Süddeutsche Zeitung - 13.08.2019

(nextflipdebug5) #1

E


s kommt nicht oft vor, dass Nord-
korea den Rechtsweg bemüht.
Der 28. Februar 2018 war so ein
Tag. Da reichte die Botschaft der
„Demokratischen Volksrepu-

blik Korea“ beim Landgericht in Berlin ei-


ne ziemlich ungewöhnliche Klage ein – for-


mal eine Mietsache, ein Antrag auf Kündi-


gung und Räumung. Die Berliner Firma


EGI GmbH, die auf dem Gelände der nord-


koreanischen Vertretung ein Jugendhotel,


das City Hostel, betreibt, sollte ausziehen.


Erleichterung machte sich damals in vie-

len Berliner Ministerien breit, all die Ver-


balnoten und sonstigen Ermahnungen hat-


ten gewirkt, ein Ende in dieser peinlichen


Angelegenheit schien in Sicht. Bald vorbei


auch die hämischen Schlagzeilen: Etwa


von Wolfgang IV., der erst im Monat zuvor


Prinz der Berliner Karnevalisten gewesen


war. Und weil diese in der faschingsmüden


Hauptstadt klammer sind als in Köln, quar-


tierten sie sich ausgerechnet im City Hos-


tel ein. „Hofburg des Prinzenpaares der


Stadt Berlin“, stand damals über dem Ein-


gang. „Wir wollen durch Frohsinn Grenzen


überwinden“, erklärte der Prinz auch noch.


Begonnen hatte der Berliner Albtraum

an einem Herbsttag 2016, als am großen


Hufeisentisch im UN-Hauptquartier am


New Yorker East River der Weltsicherheits-


rat zusammentrat und die Nordkoreasank-


tionen verschärfte. Die Kapitalflüsse der


Erbdiktatur in Pjöngjang, die Massenver-


nichtungswaffen baut, sollten trockenge-


legt werden. Die Resolution Nummer 2321


wurde einstimmig angenommen. „Alle


Mitgliedsstaaten sollen es Nordkorea ver-


bieten, Immobilien, die es auf seinem


Staatsgebiet besitzt oder pachtet, für ande-


re Zwecke als diplomatische oder konsula-


rische Tätigkeiten zu nutzen“, heißt es dar-


in. Es ist so etwas wie eine Lex Berlin. Ver-


mutlich nirgendwo auf der Welt verdiente


das Regime so prächtig wie in der deut-


schen Hauptstadt.


Seit Ende der Sechzigerjahre besitzt

Nordkorea ein gut 6000 Quadratmeter gro-


ßes Areal mit zwei Plattenbauriegeln mit-


ten im Regierungsviertel, zwischen Bran-


denburger Tor und Checkpoint Charlie. Zu


DDR-Zeiten lebten hier 30 Diplomaten,


„davon 27 mit Ehefrauen“, wie die Stasi ein-


mal vermerkte. Dazu „15 verwaltungstech-


nische Angestellte mit Ehefrau. Sowie 47


Kinder“. Heute sind sie nicht mal zu zehnt.


Aus der Not machten sie ein gutes Ge-

schäft. Nach der Wende begannen die Nord-


koreaner, ihre Botschaft unterzuvermie-


ten. Erst an ein Fitnessstudio, dann zog ei-


ne psychotherapeutische Ambulanz ein


und belegte vier Seminar- und 20 Behand-


lungsräume, die Eigentümer warben mit


der Lage in einem „ehemaligen Botschafts-


gebäude gegenüber des Gesundheitsminis-


teriums“. Auch die Parkplätze der Bot-


schaft waren begehrt, der Autovermieter


Hertz pachtete Stellplätze für Kleinlaster.


2004 stieg dann die verschwiegene EGI


GmbH ein. Die Firma mietete das frühere


Verwaltungsgebäude der Botschaft und


ließ den fünfstöckigen Betonkasten zum


Hotel umbauen. Etwa 450 Betten in mehr


als 100 Zimmern.


Nachdem die Resolution verabschiedet

war, schrieben dieWashington Postund


dieNew York Timesdarüber, CNN schickte


ein Kamerateam vorbei. „Eine Nacht in


Nordkorea“ oder „Beim Diktator sind noch


Zimmer frei“, lauteten die Überschriften.


Sie ist unwiderstehlich, die Geschichte,


wie das nordkoreanische Regime im Her-


zen Berlins Geschäfte macht. Und eine Bla-


mage für die Bundesregierung.


Anderthalb Jahre später ist die Freude

bei der Bundesregierung verflogen, die


Räumungsklage der Nordkoreaner wurde


bisher nicht verhandelt, kein Termin ange-


setzt, kein Dokument gesichtet, kein Zeu-


ge vernommen. Das Landgericht hat die


Botschaft aufgefordert, den notwendigen


Vorschuss an Gerichtskosten einzuzahlen.


So wie in jedem Verfahren üblich. Die erste


Aufforderung stammt vom 26. April 2018.


Bis heute ist kein einziger Euro eingegan-


gen. Die Geschäfte aber gehen weiter, kein


Gerichtsvollzieher ist in Sicht.


Es ist Mittag in Berlin und 20 Uhr in

Pjöngjang, als Tom Schreiber aus der Stra-


ßenbahn steigt, das zeigt die Weltzeituhr


am Alexanderplatz. Er hat sie als Treff-


punkt vorgeschlagen, für einen Spazier-


gang durch Berlin-Mitte, eine kleine Nord-
korea-Runde, wie er sagt. Eigentlich ist


Schreiber Sicherheitspolitiker, ein SPD-


Mann, akkurat gestutzter Bart und breites


Kreuz, er vertritt den Bezirk Treptow-Kö-


penick im Berliner Abgeordnetenhaus.


Seit fast 15 Jahren befasst er sich dort mit


Bandenkriminalität und dem organisier-


ten Drogenhandel. Er will, dass seine Hei-


matstadt sicherer wird, dass sich alle an


Recht und Ordnung halten. So ist er zu


Nordkorea gekommen. Er versucht heraus-


zufinden, ob mitten in Berlin gegen UN-


Sanktionen verstoßen wird. In den vergan-


genen Monaten hat er alles über Nordko-


rea gelesen, was er finden konnte. Er weiß


jetzt, dass es das sogenanntes Büro 39 gibt,


eine geheime Einrichtung des Zentralkomi-


tees. Die Mitarbeiter beschaffen im Aus-


land, wonach sich die Kader in Pjöngjang


sehnen, allen Sanktionen zum Trotz.


In einem vertraulichen Dossier schätzte

die Spionageabwehr des Verfassungsschut-


zes die monatlichen Einnahmen der Nord-


koreaner einmal auf 40 000 Euro und ur-


teilte, diese würden zur Finanzierung der


Botschaften in London und Paris verwen-


det. Aber auch um die Elite in der Heimat


bei Laune zu halten: Paletten mit Nutella,


Shampoo und Bier wurden aus Berlin nach


Pjöngjang geflogen. Politisch war die Bot-


schaft ohnehin kaum gefragt, eigentlich


nur noch zur Entgegennahme neuer Pro-


testnoten, wenn wieder mal eine Rakete ge-


testet oder eine Bombe gezündet wurde.


Der frühere Botschafter ging gerne angeln,
aber ohne Genehmigung. Einmal erwisch-
te ihn eine Streife und belehrte ihn. Im Poli-
zeibericht hieß es, der Diplomat habe dies
„wohlwollend und lächelnd“ zur Kenntnis
genommen, „und setzte die Straftat fort“.
Mit dem City Hostel scheint es ähnlich.
Vom Alexanderplatz zur nordkoreani-
schen Botschaft sind es gut 30 Minuten zu
Fuß. Man kommt vorbei am Roten Rat-
haus, die Senatskanzlei und der Regieren-
de Bürgermeister haben hier ihren Sitz.
Zwei Mal schon hat Schreiber eine Anfrage
gestellt. Zuletzt im Mai. Er wollte wissen,
ob die EGI GmbH noch immer Geld an
Nordkorea zahlt. „Die Antwort der Berliner
Landesregierung war ernüchternd“, sagt
er. Die Senatskanzlei habe mitgeteilt, dass
das Land Berlin nicht dafür zuständig sei,
sondern die Bundesbehörden.

Gemeint ist das Auswärtige Amt, einmal
über die Spree, zwei Straßenzüge weiter
auf dem Weg zur nordkoreanischen Bot-
schaft. Lange Zeit schauten sie in Berlin bei
den nordkoreanischen Geschäften nicht so
genau hin. Vor allem aus Eigeninteresse,
denn: In Pjöngjang residiert die Deutsche
Botschaft in der ehemaligen Vertretung
der DDR. Ein hübsch bewaldeter Campus
mit Swimmingpool im Pjöngjanger Diplo-
matenviertel – ähnlich groß wie das Areal
in Berlin. Die sozialistischen Bruderstaa-
ten überließen sich gegenseitig riesige
Grundstücke.
Die Diktaturen konnten ohnehin auffal-
lend gut miteinander. Als vor 30 Jahren al-
les auseinanderfiel, bot Staatsgründer
Kim Il-sung persönlich Erich Honecker
Asyl an. Heute ist das von der Bundesrepu-
blik geerbte Grundstück in Pjöngjang viel
zu üppig. Weshalb die Deutschen ebenfalls
untervermieten, an die Schweden, die Bri-
ten und ein Verbindungsbüro der Franzo-
sen. Allerdings nicht als Hoteliers. In Pjöng-
jang hält sich hartnäckig das Gerücht, dass
wenn US-Präsident Donald Trump und
„sein Freund“, Nordkoreas Machthaber
Kim Jong-un, sich darauf verständigen,
erste diplomatische Kontakte zu knüpfen,
Berlin mit den notwendigen Räumlichkei-
ten behilflich sein könnte. Bei der Lösung
des Konflikts ist Deutschland nicht sonder-
lich gefragt, was aber die Immobilien an-

geht, verfügt die Bundesregierung über
die beste Lage.
Die eigene Botschaft in Pjöngjang will
das Auswärtige Amt auf keinen Fall gefähr-
den. Als die Berliner Finanzverwaltung vor
Jahren Alarm schlug und der nordkoreani-
schen Vertretung einen Steuerbescheid zu-
stellte, weil für die Mieteinnahmen keine
Abgaben gezahlt worden waren, bat das
Amt um Vorsicht. Im Pjöngjanger Außen-

ministerium überlegte man da bereits, Ge-
genabgaben zu erheben. Was die Nordkore-
aner letztlich davon abhielt, war eine Order
von Großvater Kim Il-sung, der Anfang der
Siebzigerjahre die Steuern abgeschafft hat-
te. Ein Gebot, das sich keiner im Apparat in
Frage zu stellen traute.
Das ist in Deutschland nun einmal an-
ders, und so schuldet die Botschaft dem
Berliner Fiskus laut einer „Pfändungs-

und Einziehungsverfügung“ inzwischen
die stolze Summe von 1 104 205,37 Euro.
Zwischendurch war vereinbart worden,
dass dies per Ratenzahlung abgestottert
werden darf, von 7000 Euro monatlich war
die Rede. Ob dies heute noch so ist, wollen
die Behörden nicht sagen. Es gilt das Steu-
ergeheimnis.
Unklar ist auch die Frage, die Tom
Schreiber so umtreibt, ob die EGI GmbH
weiterhin zahlt. Weder die nordkoreani-
sche Botschaft noch der Hostel-Betreiber
reagieren auf Anfragen. 2017 hatte das Un-
ternehmen erklärt, die Mietzahlungen auf
ein Sperrkonto zu überweisen und deshalb
nicht gegen die Sanktionen zu verstoßen.
„Wie glaubwürdig ist das denn?“, fragt
Schreiber, „Wenn ich eins über Nordkorea
gelernt habe, dann das: Für Geld machen
sie fast alles und ohne Geld nichts.“ In der
Tat: Nordkoreas Diplomaten verkaufen El-
fenbein oder Rhinozeroshörner, schmug-
geln Viagra, Alkohol oder Zigaretten. In
Berlin ist das ein Traditionsgeschäft.

Selbst zu DDR-Zeiten nutzten die nord-
koreanischen Genossen ihre Botschaft in
Ostberlin, um Geld zu verdienen. Gut doku-
mentiert ist das in Stasiakten, die der Histo-
riker Bernd Schäfer von der George Wa-
shington University gesichtet hat. Mitte
der Achtzigerjahre deckten die Behörden
einen Schmugglerring auf. Diplomaten
hatten in Westberlin Uhren und Kassetten
gekauft und diese in der Botschaft an nord-
koreanische Gaststudenten übergeben,
die sie dann an Kommilitonen verscherbel-
ten. Die Botschaft strich eine Kommission
ein. „Ich habe von etwa Juli 1985 bis Febru-
ar 1986 mindestens 310 Stück Quarzuhren
übernommen“, sagte ein nordkoreani-
scher Student aus. Penibel hielt die Volks-
polizei in Magdeburg fest, was man bei
dem Mann konfisziert hatte: „100 Stück
Quarzarmbanduhren mit Melodie –
28050 Mark“, „1 Stereorecorder Sharp –
1800 Mark“, „1 Stereorecorder Magnum –
1500 Mark“.
In den Akten findet sich auch ein Ver-
merk des KGB aus dem Jahr 1986. Die so-
wjetischen Genossen informierten darin
(„Streng geheim!“) ihre Kollegen von der
Staatssicherheit, dass offenbar in der nord-
koreanischen Botschaft dubiose Waffenge-

schäfte abgeschlossen wurden. Während
die Rote Armee in Afghanistan kämpfte,
verkauften die Nordkoreaner für mehr als
2,3 Millionen Dollar Waffen, die für „afgha-
nische Bandenformationen“ bestimmt ge-
wesen sein sollen. „Die Bezahlung erfolgt
in Wien“, notierte der sowjetische Geheim-
dienst, „über die nordkoreanische Bank
Goldener Stern.“
Das Auswärtige Amt hat Tom Schreiber
hinter sich gelassen. Am Hausvogteiplatz
biegt er in die Mohrenstraße. Linker Hand
das Bundesjustizministerium. Noch eine
Verwaltung, die mitmischt. Von dort sind
es nur noch drei Kreuzungen bis zur Bot-
schaft. Es ist jedenfalls, das muss man der
Fairness halber sagen, nicht so, dass es
nicht versucht würde. In Berlin ist es inzwi-
schen fast einfacher, ein Amt oder ein Mi-
nisterium zu finden, das nicht in irgendei-
ner Weise mit dem City Hostel befasst ist.
Nach letztem Stand kümmern sich neben
dem Auswärtigen Amt und dem Justizmi-
nisterium auch noch das Wirtschafts- und
das Finanzministerium. Das Hauptzollamt
ist eingeschaltet. Der Verfassungsschutz.
Und dazu die Berliner Senatsverwaltungen
für Finanzen und Wirtschaft sowie das
Innenressort.

Aus der UN-Resolution ist ordentliches
Recht geworden, eine EU-Verordnung, die
Vermietungsgeschäfte untersagt, und
schließlich, durch Beschluss des Bundeska-
binetts auch der Paragraf 82 Absatz 4 der
Außenwirtschaftsverordnung. Das ist die
Rechtsgrundlage, um Bußgelder zu ver-
hängen. Seitdem bekommt die EGI GmbH
viel Post. Im Mai 2018 vom Hauptzollamt
in Berlin, Verstoß gegen die Sanktionsbe-
stimmungen, 5000 Euro sollte jeder der Ge-
schäftsführer zahlen, 107 000 Euro die EGI
GmbH. Paragraf 82 Absatz 4 der Außen-
wirtschaftsverordnung eben. Der Hostel-
Betreiber legte Widerspruch ein, die Sache
landete beim Amtsgericht. Die EGI GmbH
siegte, es fehle an einem Beweis, ob und
wie das Geld für die Miete bei den Nordko-
reanern landet. Im November 2018 dann
ein neuer Versuch, dieses Mal vom Bezirks-
amt Berlin-Mitte, Ordnungsverfügung, bis
spätestens Silvester 2018 „jede Tätigkeit
zu unterlassen.“ Die EGI GmbH legte er-
neut Widerspruch ein, jetzt liegt auch die-
se Sache bei Gericht.
Unlängst tagte eine hochrangige Beam-
tenrunde, neue juristische Schritte werden
geprüft. Es könnte ein neuer Bußgeldbe-
scheid sein, dieses Mal mit einer besseren
Begründung. Und dann ist da die Hoff-
nung, dass die Nordkoreaner doch noch
die Gerichtskosten einzahlen und die Kla-
ge auf Räumung endlich verhandelt wer-
den könnte. Die Optimisten in der Bundes-
regierung glauben, dass Nordkorea sich in-
zwischen dem massiven Druck gebeugt ha-
be und tatsächlich versuche, das Hostel los-
zuwerden. Die Pessimisten meinen, dass
sie nur vorgeben, kein Geld zu haben und
die Sache einfach laufen lassen. „Klassisch
nordkoreanisch könnte man das nennen“,
sagt Schreiber.
Fest steht lediglich, dass die EGI GmbH
das Hostel nicht aufgeben will. Man habe
das Gebäude „langfristig angemietet“ und
mit „erheblichen Investitionen zu einem
Hostel aus- und umgebaut“, schrieben die
Betreiber 2017 in einer Pressemitteilung,
„die Aufgabe sei Existenz bedrohend,
wenn nicht gar Existenz vernichtend“. Die
Ankündigung, sich „mit allen zur Verfü-
gung stehenden Mitteln“ zu Wehr zu set-
zen, macht die EGI GmbH wahr.
Vor dem Gebäude sitzen am frühen
Nachmittag Touristen aus den USA, aus
Australien, aus Russland und Italien in der
Sonne beim Bier. Englische Sprachfetzen
und Wörter sind vor der Botschaft zu hö-
ren: „Cheers“, „Thank you“, „How are
you?“ Die Fahne mit dem roten Stern
hängt schlaff vom Mast. Im Vorgarten der
Botschaft welken ein paar knallrote Bego-
nien. Kimjongilia heißt die Pflanze. Sie
wurde von einem japanischen Botaniker
gezüchtet und 1988 dem „Geliebten Füh-
rer“, dem Vater des amtierenden Diktators,
zum Geburtstag geschenkt. Seitdem ist die
Kimjongilia eine Nationalblume in Nordko-
rea. In Pjöngjang wächst sie überall.
Am Eingang ist ein Glaskasten ange-
bracht. Fotos zeigen Kim Jong-un mit Russ-
lands Präsident Wladimir Putin beim Be-
such in Wladiwostok. Nachts wird die Vitri-
ne mit einem Rollladen verschlossen. Tags-
über wacht eine Kamera auf dem Bot-
schaftsgelände darüber, wer sich dem Kas-
ten nähert. „Das ist eigentlich illegal, ich
werde gegen meinen Willen gefilmt und
nirgendwo ist ein Hinweis“, sagt Schreiber.
„Die Kamera befindet sich jedoch auf Bot-
schaftsgelände, da kann man wohl nichts
machen.“
Die Betreiber des City Hostels sind da
deutlich strikter. An der Tür haben sie ein
Schild auf Deutsch und Englisch ange-
bracht: „Fotografieren und filmen im öf-
fentlichen Hotelbereich ohne Drehgeneh-
migung strengstens verboten.“ Journalis-
ten sind hier nicht erwünscht.
Gäste bekommen ein Handtuch über-
reicht. Die Nacht kostet 29,40 Euro plus
fünf Prozent Übernachtungssteuer. Zim-
mer 101 ist direkt über dem Eingang. „In
der 1. Etage liegen die Empfangs- und Auf-
enthaltsräume“, notierte einst die Stasi. In
allen Büros hingen die Bilder der nordkore-
anischen Herrscher. Kim Il-sung links,
sein Sohn, Kim Jong-il, rechts. Jeden Tag
mussten die Porträts mit einem speziellen
Tuch abgestaubt werden. Heute eine kahle
Wand. Drei Doppelstockbetten, ein Spind,
ein paar Stühle, ein Tisch und fünf spani-
sche Touristinnen. Sie sprühen sich mit Va-
nilledeo ein und ziehen ihren Kajal nach.
Nordkorea, sagen sie, interessiere sie
nicht. Dafür das Berliner Nachtleben. Als
sie das Hostel verlassen, ist in Pjöngjang
längst die Sonne aufgegangen.

DEFGH Nr. 186, Dienstag, 13. August 2019 (^) DIE SEITE DREI HF2 3
Mit den Einnahmen wird auch die
Elite daheim bei Laune gehalten,
mit Nutella, Shampoo, Bier
Den Berlin-Touristen ist
Nordkorea total egal.
Hauptsache, das Ding ist billig
Die Deutschen residieren auch
hübsch inPjöngjang, auf einem
bewaldeten Campus mit Pool
Die heißeste Adresse
Das „City Hostel“ in der Hauptstadt steht auf dem Boden der Botschaft Nordkoreas.
Die Diktatur verdiente bisher nicht nur an den Mieteinnahmen
ordentlich. Jetzt gibt es eine Räumungsklage. Neues zur Posse um ein hässliches Haus
von christoph giesen und georg mascolo
Nordkorea besitzt ein gut 6000 Quadratmeter großes Areal mitten im Regierungsviertel, zwischen Brandenburger Tor und Checkpoint Charlie, ein ehemaliges
Verwaltungsgebäudewurde zum Hostel umgebaut. FOTO: MARCUS KRAUSS / CHROMORANGE / IMAGO
Der Berliner SPD-Abgeordnete Tom Schreiber
glaubt nicht, dass die Klage ernst gemeint ist. Kim Jong-uns
Regime soll 40 000 Euro pro Monat Miete einnehmen.
FOTOS: JÖRG CARSTENSEN / DPA, AFP
Nordkoreas Diplomaten hatten zu
DDR-Zeiten schon einen regen
Schmugglerring aufgebaut

Free download pdf