Süddeutsche Zeitung - 13.08.2019

(nextflipdebug5) #1
In diesen Nächten werden viele Hobby-Me-
teorologen sicher wieder gen Himmel
schauen, in der Hoffnung, die eine oder
andere Sternschnuppe zu sehen: Der
Höhepunkt der Perseiden steht an, einem
jährlich wiederkehrenden Meteoriten-
strom. Pro Stunde könnten zwischen 20
und 50 Sternschnuppen gesichtet werden,
in Gebirgsregionen bis zu hundert.
Das gilt allerdings nur bei klarem
Himmel. Die Wettervorhersage verspricht
wenig Positives. „Die Bedingungen sind
insgesamt sehr mau“, sagt Martin Jonas,
Meteorologe des Deutschen Wetterdiens-
tes. Bis auf einige Regionen an der Ostsee,
einem kleinen Bereich zwischen Baden
und Thüringen sowie Gegenden im Osten
Brandenburgs und Sachsens seien die
Chancen, einige Sternschnuppen zu se-
hen, „nahezu Null“. Natürlich könne die
Wolkendecke hier und da kurz aufreißen
und Beobachtern einen Blick auf den
Sternschnuppenregen ermöglichen, sagt
er, allerdings: „Wer stellt sich schon stun-
denlang in den Regen und wartet?“
Die Perseiden – benannt nach ihrem
scheinbaren Ursprung im Sternbild Per-
seus – entstehen, wenn die Erde auf ihrer
Bahn auf die winzigen Überreste des
Kometen „109P/Swift-Tuttle“ trifft. In der
Erdatmosphäre prallen die Staubteilchen
mit Geschwindigkeiten von mehr als

200000 Kilometern pro Stunde auf Luft-
moleküle in der Atmosphäre und verdamp-
fen. Die verglühenden Luftpartikel leuch-
ten – eine Sternschnuppe ist zu sehen. Die
ersten Meteore der Perseiden fielen be-
reits am 17. Juli. Die letzten können um den


  1. August gesehen werden. Wer also
    bisher kein Glück hatte und noch eine
    Sternschnuppe beobachten will, dem
    bleiben noch einige Tage. Die meisten
    Sternschnuppen treten allerdings in der
    Nacht vom 12. auf den 13. August auf.
    Das alljährliche Naturschauspiel um-
    gibt allerlei Mystik und Aberglaube. So
    werden die Perseiden auch als Laurentius-
    tränen bezeichnet, benannt nach dem
    Heiligen Laurentius von Rom. Den Überlie-
    ferungen nach soll er am 10. August 258
    auf einem glühenden Rost zu Tode gefol-
    tert worden sein, weshalb der Märtyrer als
    Schutzpatron für Bäcker, Köche oder
    Glasbläser gilt – jenen Berufsgruppen, die
    am offenen Feuer arbeiten. Früher, als
    Himmelserscheinungen eine religiöse Be-
    deutung zugewiesen wurde, galten Stern-
    schnuppen als göttliche Funken oder Doch-
    te, die Engeln herunterfielen, während sie
    die Himmelskerzen putzten. Vieles davon
    erscheint aus heutiger Sicht amüsant. Ein
    Aberglaube aber hält sich bis heute: Sieht
    man eine Sternschnuppe, darf man sich
    etwas wünschen. tobias herrmann


von tobias herrmann

E


s erschien alles so logisch: Jugendli-
che, meist Mädchen, kommen in die
Pubertät, lernen, sich mit ihrem Kör-

per zu beschäftigen, und treffen dabei auf


eine Gesellschaft, auf soziale Medien und


auf Werbebotschaften, die das Idealbild


gertenschlanker Models vermitteln. Die


Mädchen beginnen, ihre Figur kritisch zu


betrachten, essen weniger, machen Diä-


ten. Der Wunsch, abzunehmen, wird zum


Zwang, die Nahrungsaufnahme wird fast


vollständig eingestellt und jede Kalorie ge-


zählt. Irgendwann wird das Untergewicht


lebensgefährlich.


Doch hat die Magersucht tatsächlich

rein psychische Ursachen? „Nein“, sagt Bea-


te Herpertz-Dahlmann. Die Leiterin der


Kinder- und Jugendpsychiatrie an der


Uniklinik Aachen schloss sich mit rund


200 Ärzten und Wissenschaftlern aus 17


Ländern zusammen, um das Erbgut von


mehr als 17000 Magersucht-Betroffenen


sowie 55000 gesunden Probanden zu un-


tersuchen. Ihre Ergebnisse, die kürzlich im


FachblattNature Geneticsveröffentlicht


wurden, weisen darauf hin, dass Mager-


sucht, anders als bisher angenommen, kei-


ne rein psychische Erkrankung ist, son-


dern auch durch metabolische, das heißt


den Stoffwechsel betreffende Faktoren ver-


ursacht werden kann.


Bei dieser groß angelegten, sogenann-

ten genomweiten Assoziationsstudie konn-


ten die Forscher insgesamt acht geneti-


sche Variationen identifizieren, die bei Ano-


rexie-Patienten häufiger auftraten als in


der Kontrollgruppe. „Man kann daher da-


von ausgehen, dass diese Gene bei Mager-


sucht eine essenzielle Rolle spielen“, sagt


Herpertz-Dahlmann. Einige der gefunde-


nen Genvarianten werden auch mit Depres-


sionen, Schizophrenie und weiteren psych-


iatrischen Erkrankungen in Verbindung


gebracht, was das vorherrschende Bild von


der Magersucht zu zementieren scheint.
Allerdings wiesen die Probanden in der
Gruppe der Magersucht-Patienten auch ge-
netische Auffälligkeiten auf, die mit Stoff-
wechselstörungen in Verbindung stehen.
So fanden sich etwa Gene, die den Zucker-
oder Fetthaushalt regulieren und nun als
mögliche an Magersucht beteiligte Fakto-
ren in Betracht gezogen werden.
Natürlich galten Stoffwechselstörun-
gen und körperliche Phänomene wie massi-
ves Untergewicht seit jeher als Bestandteil
von Magersucht, das oberste Ziel jeder The-
rapie lautet schließlich zunächst, dass die
Patienten an Gewicht zunehmen und ihr
Essverhalten normalisieren. Der entschei-
dende Unterschied jedoch: Bisher wurden
diese körperlichen Merkmale stets als Fol-
geerscheinung der Essstörung angesehen.
Doch in letzter Zeit kamen daran immer
mehr Zweifel auf. Zur Theorie von der rein
psychischen Erkrankung passte zum Bei-
spiel nicht die Beobachtung, dass viele
Magersucht-Betroffene bereits im Klein-
kindalter untergewichtig waren. Dazu fiel
Ärzten auf, dass die Krankheit gehäuft in-
nerhalb von Familien auftrat. Oft litten
auch Schwester oder Mutter der Patientin
an Essstörungen. All diese Indizien nähr-
ten den Verdacht, die Krankheit könnte
auch genetisch bedingt sein. Die aktuelle
Studie scheint dies zu bestätigen.

Die daran beteiligten Forscher fordern
nun, Magersucht müsse künftig in glei-
chem Maße sowohl als psychische als auch
als stoffwechselbedingte Erkrankung aner-
kannt werden. In künftigen Behandlungs-
ansätzen sollten körperliche Faktoren
ebenfalls miteinbezogen werden, um eine
„nachhaltige Gewichtszunahme und psy-

chologische Genesung“ zu erreichen, wie
die Studienautoren in Nature Genetics
schreiben. Dabei werden in bestehenden
Therapien schon viele verschiedene Ansät-
ze verfolgt – bislang jedoch mit durchwach-
senem Erfolg.
Der Bedarf an effektiveren Therapien
ist jedoch immens. Laut Bundeszentrale
für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) lei-
den etwa ein bis vier Prozent aller Frauen
mindestens einmal in ihrem Leben an Ma-
gersucht, Männer bis zu zehnmal seltener.
Nach Angaben des US-amerikanischen
National Center of Excellence for Eating Di-
sorders weist Magersucht die höchste
Sterblichkeitsrate aller Krankheiten auf,
die mit Störungen der menschlichen Psy-
che assoziiert werden. Laut Bundesgesund-
heitsministerium sterben zehn Prozent
der Patienten in den ersten zehn Jahren
nach Ausbruch der Erkrankung. Jeder
fünfte dieser Todesfälle wird als Suizid ge-
wertet.
Viele Betroffene verheimlichen ihre
Krankheit oder reden sich selbst ein, keine
Probleme zu haben. Suchen sie sich doch
irgendwann professionelle Hilfe, ist es
manchmal zu spät. Dann haben die Organe
infolge der lang anhaltenden Mangelernäh-
rung bereits irreparable Schäden genom-
men, weshalb die Patienten auch beispiels-
weise an Nierenversagen sterben.
Das sind bedrückende Fakten, doch die
Prognosen könnten sich angesichts der
jüngsten Forschungsergebnisse bald ver-
bessern, hofft Beate Herpertz-Dahlmann.
„Die Behandlung von Magersucht befindet
sich im Umbruch“, sagt sie. Nachdem sich
lange Zeit wenig getan hätte, gewinne man
im Moment ein grundlegend neues Ver-
ständnis von den Ursachen der Anorexia
nervosa. So sei etwa die Darmflora von Ma-
gersuchtpatienten stark verändert. Stu-
dien aus jüngster Zeit zeigten jedoch, dass
die Zusammensetzung der Darmbakterien
Auswirkungen auf das Gehirn habe. Ein

möglicher Therapieansatz für Magersucht
könnte folglich sein, die veränderte Darm-
flora zu behandeln, um die psychischen
Störfaktoren zu begrenzen, meint Her-
pertz-Dahlmann.

Auch Leptin könnte eine Rolle spielen.
Das Hormon wird in den Fettzellen gebil-
det und reguliert das Hunger- und Sätti-
gungsgefühl. Ein niedriger Leptinspiegel
kurbelt den Appetit an, eine hohe Konzen-
tration an Leptin vermittelt dem Gehirn,
dass der Körper gerade genug zu sich ge-
nommen hat und satt ist. Da Anorexia-Pati-
enten gewöhnlich nur wenig Körperfett ha-
ben und aufgrund fehlender Fettzellen
kaum Leptin produzieren, müssten sie be-
sonders viel Appetit verspüren. Da dies
nicht der Fall ist, vermuten Wissenschaft-
ler, dass bei Magersucht auch das Leptin-
Hormonsystem grundlegend gestört ist.
„Das könnte als Anhaltspunkt für weitere
Medikamente dienen“, sagt Herpertz-Dahl-
mann.
Zwar wurden bereits erste Ergebnisse ih-
res Projekts publiziert, beendet ist es je-
doch nicht. „Die Versuche laufen weiter“,
sagt die Ärztin. Weltweit untersuchen For-
scher das Erbgut von Patienten und verglei-
chen es mit gesunden Probanden. „Schon
bald könnten wir Proben von 20 000 oder
25000 Patienten zusammentragen“, sagt
Herpertz-Dahlmann. Könnte damit ein
Gentest entwickelt werden, um eine mögli-
che Gefährdung schon bei Kindern festzu-
stellen? So weit sind die Forscher noch lan-
ge nicht, Magersucht ist und bleibt eine
enorm komplexe Krankheit. Zu ihrer Ent-
stehung gehört sicher mehr als die bisher
identifizierten acht Genvarianten. Aber im-
merhin, es ist ein Anfang.

Mehr als 200 Jahre nachdem Dampf-
maschinen dasIndustriezeitalter in Gang
brachten, ist die vermeintlich altmodische
Antriebstechnik wieder im Gespräch.
Soeben wurde getestet, wie sich moderne
menschengemachte Vehikel mit Wasser-
dampf fortbewegen können – und das
nicht auf dem Erdboden, sondern im Welt-
raum. Kein Witz.
Anders als in alten Dampfmaschinen
treibt der Dampf keinen Kolbenmotor an,
sondern versprüht das aufgeheizte Wasser
aus einer Düse. Die Nasa hat das in den
vergangenen Wochen ausprobiert und mit
Dampfsprühern versehene Kleinstsatelli-
ten im Orbit herumbugsiert. Bei einem
Versuch waren zwei der schuhschachtel-
kleinen Raumfahrzeuge, Cubesat ge-
nannt, neun Kilometer voneinander
entfernt, als sie eine Funkverbindung zu-
einander aufbauten und vollautomatisch
ein Annäherungsmanöver starteten. Die
hierzu benötigte Schubkraft wurde mit
winzigen Dampfdüsen erzeugt. Wichtiger
noch als die ungewöhnliche Antriebsme-
thode war den Wissenschaftlern die Auto-
nomie der Fluggeräte. Die Satelliten verab-
redeten sich weitgehend selbständig zu
ihrem orbitalen Paartanz.
Das Prinzip des Dampfantriebs ist recht
einfach: Durch winzige Röhrchen fließt
Wasser mithilfe des Kapillareffekts bis zu
einer Heizeinheit an der Öffnung des Trieb-
werks. Dort wird das Wasser erhitzt und
verdampft, was den nötigen Schub er-
zeugt. Die Schubleistung ist gering, weni-
ger als ein Watt, aber im All ist für Manöver
auch keine Eile geboten. Zwölf Düsen genü-
gen, damit ein Kleinsatellit sich in jede
Raumrichtung bewegen kann.
Die Versuche sind Teil des Small Space-
craft Technology Program SSTP der Nasa.
Die dabei erforschten Kleinstsatelliten
könnten im Weltraum zunehmend an-
spruchsvolle Aufgaben übernehmen, von
der Erdbeobachtung bis zur Erkundung an-
derer Himmelskörper im Sonnensystem.
Indem sich die weniger als zehn Zentime-
ter kleinen Mini-Flugkörper wie Schwär-

me vernetzen und ihre Mission autonom
verfolgen, können sie Ziele und Aufgaben
selbständig definieren und verfolgen.
Bislang ist das autonomste Forschungs-
gerät im All der seit 2012 auf dem Mars täti-
ge RoboterCuriosity. Doch dessen Freiheit
ist eingeschränkt: Der Rover kann selbstän-
dig nur im Rahmen eines klar definierten
Katalogs von Instruktionen entscheiden.
Das könnte bei künftigen Weltraummissio-
nen aber nach und nach anders werden.
Sinnvoll ist die Autonomie von Raumfahr-
zeugen unter anderem, weil Funkbefehle
von der irdischen Bodenkontrolle zeitver-
zögert ankommen. Bis zum Mars brau-
chen Signale je nach Abstand zur Erde
zwischen zweieinhalb und 22 Minuten.
Noch viel länger brauchen Befehle, die
man zu Sonden im äußeren Sonnensystem
schickt.
Bezieht man die rasanten Entwicklun-
gen im Bereich der künstlichen Intelligenz
ein, ist denkbar, dass künftig drohnenarti-
ge Raumfahrzeuge im All ausschwärmen,
ausgestattet nur mit der Anweisung, dies
und jenes zu erkunden. Den Rest erledigt
der Schwarm. patrick illinger

Kann man das Leptin-System


mit Medikamenten
wieder ins Lot bringen?

Über den Wolken


Perseidensturm bringt viele Sternschnuppen


Gene für die Magersucht


Eine Studie legt nahe, dass krankhaftes Hungern neben psychischen auch erbliche Ursachen hat.


Bestehende Anorexie-Therapien müssen möglicherweise überdacht werden


Mit Volldampf im Orbit


Nasatestet neue Antriebstechnik für Minisatelliten


Zehn Prozent der Patienten


sterben innerhalb von zehn Jahren
nach Ausbruch der Krankheit

14 HF2 (^) WISSEN Dienstag,13. August 2019, Nr. 186 DEFGH
FOTO: PETER KOMKA/DPA
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