagerung bei der Sparkas-
se, von 100 Euro das Fass zum Überlaufen
gebracht haben. Was würden Sie dem An-
leger raten? Soll er die Zähne zusammen-
beißen und trotz der Jahresgebühr von
1,19 Prozent auf bessere Zeiten hoffen?
Oder soll er die Aktien so schnell wie mög-
lich verkaufen, frei nach dem Motto: Lie-
ber ein Ende mit Schreck als ein Schreck
ohne Ende? Bitte notieren Sie die 100
Euro am Rande dieser Kolumne!
Der zweite Posten sind 360 Anteile des
Ethna-Aktiv-Fonds im Wert von 46 000
Euro. Der Investmentfonds mit der Kenn-
nummer LU0136412771 besteht zu 84
Prozent aus Anleihen. Da passen Gebüh-
ren von 1077 Euro wie die Faust aufs
Auge. Die Erträge der Anleihen sind im
Keller, so dass die jährlichen Erträge mit
hoher Wahrscheinlichkeit nicht ausrei-
chen, um die Kosten von 2,34 Prozent zu
decken. Das hätte zur Folge, dass das Ka-
pital angegriffen wird, und das ist doch
prickelnd, nicht wahr? Bitte halten Sie
die 1077 Euro in fetten Ziffern am Rande
dieser Zeitung fest!
Kommen wir zum dritten Posten, dem
Finanzinstrument mit der Kennnummer


LU0952573482. Dahinter verbergen
sich die Multiple Opportunities II von
Flossbach und von Storch aus Köln. Die
Vermögensverwalter haben das Geld ih-
rer Kunden zu 18 Prozent in Bargeld, 10
Prozent in Anleihen, 62 Prozent in Ak-
tien und 10 Prozent in Gold investiert.
Dagegen ist in meinen Augen nichts zu
sagen. Die Anteile des Anlegers sind
44 000 Euro wert und kosteten den Anle-
ger im vergangenen Jahr genau 1046
Euro. Das waren 2,38 Prozent des Anla-
gebetrages und haben mich zur Nachfra-
ge bei Flossbach und von Storch veran-
lasst, ob dieser Wert korrekt sei.
Die Herren haben den Wert im
ersten Durchgang als wenig „gra-
nular“ und im zweiten Durchgang
sogar als „fehlerhaft“ bezeichnet,
weil die Kosten nur 1,71 Prozent
betragen hätten. Was soll man
dazu sagen? Ich bitte Sie um Ver-
ständnis, dass ich bei diesem
„Durcheinander“ lieber meine
Klappe halte und Ihnen die Bewertung
überlasse, was Sie von diesen Gebühren
halten. Bitte vergessen Sie nicht, die
1046 Euro zu notieren, ebenfalls in fet-
ten Ziffern!
Der vierte Posten trägt die Kennnum-
mer DE0009766881 und ist der Multi
Global R Investmentfonds der Landes-
bank Baden-Württemberg. Der Fonds
richtet sich laut Datenblatt an Anleger,
die neben einer angemessenen Wertent-
wicklung großen Wert auf Stabilität le-
gen und schwer einschätzbare Risiken
vermeiden wollen. Das sind hehre Ziele,
die nach meinem Empfinden angemes-
sen zu honorieren sind, doch müssen es
wirklich 1,49 Prozent des Anlagebetrages
sein? Falls Sie nicht glauben, was ich da
schreibe, dann brauchen Sie nur die 298
Euro, die im letzten Jahr angefallen sind,
durch das Anlagekapital von 20 000 Euro
zu teilen, und Sie werden sich nicht mehr
wundern, warum Sie mit diesem Fonds,
der zu drei Vierteln aus Anleihen be-
steht, kaum Geld verdienen. Haben Sie
die 298 Euro notiert?
Das sieht bei dem Starcapital Win-
Bonds Investmentfonds mit der Kenn-
nummer LU0256567925 nicht viel besser
aus. Die Gebühren von 266 Euro entspre-
chen 1,33 Prozent des Anlagebetrages
von 20 000 Euro, so dass mich frage, wie
ein Anleger bei diesen Ausgaben auf sei-
ne Kosten kommen soll. Der Fonds be-
steht zu 10 Prozent aus Bargeld, 73 Pro-

zent aus Anleihen und 17 Prozent aus Ak-
tien. Die Erträge werden zwischen 1 und
2 Prozent pro Jahr betragen, und das be-
deutet für den Anleger in aller Klarheit:
Außer Spesen nichts gewesen! Trotzdem
sollten Sie die 266 Euro nicht aus dem
Auge verlieren!
Der einzige Lichtblick in dem roten De-
pot ist der Indexfonds mit der Kennnum-
mer IE00B4L5Y963. Der Aktienfonds
von Blackrock kostet jährlich 0,2 Pro-
zent, so dass bei einem Anlagebetrag von
28 000 Euro „nur“ 56 Euro angefallen
sind. Das ist doch erfreulich, oder nicht?
Bevor Sie jetzt mit dem Kopf ni-
cken und sich überlegen, in die-
sen Fonds einzusteigen, sollten
Sie prüfen, ob Sie das bei der
Sparkasse machen. In der „In-
formation über Kosten und Ne-
benkosten für depotverwahrte
Finanzinstrumente 2018“ steht,
dass der Kauf der Anteile exakt
240 Euro gekostet hat. Das sind
genau 1 Prozent des ursprünglichen Anla-
gebetrages von 24 000 Euro. Bei einer Di-
rektbank hätten Sie die Anteile für
schlappe 60 Euro erwerben können.
Wollen wir mal zusammenzählen, wie
viel der „gebeutelte“ Anleger im vergan-
genen Jahr für sein Depot ausgegeben
hat? Ich komme auf 3083 Euro bezie-
hungsweise 1,86 Prozent des Depotwer-
tes von 166 000 Euro. Ich weiß nicht, ob
dieser Betrag eine „bodenlose Unver-
schämtheit“ ist, wie sich der Anleger aus-
gedrückt hat. Ich würde eher sagen, dass
hier das Verhältnis von Preis und Leis-
tung nicht stimmt. Daher kann ich die
Überlegungen des Anlegers verstehen,
das Girokonto wegen der kurzen Wege
und möglichen Telefonate bei der Spar-
kasse zu belassen und das Depot wegen
der hohen Kosten einer Direktbank zu
übergeben.
Ich bin aber skeptisch, ob der alte Herr
diesen Weg gehen wird. Er wisse nicht,
heißt es in dem Brief, ob das Geld bei der
Direktbank „sicher“ angelegt sei. Dann
möchte er wissen, ob man dort telefo-
nisch Auskünfte bekommt. Schließlich
will er wissen, ob es regionale Direktban-
ken gibt, bei denen man persönlich vor-
sprechen kann. Kurzum: Er habe keine
Ahnung, wie er vorgehen soll. Ich kann
die Ängste und Nöte und Sorgen dieses
Ruheständlers verstehen, weil es ein
„kleiner“ Unterschied ist, ob man im Al-
ter von 40 oder 70 Jahren zu einer Direkt-

bank wie der Comdirect, Cortalbank
DKB oder ING wechselt. Bei diesen Ban-
ken bekommen Sie keine telefonische Be-
ratung, und bei diesen Instituten können
Sie auch nicht persönlich vorsprechen.
Folglich müssen Sie genau wissen, was
Sie wollen, und nur dann kann die Sache
klappen.
Der erste Schritt ist die Eröffnung des
Depots mit Hilfe des Computers. Das
dauert fünf Minuten. Wenn die Bank die
Eröffnung des Depots bestätigt hat, soll-
ten die Wertpapiere von der Sparkasse
auf die Direktbank übertragen werden.
Dort werden alle Positionen verkauft,
weil sie nicht den Wünschen des Anle-
gers entsprechen. Weil der frustrierte
Sparkassenkunde ein Anleger zu sein
scheint, der großen Wert auf Sicherheit
legt, sollte er die 166 000 Euro auf drei
Töpfe verteilen: 16 000 Euro in Bargeld,
100 000 Euro in Anleihen und 50 000
Euro in Aktien. Die 100 000 Euro kön-
nen mit Hilfe von zwei Indexfonds auf
Staatsanleihen (ISIN: IE00B87G8S03)
und Unternehmensanleihen (ISIN:
IE00B3F81R35) verteilt werden. Die
50 000 Euro sollten zu gleichen Teilen
in zwei Indexfonds mit Aktien aus Nord-
amerika (ISIN: IE00B5B MR087) und
Europa (ISIN: LU09085007 53) inves-
tiert werden. In allen Fonds fließt das
Geld in die Titel, die in den Indices ent-
halten sind. Die vier Indexfonds sind
Sondervermögen, so dass das Kapital
beim Zusammenbruch des Fondsanbie-
ters oder der Direktbank geschützt ist.
Trotzdem sind die Geldanlagen nicht si-
cher. Der Anleger muss sich damit abfin-
den, dass die Kurse der Anleihen und
Aktien jeden Tag schwanken. Dagegen
ist kein Kraut gewachsen, damit muss
der Anleger leben, und wer das nicht ver-
kraftet, sollte das Bargeld so schnell wie
möglich auf den Kopf hauen. Sonst dro-
hen Negativzinsen und Geldentwer-
tung! Wer sein Geld in die Indexfonds
steckt, wird in Zukunft mit jährlichen
Kosten von 235 Euro über die Runden
kommen, so dass die ersparten 2848
Euro jedes Jahr in 365 Flaschen mittel-
prächtigen Rotweins angelegt werden
können. Prosit – möge Ihnen der abendli-
che Schoppen bekommen und Ihnen ein
langes Leben bescheren!
Der Autor ist Finanzanalytiker in Stuttgart.

Das große Erstaunen über die hohen Kosten


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dmoh.FRANKFURT,12. August. Der
Londoner Finanzkonzern IG verstärkt
sein Engagement auf dem deutschen
Markt. Unter dem Namen „Spectrum“
startete das Unternehmen am Montag
eine Handelsplattform für Turbo-War-
rants. Dies sind hochspekulative Options-
scheine, mit denen auf steigende oder fal-
lende Aktienindizes, Währungen und
Rohstoffe gesetzt werden kann. Das hohe
Risiko ergibt sich durch eine eingebaute
Hebelwirkung, so dass die Wertverände-
rung des Basiswerts vervielfacht wird. Zu-
nächst sollen 400 Turbo-Warrants handel-
bar sein.
Spectrum hat seinen Sitz in Frankfurt
und wird von der Finanzaufsicht Bafin re-
guliert. Der Mutterkonzern IG ist vor al-
lem im Geschäft mit hochriskanten Diffe-
renzkontrakten (CFD) schon seit Jahren

in Deutschland tätig. Deren Risiko wurde
zuletzt durch die Regulierung beschränkt.
Turbo-Warrants sind von der strengeren
Regulierung nicht betroffen. Sie werden
dem Zertifikatebereich zugeordnet.
Spectrum tritt als Konkurrent für die
Börsen Frankfurt und Stuttgart auf, wo
Turbo-Warrants bisher handelbar sind.
Der Handel soll aber anders als an den
Börsen Frankfurt und Stuttgart nicht nur
von 8 bis 22 Uhr, sondern montags bis
freitags rund um die Uhr möglich sein. Zu-
dem will Spectrum Kunden, die bisher au-
ßerbörslich gehandelt haben, für seine
Plattform gewinnen. Neben Deutschland
ist auch der Handel in sieben anderen eu-
ropäischen Ländern möglich. Gehandelt
wird nicht direkt bei Spectrum, sondern
der Privatanleger kann über seine Bank
Aufträge an Spectrum geben.

mann.FRANKFURT, 12. August. Im
Herbst wird Christine Lagarde den derzei-
tigen Präsident der Europäischen Zentral-
bank (EZB), Mario Draghi, ablösen. Doch
in genau einem Monat könnte er zuvor
noch eine weitreichende Entscheidung
treffen, sollte er die Einlagenzinsen für
Banken und Zentralbanken weiter absen-
ken. Komme es dazu, werde es für Versi-
cherer zunehmend attraktiver, Teile der er-
forderlichen Liquidität auch in Tresoren
zu lagern, sagt Klaus Wiener, Chefvolks-
wirt des Gesamtverbands der Deutschen
Versicherungswirtschaft im Gespräch mit
der F.A.Z. Je größer der Abstand sei zwi-
schen den negativen Einlagenzinsen von
minus 0,4 Prozent und den Kosten, die für
die Kassehaltung fällig wird, desto konkre-
ter würden auch die Pläne werden.
Wiener schätzt die Kosten für die Einla-
gerung zwischen 0,1 und 0,2 Prozent. „Die
Differenz ist schon da, aber noch nicht ex-
trem hoch“, sagt er. Versicherer hätten
den Vorteil, dass sie das Geld nicht stän-
dig brauchten und es sich bei Auszahlun-
gen größtenteils um planbar handelt. „Als
Modell für die gesamte Kapitalanlage
taugt das nicht“, fügt Wiener hinzu.
Schließlich würden dadurch ja auch keine
Erträge erzielt. Es gehe nur um den An-
teil, der für die Liquidität vorgesehen sei –
nicht etwa um 30 oder 40 Prozent. Laut
dem Chefvolkswirt ist eine Vorausset-
zung, dass Geschäftsbanken die Negativ-
zinsen vollumfänglich an die Kunden wei-
tergeben. Zwar gebe es davon aktuell weni-
ge Fälle. Der Druck, dies zu tun, werde
aber steigen, konstatiert er.
„Es ist ein Thema, das uns schon länger
umtreibt“, sagt Wiener. Auch im Jahr
2016 hatte der damalige Chef des Rückver-

sicherers Munich Re auf einer Bilanzpres-
sekonferenz berichtet, Bargeld und Gold
testweise in Firmentresoren zu bunkern.
Bei den so gelagerten Barreserven solle es
sich um einen zweistelligen Millionenbe-
trag handeln. „Wir probieren das jetzt ein-
fach mal aus. Daran sehen sie, wie ernst
die Situation ist“, wurde Nikolaus von
Bomhard damals zitiert. Am Montag teil-
te der Dax-Konzern mit, „im Kontext
grundsätzlicher Überlegungen eines sich
verschärfenden negativen Zinsumfelds
stellt eine verstärkte Bargeldhaltung für
uns keine wirkliche Alternative dar, weil
dafür der Aufwand sehr hoch ist“.
Ein Hersteller von Tresoren berichtete
der F.A.Z., dass die Nachfrage nach Treso-
ren im Zuge der Strafzinsen gestiegen sei.
Aber auch nur insofern, als alte Tresore
wieder in Betrieb genommen werden. Es
stellt sich dennoch die Frage, wie praktika-
bel die Einlagerung von Kundengeldern
in Tresoren ist. Wiener sieht darin keine
allzu großen Probleme – wenn erst einmal
die passenden Lagerstätte gefunden wur-
den, die auch personengeschützt seien.
Schon lange ächzen die Versicherer, die
zu den größten Kapitalanlegern am Markt
gehören, unter den Negativzinsen. So wer-
den für die überschüssige Liquidität, die
bei der EZB geparkt wird, Strafzinsen fäl-
lig. Wie sich die Zinslandschaft auf Versi-
cherer auswirkt, zeigt sich auch an dem
jährlich vom Analysehaus Franke & Born-
berg herausgegebenen Map-Report. So
war der Effekt des Niedrigzinses in Verträ-
gen, die vor der Verrentung zwölf Jahre
lang laufen, deutlich zu erkennen: Statt ei-
ner Rendite von 4,12 Prozent wie bei Ab-
schluss im Jahr 1996 lag sie bei Abschluss
im Jahr 2007 nur noch bei 2,21 Prozent.

ppl.LONDON, 12. August. Der ange-
schlagene amerikanische Prozessfinan-
zier Burford Capital wehrt sich gegen die
Angriffe des Leerverkäufers Muddy Wa-
ters. Burford spricht von „Marktmanipu-
lation“. In einer Mitteilung an die Londo-
ner Börse LSE argumentiert der Prozess-
finanzierer, eine „forensische Untersu-
chung“ der Handelsdaten vom 6. August
(an diesem Tag veröffentlichte Muddy
Waters per Twitter seine vernichtenden
Kommentare) und 7. August zeige „ille-
gale Aktivitäten“. In London wird speku-
liert, dass eine Schadenersatzklage vorbe-
reitet wird. Das Unternehmen wollte das
am Montag noch nicht bestätigen.
Wie berichtet (F.A.Z vom 10. August)
war nach den Muddy-Waters-Kommenta-
ren die Aktie von Burford an einem Tag
um mehr als 60 Prozent abgestürzt; fast 2
Milliarden Pfund wurden vernichtet. Die
Finanzspekulationsfirma Muddy Waters
(wörtlich „Schlammwasser“), die in der
Branche einen durchaus zweifelhaften
Ruf genießt, hatte Burford als „armes Un-
ternehmen“ bezeichnet, in dessen Prozes-
sen es um „esoterische“ Vermögenswer-
te gehe. Später fügte sie hinzu, Burford
sei „wohl insolvent“. Am Wochenende
schoss sich noch ein zweiter Leerverkäu-
fer, Gotham City Research, auf Burford
ein: Das amerikanische Unternehmen
sei „ungenügend finanziert“. Leerverkäu-
fer spekulieren auf fallende Kurse. Ihre


negativen Kommentare können, wenn
andere ihnen glauben, Profite für sie ge-
nerieren. Gotham City sagte, sie hätten
derzeit keine Position in Burford-Papie-
ren. Bei Muddy Waters könnte das an-
ders sein.
Burford spricht von einer „Leerverkäu-
fer-Attacke“ mit betrügerischen Täu-
schungen („Spoofing“ und „Layering“).

Dabei werden Verkäufe vorgetäuscht, um
die Marktteilnehmer über das tatsächli-
che Ausmaß an Angebot und Nachfrage
hinters Licht zu führen. Burford beruft
sich auf eine Untersuchung eines exter-
nen Fachmanns, Professor Joshua Mitts
von der Columbia Law School in New
York, der sich auf die Analyse von Markt-
daten spezialisiert hat. Er habe herausge-
funden, dass am 6. August im Volumen
von 90 Millionen Pfund Verkaufsordern
aufgegeben und dann storniert wurden.
Das habe zu dem Kursabsturz um 60 Pro-
zent in zehn kurzen Handelsperioden von
rund einer Minute geführt. Am nächsten
Tag habe es noch ein größeres Volumen
solcher stornierten Aufträge gegeben.
Der Burford-Aktienkurs erholte sich
am Montag im frühen Handel zunächst
etwas, dreht dann aber wieder ins Minus
und lag um mehr als 40 Prozent unter
dem Niveau vom 5. August, vor den Twit-
ter-Kommentaren von Muddy Waters.
Ein Sprecher der Börsenaufsicht Finan-
cial Conduct Authority (FCA) teilte mit,
dass sie schon eine Untersuchung einge-
leitet habe. Muddy Waters kommentier-
te am Montag trocken: Die „einzige Mani-
pulation“, die es gebe, finde in Burfords
Geschäftsberichten statt.
Ein Prozessfinanzierer verdient damit
Geld, indem er in Rechtsstreitigkeiten
der Klägerseite die Kosten vorfinanziert
und am Ende im Erfolgsfall ein Honorar

oder eine Beteiligung erhält. Die 2009
von Jonathan Molot und Christopher Bo-
gart gegründete Burford Capital ist in
Deutschland an den Massenklagen von
Zehntausenden VW-Kunden beteiligt.
Besonders groß ist ihr Geschäft in den
Vereinigten Staaten. Wie viel die Firma
wert ist, hängt an dem Streitwert und der
Erfolgswahrscheinlichkeit der von ihr fi-
nanzierten Prozesse.

sup. STUTTGART, 12. August. Der
SportwagenbauerPorschehat als erster
Autohersteller ein grünes Schuldschein-
darlehen begeben. Mit einem Volumen
von einer Milliarde Euro sei es das bis dato
größte grüne Schuldscheindarlehen, teil-
ten die drei Banken LBBW, Bayern LB
und ING mit, die für Porsche die Transakti-
on arrangiert haben. Geplant war ur-
sprünglich ein Volumen von 300 Millio-
nen Euro; wegen der hohen Nachfrage sei
das Volumen aber entsprechend ausgewei-
tet worden, heißt es bei den Banken.
„Wir beobachten, dass immer mehr In-
vestoren ihr Geld grün anlegen wollen.
Dafür eröffnen wir Kapitalgebern mit
dem grünen Schuldschein jetzt eine Mög-
lichkeit“, wird Porsche-Finanzvorstand
Lutz Meschke in einer Mitteilung von Por-
sche zitiert. So sei es gelungen, ein Darle-

hen zu „äußerst attraktiven Konditionen
zu platzieren“.
Der grüne Schuldschein, der von rund
hundert deutschen und internationalen
Investoren gezeichnet wurde, war in
Tranchen mit Laufzeiten von fünf, sieben
und zehn Jahren aufgeteilt und wurde so-
wohl mit fester wie auch mit variabler
Verzinsung angeboten. Für das Etikett
„grün“ hat Porsche die Finanzierung ei-
nes Projektportfolios externen Prüfun-
gen unterzogen, unter anderem durch die
Rating-Agentur ISS ESG und die Climate
Bond Initiative. Verwendet wird das
Geld für die Finanzierung des Elektromo-
dells „Taycan“. Jeweils etwa die Hälfte
des Gelds fließen in Entwicklungskosten
sowie in ressourcenschonende und ener-
gieeffiziente Produktionsanlagen für das
Elektroauto.

Neue Handelsplattform für Zocker


Spectrum startet mit hochspekulativen Optionsscheinen


Kundengelder von Versicherern


könnten bald in Tresoren landen


Negativzinsen befeuern Pläne der Assekuranz


Prozessfinanzierer Burford beklagt Marktmanipulation


Vorgetäuschte Verkäufe könnten den Aktienkurs zum Absturz gebracht haben / Untersuchung eingeleitet


Porsche will grüner werden


Schuldschein in Höhe von einer Milliarde Euro ausgegeben


Volker Looman


Illustration Getty


Burford-Gründer im Jahr 2012 Foto Laif


Burford Capital

Quelle: Thomson Reuters F.A.Z.-Grafik Heß

Tagesschlusskurse London
12.8.: Tagesverlauf

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