Frankfurter Allgemeine Zeitung - 13.08.2019

(WallPaper) #1

SEITE 4·DIENSTAG, 13. AUGUST 2019·NR. 186 Politik FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG


Frankfurter Zeitung
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MADRID, 12.August


A


m Montagmorgen rückten die ers-
ten Tanklastzüge mit Polizei-
schutz aus. Am Straßenrand bei
Aveiras protestierten mehrere Dutzend
streikende Fahrer mit Rufen wie „Kein
Schritt zurück“, ohne jedoch die Tankwa-
gen zu blockieren, die sie sonst selbst len-
ken. Am Montag hat in Portugal ein unbe-
fristeter Streik der Gefahrgutfahrer be-
gonnen. Eine kleine, aber strategisch
wichtige Gewerkschaft, in der sich zahlrei-
che Tankwagenfahrer zusammengeschlos-
sen haben, verlangt mehr Gehalt; weitere
kleine Gewerkschaften schlossen sich an.
Während der Osterferien hatten sie das
Land schon einmal an den Rand des Cha-
os gebracht. Jetzt wollen sie ihre Forde-
rungen während der Hauptreisezeit durch-
setzen. „Alles verlief reibungslos“, teilte
die sozialistische Minderheitsregierung
am Montag dagegen mit. Ihr kommt der
Streik ungelegen: Sie bereitet sich auf die
Parlamentswahlen Anfang Oktober vor.
Die regierenden Sozialisten werben da-
mit, dass es dem einstigen Krisenland un-
ter Ministerpräsident António Costa so
gut geht wie schon lange nicht mehr.
Dieses Mal ist man in Lissabon besser
vorbereitet als an Ostern. Vorsorglich hat
die Regierung bis zum 21. August den
Energienotstand ausgerufen. Die Sicher-
heitskräfte stehen in Bereitschaft. Not-
falls sollen Polizisten und Soldaten nicht
nur Blockaden beseitigen, sondern auch
die Tanklastzüge selbst fahren und entla-
den. Die Portugiesen könnten gelassen
sein, dieses Mal sei man gut vorbereitet,
versuchte Innenminister Eduardo Cabrita
zu beruhigen: „Wir haben kein Kraftstoff-
problem, wir haben ein Problem mit der
Verzögerung der Kraftstoffversorgung.“
Doch an vielen Tankstellen bildeten sich
am Wochenende lange Schlangen, bis an
den Zapfsäulen Zettel mit „Kein Benzin
mehr“ hingen.
Vor Streikbeginn war der Kraftstoffab-
satz im August laut Presseberichten dop-
pelt so hoch wie üblich. Das trifft die Al-
garveküste besonders. Während der Som-
mersaison verdreifacht sich dort wegen
der vielen Urlauber die Bevölkerungs-
zahl. Wer in der Nähe der spanischen
Grenze lebt, kann zumindest zum Tanken
ins Nachbarland ausweichen. Verbrau-
cherschützer gaben Tipps für treibstoff-

sparendes Fahren. So sollte man am bes-
ten die Klimaanlage so wenig wie möglich
nutzen, nicht in der Sonne parken und hö-
here Geschwindigkeiten vermeiden. Die
beste Zeit zum Tanken sei am kühlen Mor-
gen, dann sei der Treibstoff dichter und
halte länger. Wer kann, solle am besten
auf öffentliche Verkehrsmittel umsteigen
oder von zu Hause aus arbeiten.
Die Regierung hat festgelegt, wie die
Grundversorgung gesichert bleiben soll.
Der Notfallplan sieht vor, dass Flug- und
Seehäfen sowie Rettungsdienste und Si-
cherheitskräfte weiterhin den Treibstoff
erhalten, den sie benötigen – in Lissabon
ist das schwierig, denn zum wichtigsten
Flughafen führt keine Treibstoffleitung.
Das Kerosin transportieren Tanklastwa-
gen dorthin. Für den öffentlichen Perso-
nenverkehr sowie die Lieferanten der
wichtigsten Nahrungsmittel stehen 75
Prozent ihres Bedarfs bereit, für den Rest
mindestens 50 Prozent – auch für die Tou-
risten. Von Montag an sollen für jedes
Auto nur noch 25 Liter und für jeden Last-
wagen nur noch hundert Liter Kraftstoff
verkauft werden.
Die streikenden Fahrer haben trotzig
angekündigt, dass sie so lange weiterma-
chen werden, bis sie ihre Forderungen
durchgesetzt haben, selbst wenn das ei-
nen Monat dauert. Nach Ostern hatte
man sich darauf geeinigt, das Grundge-
halt von 630 auf 700 Euro zu Beginn des

nächsten Jahres zu erhöhen. Dazu kom-
men noch Zulagen. Jetzt verlangen die
Transporteure eine schrittweise Steige-
rung bis auf 900 Euro im Jahr 2022. In
den vergangenen Monaten hatten kleine-
re Gewerkschaften ihre Mitglieder immer
wieder zum Ausstand aufgerufen. Denn
das Wirtschaftswachstum weckt nach
dem Ende der schweren Wirtschafts- und
Finanzkrise Begehrlichkeiten. Die Portu-
giesen haben genug vom Sparen und se-
hen nicht mehr ein, dass ihre Regierung
lieber streberhaft Schulden vorzeitig tilgt,
statt die Steuermehreinnahmen zu Hause
auszugeben.
Vor den Gefahrguttransporteuren hat-
ten schon U-Bahn-Fahrer, Hafenarbeiter,
Klinik- und Gefängnispersonal ihre Ar-
beit niedergelegt. Lehrer kämpfen dafür,
dass sie rückwirkend die Beförderungen
erhalten, die ihnen während der Krise ge-
strichen worden waren. Es geht um Hun-
derte Millionen Euro von Nachzahlungen,
zu denen die Regierung nicht bereit ist.
Sie will das Wachstum nicht gefährden.
Sie senkte das Haushaltsdefizit im vergan-
genen Jahr auf den historisch niedrigsten
Stand von 0,5 Prozent und will sich von ih-
rer Konsolidierungspolitik nicht abbrin-
gen lassen. Im laufenden Jahr soll es dann
nur noch 0,2 Prozent betragen.
Trotz der Haushaltsdisziplin muss sich
die sozialistische Minderheitsregierung
keine Sorgen um ihre Wiederwahl bei der

Parlamentswahl am 6. Oktober machen.
Laut den jüngsten Umfragen, die vor dem
Streik entstanden, würde die PS von Re-
gierungschef Costa ihr Ergebnis der Euro-
pawahl im Mai von 33,4 Prozent sogar
noch um gut zwei Prozentpunkte übertref-
fen. Als Partner würde dann sogar der
ebenfalls gestärkte Linksblock genügen;
bisher tolerieren zusätzlich noch die Kom-
munisten Costas Minderheitsregierung.
Den liberal-konservativen Sozialdemo-
kraten droht mit gut 20 Prozent eines ih-
rer schlechtesten Wahlergebnisse. Für
den amtierenden spanischen Ministerprä-
sident Pedro Sánchez ist Portugal das gro-
ße Vorbild: Der Sozialist will in Madrid
eine von der linksalternativen Podemos-
Partei tolerierte Minderheitsregierung bil-
den. Aber im Unterschied zum Portugie-
sen Costa bewies Sánchez bisher kein Ver-
handlungsgeschick.
Auf dem Arbeitsmarkt haben die Portu-
giesen den großen iberischen Nachbarn
ebenfalls abgehängt. Mit 6,8 Prozent ist
die Arbeitslosenquote mehr als halb so
niedrig wie in Spanien. Der portugiesi-
sche Boom führte mittlerweile sogar
dazu, dass die Arbeitskräfte in der Land-
wirtschaft und der IT-Branche knapp wer-
den. Die Regierung versucht, Portugie-
sen, die wegen der Krise im Ausland Ar-
beit suchten, zur Rückkehr zu bewegen.
Zugleich wirbt sie um Venezolaner mit
portugiesischen Wurzeln.

mawy. HAMBURG, 12. August. Der
Hamburger Polizeipräsident Ralf Martin
Meyer hat den Leiter des Landeskriminal-
amtes, Frank-Martin Heise, abgesetzt.
„Mir als Amtsleitung fehlt das notwendige
Vertrauen für eine weitere Zusammenar-
beit“, äußerte Meyer am Montag in einem
internen Schreiben, das dieser Zeitung vor-
liegt. Hintergrund der Entlassung ist offen-
sichtlich eine bereits seit Monaten schwe-
lende Affäre bei der Polizei rund um die so-
genannte Cold-Case-Unit (CCU) des Lan-
deskriminalamtes. In seinem Schreiben
nimmt Meyer selbst Bezug darauf und for-
muliert, diese „nicht leichte Entscheidung
ist im Kontext der Untersuchung der Ar-
beitsgruppe CCU erforderlich geworden“.
Die CCU war lange so etwas wie eine
Vorzeige-Ermittlungsgruppe der Hambur-
ger Polizei. Sie soll lange zurückliegende
Kriminalfälle wieder aufrollen und lösen.
Die Einheit und ihre Ermittlungen wur-
den auch medial intensiv begleitet. Jedoch
bekam das positive Bild im Laufe eines Ge-
richtsprozesses im Herbst vergangenen
Jahres erhebliche Kratzer. Da wurde ein
Fall aus dem Jahr 1980 verhandelt, es ging
um die versuchte Ermordung und Verge-
waltigung eines damals 16 Jahre alten
Mädchens. Fast 40 Jahre nach dem Verbre-
chen hatte die CCU einen Verdächtigen er-
mittelt und verhaftet, es gab Fotos in der
Lokalpresse, wie der damalige Leiter der

Gruppe den Verdächtigen abführt. Im spä-
teren Prozess allerdings kam es zum
Eklat, als die Richterin den Verdächtigen
nicht nur freisprach, sondern ihren Urteils-
spruch mit massiver Kritik an der Ermitt-
lungsarbeit der CCU verband. Kritisiert
wurde unter anderem, dass Zeugen sugges-
tiv befragt worden seien. Interne Untersu-
chungen wurden bei der Polizei ange-
strengt und der Leiter der CCU bereits we-
nige Wochen darauf abgelöst. Gegen ihn
läuft ein Disziplinarverfahren, strafrechtli-
che Ermittlungen gab es nicht. Sein An-
walt kritisierte später das Verhalten der
Polizeiführung, sein Mandant solle wo-
möglich zum Sündenbock gemacht wer-
den. Immer wieder rückte so auch das Ver-
halten Heises ins Zentrum des Interesses.
Eine weitere Untersuchung sollte die
Vorgänge rund um die CCU und die Füh-
rung im LKA beleuchten und führte nun
offenbar zu Heises Absetzung. Meyer
schreibt, dass der Bericht der Untersu-
chung auch über den konkreten Fall der
CCU hinaus zeige, dass das Führungsver-
halten zu so erheblicher Kritik geführt
habe, dass er eine weitere Verwendung
von Heise in dieser Funktion nicht länger
verantworten könne. Aus Polizeikreisen
heißt es allerdings, dass die erwähnten Ver-
fehlungen weder strafrechtlich noch diszip-
linarrechtlich relevant gewesen seien. Die
Stelle soll nun ausgeschrieben werden.

Angriff auf Magnitz ungeklärt
Die Staatsanwaltschaft Bremen hat
ihre Ermittlungen zum Angriff auf den
Bremer AfD-Politiker Frank Magnitz
eingestellt. Der Bundestagsabgeordne-
te war Anfang Januar von Vermumm-
ten hinterrücks attackiert und zu Bo-
den gestoßen worden und hatte sich da-
bei erhebliche Verletzungen zugezo-
gen. Obwohl Videoaufzeichnungen
von der Tat veröffentlicht wurden und
200 Hinweise bei der Polizei eingin-
gen, konnten die Täter nicht ermittelt
werden. Das Bundeskriminalamt ord-
nete die Attacke in einer Publikation
vor wenigen Wochen der linken Szene
zu. Diese Bewertung geht vermutlich
auf eine entsprechende Meldung der
Bremer Behörden zurück, die aber, wie
die Staatsanwaltschaft Bremen am
Montag hervorhob, nur den „allerers-
ten“ Verdacht bei den Ermittlungen
wiedergegeben habe. (bin.)

Poggenburg tritt wieder aus
André Poggenburg ist als Vorsitzender
des „Aufbruchs deutscher Patrioten
Mitteldeutschland“ (ADPM) zurückge-
treten und hat angekündigt, die Partei
zu verlassen. Der frühere AfD-Spitzen-
politiker Poggenburg hatte die neue
Partei erst im Januar gegründet, nach-
dem er in seiner alten Partei nach ei-
nem Zerwürfnis keine Perspektive
mehr für sich sah. Da Poggenburg bei
der anstehenden Landtagswahl in Sach-
sen nun kaum Chancen für die ADPM
erkennt, wollte er aus „patriotischer
Pflicht“ zur Wahl der AfD aufrufen,
konnte sich mit dieser Linie aber nicht
bei den Mitgliedern durchsetzen. (bin.)

Gespräche in Qatar beendet
Die Vereinigten Staaten und die Tali-
ban haben ihre jüngste Gesprächsrun-
de über Wege zum Frieden in Afghanis-
tan beendet. Beide Teams hätten im
Golfemirat Qatar bis 2.30 Uhr morgens
(Ortszeit) gearbeitet, teilte ein Taliban-
Sprecher am Montagmorgen auf Twit-
ter mit. Die Gespräche seien „lang und
nützlich“ gewesen. Nun würden beide
Seiten mit ihrer Führung über die weite-
ren Schritte beraten. Es war nicht un-
mittelbar klar, ob die beiden Delegatio-
nen zu einer Einigung gekommen sind.
Der amerikanische Chefunterhändler
Zalmay Khalilzad schrieb auf Twitter,
die Gespräche seien „produktiv“ verlau-
fen. In den seit Juli vergangenen Jahres
laufenden Gesprächen geht es vor al-
lem um Truppenabzüge und Garantien
der Taliban, dass Afghanistan nicht zu
einem sicheren Hafen für Terroristen
wird. Die Gespräche sollen zudem in of-
fizielle Friedensgespräche zwischen
der Regierung in Kabul und den Tali-
ban münden. Die Islamisten hatten es
bisher abgelehnt, mit der Regierung zu
sprechen, die sie als „Marionette“ des
Westens betrachten. Auch ein Waffen-
stillstand war Thema bei den Gesprä-
chen in Doha. (dpa)

FRANKFURT, 12. August. Kaum
eine Erhebung ist in Sicherheitsdebat-
ten so gefragt wie die Polizeiliche Kri-
minalstatistik (PKS) – und kaum eine
Datensammlung weniger aussagekräf-
tig. Das liegt nicht nur daran, dass Sta-
tistiken grundsätzlich zu Fehlschlüssen
verleiten; im Fall der PKS kommen
handfeste Gründe hinzu. Sie betreffen
auch den Umgang mit Opferzahlen.
Nur bei bestimmten Delikten weist
die PKS Opferzahlen überhaupt aus, so
bei Mord und Totschlag. Wie ungenau
die Zahlen sind, illustriert die Antwort
auf eine schriftliche Frage der innenpo-
litischen Sprecherin der Grünen-Bun-
destagsfraktion, Irene Mihalic. Dem-
nach zählt die PKS auch die Personen
zu den Opfern eines vollendeten Tö-
tungsdelikts, die nur verletzt wurden –
sofern eine andere Person durch diesel-
be Tat gestorben ist. „Die anderen Op-
fer werden, auch wenn sie lediglich Op-
fer einer versuchten Straftat sind,...
mitgezählt“, heißt es in der Antwort
des Bundesinnenministeriums (BMI),
die dieser Zeitung vorliegt. Der Fall des
Attentats auf dem Berliner Breitscheid-
platz illustriert die Methode: Anis
Amri tötete damals zwölf Menschen,
Dutzende verletzte er zum Teil schwer.
Zu den Mordopfern zählt die PKS Getö-
tete ebenso wie Verletzte. Dort sei die
Zahl der Opfer vollendeter Straftaten
insofern höher als tatsächlich, räumt
das BMI ein.
In der öffentlichen Wahrnehmung
entstehe auf diese Weise ein verzerrtes
Bild, kritisiert Mihalic. Die Zählweise
zeige abermals, wie viel politisches
Schindluder mit der Statistik getrieben
werden könne. Im BMI hält man an der
PKS dagegen fest. Deren Eignung „als
Grundlage für eine Darstellung der Kri-
minalitätsbelastung insgesamt“ sei
durch die Zählweise nicht „nachhaltig
beeinträchtigt“. Allerdings sprechen
zahlreiche Aspekte gegen die Statistik.
Dort landet ein Vorgang, sobald die
Polizei ihn an die Staatsanwaltschaft
abgibt – unabhängig davon, wie das
Verfahren ausgeht. Eine „Aufklärungs-
quote“, wie es darin heißt, kann die
PKS deshalb nicht liefern. In erster Li-
nie ist sie ein Arbeitsnachweis der Poli-
zei. Die Statistik erfasst zudem nur Fäl-
le, die der Polizei bekannt geworden
sind. Den Einfluss des Anzeigeverhal-
tens lässt sie außer Acht, obwohl es – je
nach Delikt und Verhältnis zwischen
Täter und Opfer – höchst unterschied-
lich ist. Gleiches gilt etwa für den Ein-
fluss von Gesetzesänderungen.
„Die Zahlen, an denen die Kriminali-
tätslage in Deutschland gemessen
wird, dürfen nicht länger vom jeweili-
gen Innenminister, wie es ihm passt, zu-
sammengewürfelt werden“, meint Mi-
halic. Im Frühjahr hat ihre Fraktion ei-
nen Gesetzentwurf vorgelegt, in dem
sie eine Neuauflage des Periodischen
Sicherheitsberichts fordert. Dabei han-
delt es sich um eine deskriptive und
analytische Kriminalitätsuntersu-
chung, die erstmals 2001 unter dem da-
maligen Bundesinnenminister Otto
Schily und der Bundesjustizministerin
Herta Däubler-Gmelin (beide SPD) er-
schien. Ein zweiter Bericht folgte fünf
Jahre später. Erarbeitet wurde die Stu-
die von Kriminologen, Soziologen und
Psychologen sowie Mitarbeitern des
Bundeskriminalamts (BKA), des Statis-
tischen Bundesamts und der Krimino-
logischen Zentralstelle. Neben Krimi-
nalitätsentwicklungen und deren Ursa-
chen untersuchten sie etwa Anzeigever-
halten, Ermittlungs- und Verurteilungs-
praxis sowie Rückfälligkeit.
Der Bericht wurde allseits als wichti-
ges Instrument zur präventiven Krimi-
nalitätsbekämpfung gepriesen. Im Ko-
alitionsvertrag einigten sich die Regie-
rungsparteien deshalb auf eine „zügige“
Neuauflage. Vor gut einem Jahr hieß es
aus dem BMI, noch sei unklar, ob ent-
sprechende Mittel bereitgestellt wür-
den. Am Montag hieß es auf Nachfra-
ge, man wolle den neuen Sicherheitsbe-
richt noch in dieser Legislaturperiode
vorlegen. Derzeit stimmten BMI und
Bundesjustizministerium untereinan-
der ab, wie das Vorhaben am besten
umgesetzt werden könne.
Der Opferzahlen will man sich im
BMI schneller annehmen. In der Ant-
wort auf die schriftliche Frage heißt es,
die „Interpretationsproblematik“ wer-
de voraussichtlich bis zum 1. Januar be-
hoben.


pca.BERLIN, 12. August. SPD-General-
sekretär Lars Klingbeil hat Kritik am Aus-
wahlverfahren für den Parteivorsitz zu-
rückgewiesen. Dieses Verfahren sieht vor,
dass sich nach einer etwa neunwöchigen
Bewerbungsfrist eine Vielzahl von Kandi-
daten bei einer sechswöchigen Bewer-
bungstour durch 23 Städte präsentiert.
Dann stimmen bis Ende Oktober die Mit-
glieder ab, eventuell folgt noch ein zweiter
Wahlgang. Wiederum rund vier Wochen
später soll ein Parteitag die neue Partei-
spitze bestätigen. An dem Verfahren gibt
es inzwischen breite Kritik, formal, aber
auch wegen der Dauer.
Der SPD-Politiker Matthias Machnig
etwa hatte seiner Partei zuletzt „organisier-
te Verantwortungslosigkeit“ vorgeworfen.
Das Verfahren, so Machnig auf dem Nach-
richtenportal „Spiegel Online“, demons-
triere nicht Verantwortungsbewusstsein,
„sondern Mutlosigkeit, Ratlosigkeit und
Führungslosigkeit“. Zögerlichen Bewer-
bern warf er vor, zu lavieren und zu taktie-
ren. Klingbeil sagte dazu im Fernsehen:
„Hätten wir das alte Verfahren beibehal-
ten wollen, dass einfach die nächsten von
der Liste jetzt den SPD-Vorsitz überneh-
men, dann hätten wir gar nichts ändern
brauchen.“ Er fügte hinzu: „Aber Politik
braucht Umbrüche. Die sind jetzt da.“ Der
Generalsekretär hatte das Verfahren maß-

geblich mitbestimmt. Aber auch Klingbeil
überlegt, ob er selbst kandidieren will.
Alle hätten Zeit bis zum 1. September.
„Und da verspüre ich auch gar keinen
Druck.“ Das ist nachvollziehbar, denn
Klingbeil kann als potentieller Kandidat
bis dahin den Parteiapparat nutzen und
müsste erst als offizieller Kandidat mit
den kargen Mitteln auskommen, die der
Parteivorstand den übrigen Bewerbern zu-
billigt. Manuela Schwesig, kommissari-
sche SPD-Vorsitzende und Ministerpräsi-
dentin Mecklenburg-Vorpommerns, sagte
am Sonntag im ZDF: „Ich bin sicher, dass
es noch weitere gute Kandidaten geben
wird.“
Unterdessen wehrt sich der mögliche
Nachrücker für das Bundestagsmandat der
früheren Parteivorsitzenden Andrea Nah-
les gegen Vorwürfe, er stehe rechts von sei-
ner Partei. Der SPD-Politiker Joe Weingar-
ten, derzeit im Wirtschaftsministerium
von Rheinland-Pfalz als Abteilungsleiter
tätig, schrieb auf Twitter: „Ich bin 41 Jah-
ren in der SPD und dort für eine pragmati-
sche und wirtschaftsfreundliche Politik, zu
der auch Recht und Ordnung gehören.
Aber die Frage ist, ob in der SPD noch
Platz für Vertreter dieser Denkrichtung
ist.“ Nahles hatte bei ihrem Rücktritt vom
Partei- und den Fraktionsvorsitz angekün-
digt, nach der Sommerpause auch ihr Man-
dat abzugeben.

Walter Kannengießer 90
Mehr als drei Jahrzehnte hat er die deut-
sche Sozial- und Finanzpolitik als Bon-
ner Korrespondent der Frankfurter All-
gemeinen Zeitung kritisch begleitet
und sich mit seinen Artikeln einen Ruf
wie Donnerhall erworben. Seine Texte
gehörten von 1963 bis zu seiner Pensio-
nierung als Leiter der Bonner Wirt-
schaftsredaktion im Jahr 1996 zur
Pflichtlektüre für jeden, der mitreden
wollte oder zu entscheiden hatte.
Gleichgültig ob es um die nächste Re-
form des Rentensystems, die Geldnot
der Krankenkassen oder die Steuerkon-
zepte der Finanzminister Stoltenberg
(CDU) oder Waigel (CSU) ging, immer
durften sich seine Leser darauf verlas-
sen, dass jedes Detail stimmte und sei-
ne Leitartikel fundierte Argumente aus
dem Blickwinkel eines überzeugten
Verfechters der Sozialen Marktwirt-
schaft boten. In der alten Hauptstadt
ging das Bonmot um, dass die Ministe-
rialbeamten erst gut schliefen, wenn
„Kg.“ ihnen keine Fehler in den Gesetz-
entwürfen nachgewiesen hatte. Das
journalistische Rüstzeug hat er sich
früh in der väterlichen „Neuen Tages-
post“ in seiner Heimatstadt Osnabrück
geholt, ein Studium der Volkswirt-
schaftslehre in Münster bei Müller-Ar-
mack lieferte das theoretische Funda-
ment für seine Arbeit. Vor wenigen Jah-
ren ist Kannengießer mit seiner Frau
zurück nach Osnabrück gezogen. Hier
feiert er im Kreis der Familie an diesem
Dienstag seinen 90. Geburtstag. (hig.)

Energienotstand in der Hauptreisezeit


Setzen die sozialistische Regierung unter Druck:Streikende Fahrer am Montag in Aveiras de Cima Foto AFP


Hamburger LKA-Chef abgesetzt


Nach Skandal bei Vorzeige-Ermittlungsgruppe


Werdrin ist Wichtiges in Kürze


und wer nicht


Kritik an Polizeilicher


Kriminalstatistik


Von Marlene Grunert


Klingbeil verteidigt SPD-Verfahren


Kritik an langer Suche nach Vorsitzenden


Personalien


In Portugal streiken die


Fahrer von Lastwagen


mit Gefahrgut. Ihr


Ausstand bringt die


Regierung vor den


Parlamentswahlen


in Bedrängnis.


Von Hans-Christian


Rößler


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