Süddeutsche Zeitung - 13.08.2019

(nextflipdebug5) #1
Köln– Per Handy-App will das französi-
scheStart-up Liberty Rider das Motorrad-
fahren sicherer machen. Das Unterneh-
men aus Toulouse plant, das Angebot im
kommenden Jahr in andere europäische
Länder zu bringen, darunter auch Deutsch-
land. Bis dahin will das Start-up noch tech-
nische Verbesserungen einbauen.
Das Konzept klingt einfach: Liberty Ri-
der ist eine Smartphone-App, die den
Sturz eines Motorradfahrers erkennt. Da-
für wertet die App die Signale des Handys
aus. Sie stammen aus den Bewegungssen-
soren der Geräte und aus den Signalen des
GPS-Empfängers. Ein Algorithmus er-
kennt einen Sturz. Wenn es dazu kommt,
klingelt für zwei Minuten ein Alarm auf
dem Handy. Falls der Fahrer nicht antwor-
tet, ruft das Assistance-Team den Fahrer
an. Kommt auch dann keine Antwort, wird
der Notruf ausgelöst.
Die App wurde bislang 300000 mal gela-
den. Bisher legten Motorradfahrer mit ihr
180 Millionen Kilometer zurück. Dabei er-
kannte das Programm 782 Unfälle, in 72

Fällen trug es dazu bei, Leben zu retten,
sagt Mitgründer François Tournadre.
Bei allen Neuwagen muss von diesem
Jahr an EU-weit ein automatisches Notruf-
system eingebaut werden, der Ecall. Aber
für Motorräder gilt diese Pflicht nicht,
auch wenn Hersteller wie BMW ein Ecall-
System als Sonderausstattung anbieten.
Die meisten Motorräder haben aber
kein Notrufsystem. Das wollten die Grün-
der von Liberty Rider ändern. Es sei nicht
einfach für einen Motorradfahrer, nach ei-
nem Unfall für Hilfe zu sorgen, sagt Tour-
nadre. „Es geht uns nicht nur um das Unter-
nehmen und den Gewinn, sondern tatsäch-
lich um die Rettung von Menschenleben.“
Liberty Rider ist nicht das einzige Unter-
nehmen, das in diesem Bereich aktiv ist.
Schon vor sechs Jahren brachte Helmher-
steller Schuberth zusammen mit Bosch ein
Gerät auf den Markt, das nach Unfällen ei-
nen Alarm absetzen sollte. Allerdings wa-
ren die Sensoren zu empfindlich, es gab vie-
le Fehlalarme. Anfang 2014 nahm Schub-
erth das Gerät wieder vom Markt.

Inzwischen gibt es eine Reihe von Nach-
rüstsystemen, so die Dguard der deut-
schen Firma Digades. BikerSOS aus Öster-
reich arbeitet ähnlich wie Liberty Rider mit
einer App. „Unsere schärfste Konkurrenz
ist das deutsche Unternehmen Calimoto,
das auch eine App anbietet“, sagt Liberty Ri-
der-Chef Emmanuel Petit.
Der Hauptunterschied zwischen einge-
bautem Gerät und App ist der Preis: Die Ge-
räte können deutlich über 500 Euro kos-
ten. Die Apps arbeiten fast immer mit ei-
ner kostenlosen Version, die schon den Ret-
tungsruf beinhaltet, und einer Premium-
Version, die weitere Dienstleistungen ent-
hält, und im Fall Liberty Rider fünf Euro im
Monat kostet. Von September an soll eine
neue Version der Premium-App weitere
Verbesserungen bringen. Dazu gehört die
Analyse von Kurven, auf deren Grundlage
dem Fahrer die besten und ungefährlichs-
ten Routen angezeigt werden.
Das französische Start-up hat bislang 2
Millionen Euro an Finanzierung eingesam-
melt. Die Versicherer Matmut, Groupe Mas-

sif und Mutuelle des Motards gehören zu
den Investoren. Mit ihnen arbeiten die
Gründer bei der Vermarktung der App zu-
sammen. „Wir haben kein eigenes Budget
für das Marketing, wir entwickeln uns mit
unseren Partnern”, erläutert Petit. Die App
wird an die jeweiligen Marken der Versiche-
rer angepasst.
Jetzt will Liberty Rider das gewonnene
Know-how auch für andere Zielgruppen
nutzbar machen, vor allem Fahrradfahrer.
Und die Firma arbeitet an einem eigenen
Ecall-Gerät, das Hersteller oder Privatnut-
zer dann einbauen können.
„Am meisten ärgert uns, wenn unsere
App einen Unfall nicht erkennt“, sagt der
Unternehmenschef. Am Anfang geschah
das öfter, jetzt kaum noch. Aber was pas-
siert, wenn das Handy defekt ist oder es kei-
nen Empfang hat? Nach Angaben von Petit
haben die Geräte während 97 Prozent der
Fahrten eine Verbindung. Was allerdings
passiert, wenn bei einem Unfall das Handy
zerstört wird, ist nicht gelöst, ebenso we-
nig wie beim Ecall. hannah norris

Bern– Nach vier Monaten Suche hat der


Schweizer Industriekonzern ABB einen


neuen Chef verpflichtet: Björn Rosengren,


60, wird die Führung aber erst im März


2020 übernehmen, wie das Unternehmen


in der Nacht auf Montag mitteilte. Rosen-


gren ist derzeit Chef des schwedischen Ma-


schinenbauers Sandvik, dessen Leitung er


seit 2015 inne hat. Zuvor war er beim finni-


schen Technologieunternehmen Wärtsilä.


Der Schwede Rosengren, ein Sanie-

rungsexperte, soll im Februar nach Zürich


kommen und den Chefposten nach einem


Übergangsmonat von Peter Voser überneh-


men. Der ebenfalls 60-jährige Voser, Präsi-


dent des Verwaltungsrats, leitet ABB über-


gangsweise seit dem vergangenen April.


Damals hatte der langjährige Chef Ulrich


Spiesshofer ABB überraschend mit soforti-


ger Wirkung verlassen. Er hatte sich mit


wichtigen Großaktionären überworfen.


ABB befindet sich seit Dezember 2018 in ei-


ner tief greifenden Umbauphase. Damals


hatte der Konzern angekündigt, sich von


seiner bedeutenden Stromnetzsparte zu


trennen. Außerdem begann der Umbau


hin zu einem dezentral organisierten Tech-


Unternehmen mit einem klaren Schwer-


punkt auf digitalen Industrien. Am Ende


sollen die Konzernzentrale deutlich schlan-


ker sein und die einzelnen Divisionen rela-


tiv autonom arbeiten.


Björn Rosengren ist nach Ansicht des

ABB-Verwaltungsrats für diese Aufgabe


der richtige Mann. Rosengren verstehe es,


dezentrale Organisationen aufzubauen,


heißt es in der Mitteilung. ABB verweist


auch auf die guten Ergebnisse, die Rosen-


grens frühere Unternehmen unter seiner


Leitung erwirtschaftet haben. Dass der


Schwede mit seinen 60 Jahren schon ver-


gleichsweise alt für den Posten ist, lässt


Verwaltungsratschef Voser nicht als Ein-


wand gelten: Das Alter habe bei der Suche


keine Rolle gespielt, erklärte er am Mon-


tag, Rosengren bringe die nötige Erfah-


rung und den richtigen Fokus mit, das sei


entscheidender. Er habe für mindestens


fünf Jahre zugesagt. Auch Voser selbst


möchte ABB noch mehrere Jahre zur Verfü-


gung stehen.


Die Personalie bescherte der ABB-Aktie

ein Hoch, sie stieg um 3,8 Prozent auf 18,


Franken. Auch Analysten reagierten fast


durchweg positiv auf die Ernennung Ro-


sengrens, warnten aber auch vor allzu ho-


hen Erwartungen. „Für ABB gibt es keine


schnelle, einfache Lösung“, heißt es bei der


britischen Großbank HSBC, das hätten


nun schon viele Manager in den vergange-


nen Jahren gezeigt. isabel pfaff


von jens flottau

Frankfurt– ElfZeilen lang war die Notiz,
die der Touristikkonzern Thomas Cook,
der einst die Pauschalreise erfunden hat,
am Montag morgen an die Londoner Börse
geschickt hat. Das Schreiben ist ein kurzes
Update zur geplanten Kapitalerhöhung,
die das finanziell schwer angeschlagene
Unternehmen über den nächsten Winter
bringen soll. Mehrere Male kommen For-
mulierungen wie „erheblicher Fortschritt“
vor. Kurz nachdem die Information heraus
war, brach die Thomas-Cook-Aktie erneut
ein, dieses Mal um 36 Prozent.
Denn was Thomas Cook mitzuteilen hat-
te, klang nicht ermutigend. Der Konzern
will nun nicht nur 750 Millionen Pfund,
sondern 900 Millionen Pfund (965 Millio-
nen Euro) hereinholen. Dies werde „weite-
ren Liquiditätsspielraum im kommenden
Winter (...) bringen und sicherstellen, dass
das Unternehmen weiter in seine Strategie

investieren kann.“ Mit anderen Worten:
Die erst am 12 Juli angekündigten Pläne ha-
ben sich nach nur einem Monat als nicht
ausreichend erwiesen. Immerhin grenzt
Thomas Cook den Zeithorizont für die Ka-
pitalmaßnahme ein: Anfang Oktober soll
die Finanzierungsrunde abgeschlossen
sein. Nach hohen Verlusten und vor dem
Hintergrund hoher Schulden und Zinslas-
ten hatte das Unternehmen vor einem Mo-
nat einen radikalen Schnitt verkündet: Der
Konzern wird aufgespalten in einen Reise-
veranstalter und eine Fluggesellschaft.
Der chinesische Mischkonzern Fosun soll
die Mehrheit an dem Reiseveranstalter hal-
ten, europäischen Banken die Airline kon-
trollieren. Der Grund: Europäische Flugge-
sellschaften müssen mehrheitlich im Be-
sitz europäischer Investoren sein.
Fosun hält derzeit rund 18 Prozent der
Thomas-Cook-Aktien und gilt als langfris-
tig interessierter Investor – wobei unklar
ist, wie sehr er darauf drängen wird, dass

das Geschäftsmodell des Touristikkon-
zerns in Zeiten von unzähligen Online-Bu-
chungsplattformen grundlegend umge-
baut werden muss. Die Banken hingegen,
die die Mehrheit an den Airlines, unter an-
derem an der deutschen Condor, halten sol-
len, dürften ihr Aktien-Paket wohl kaum
langfristig halten wollen, sondern eher
schnell wieder loswerden wollen, wenn ein
strategischer Investor gefunden ist.

Wer dies sein wird, ist nach wie vor unge-
wiss. Offiziell hat Lufthansa zuletzt ihr In-
teresse heruntergespielt. Doch das kann
gut und gerne nur Taktik gewesen sein.
Denn gleichzeitig hat sie nun in Frankfurt
mehrere neue touristische Langstrecken
vor allem nach Nordamerika angekündigt,

bei denen sie direkt mit Condor konkur-
riert. Damit werden diese Strecken für
mögliche andere Käufer unattraktiver.
Condor gilt als gut geführt und ist anders
als der Mutterkonzern profitabel – mit im
Branchenvergleich akzeptabler Marge. Als
Teil des Lufthansa-Konzerns könnte sich
die Airline auf die touristischen Langstre-
cken konzentrieren, das Marktsegment, in
dem Billig-Ableger Eurowings bislang
sehr gescheitert ist.
Für noch mehr Unklarheit hat zuletzt
auch der türkische Unternehmer Neset Ko-
ckar gesagt, dem der Reiseveranstalter
Anex Tour gehört. Kockar hatte in den ver-
gangenen Wochen einen Anteil von acht
Prozent an Thomas Cook aufgekauft, wo-
für er dank dessen mickriger Marktkapita-
lisierung nur zehn Millionen Pfund bezah-
len musste. Da die Anteile gerade noch billi-
ger geworden sind, könnte Kockar weiter
günstig zukaufen und das von Fosun ge-
plante Übernahmeprojekt in Frage stellen.

Kockar jedenfalls kritisiert das bisherige
Rettungskonzept und betont, Thomas
Cook könne auch mit weniger Geld wieder
zum Laufen gebracht werden. „Jeder sieht
Thomas Cook als eine kaputte Maschine,
aber ich glaube, dass es wieder eine großar-
tige Maschine sein kann(...), wenn die rich-
tigen Schritte eingeleitet werden“, sagte er
der NachrichtenagenturBloomberg. Er se-
he „Management-Probleme statt nur fi-
nanzielle.“ Kockar fordert zudem, Thomas
Cook als Gruppe zu erhalten und nicht auf-
zuspalten.
Das Unternehmen leidet seit Jahren un-
ter hohen Schulden – Ende März waren es
mehr als zwei Milliarden Pfund – und un-
ter strukturellen Schwächen. Anders als
Konkurrent Tui ist Thomas Cook vor allem
im margenschwachen Massengeschäft prä-
sent, hat zu wenige eigene Hotels und profi-
tiert kaum vom Boom bei den Kreuzfahr-
ten. Der bevorstehende Brexit drückt wei-
ter auf die touristische Nachfrage.

Digitale Rettungshelfer für Biker


Mit einerApp macht ein französisches Start-up das Motorradfahren sicherer. Im kommenden Jahr will es auf den deutschen Markt kommen


Verreist


Der Reisekonzern Thomas Cook verhandelt über deutlich mehr frisches Geld als bekannt, um den kommenden Winter zu überstehen.


Zudem ist ein türkischer Veranstalter eingestiegen, der eigene Pläne verfolgt. Die Rettung wird immer schwieriger


Der Vorgänger, der Deutsche


Ulrich Spiesshofer, ging


im vergangenen April


Jeder könne doch sehen, dass


die Firma eine „kaputte


Maschine“ sei, sagt der Investor


18 HF2 (^) WIRTSCHAFT Dienstag,13. August 2019, Nr. 186 DEFGH
Ihn hatten nicht viele auf dem Zettel: Der
neue ABB-ChefBjörn Rosengren greift an-
geblich hart durch. FOTO:oH
Die Smartphone-App erkennt den Sturz
eines Motorradfahrers und kann auch
den Notruf auslösen. FOTO: DPA
Eine Condor-Maschine am Flughafen Leipzig: Die Ferienfluglinie gehörte früher mal zu Lufthansa. Will der Konzern die Airline jetzt zurückerwerben? FOTO: MICHELE TANTUSSI/BLOOMBERG
ABB findet endlich
einen Chef
Der Schwede Björn Rosengren
soll aber erst im März anfangen
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