Süddeutsche Zeitung - 13.08.2019

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Rom –Vor einem möglichen Misstrau-


ensvotum gegen die italienische Regie-


rung gibt es Bestrebungen, eine Neu-


wahl zu verhindern. Der Innenminister


und Chef der rechten Lega, Matteo Salvi-


ni, dringt auf eine Wahl, nachdem er


vergangene Woche die Koalition mit der


Fünf-Sterne-Bewegung in die Krise


gestürzt hatte. Doch Salvinis Plan könn-


te durchkreuzt werden – von einer


„merkwürdigen Allianz“, wie die Tages-


zeitungLa Repubblicaschreibt. Unter-


dessen herrscht weiterhin Unklarheit,


wann es zum Misstrauensvotum gegen


Regierungschef Giuseppe Conte(FOTO:


REUTERS)kommt. Die Fraktionschefs im


Senat konnten sich am Montag nicht


einstimmig auf den 20. August als Ter-


min festlegen, weshalb am Dienstag der


Senat darüber abstimmen muss. Seit
Tagen kursieren Gerüchte über eine


Zusammenkunft von Fünf-Sterne-Be-


wegung und Sozialdemokraten (PD), die


Salvinis Pläne durchkreuzen könnte.


Ausgesprochen hat die Idee der frühere


Premier und Ex-Chef der Sozialdemo-


kraten, Matteo Renzi. dpa  Seite 4


München– Nach der Einnahme wichtiger
Teile der jemenitischen Hafenstadt Aden
durch Separatisten steht der Krieg in Je-
men vor einer Wende. Die Separatisten des
Südlichen Übergangsrates (STC) haben
nach mehrtägigen Kämpfen am Wochen-
ende in der strategisch wichtigen Interims-
hauptstadt mehrere Lager der Regierungs-
truppen unter ihre Kontrolle gebracht und
offenbar auch den Präsidentenpalast be-
setzt. Bisher stand der STC, der den Süden
von Jemens Norden abspalten will, aufsei-
ten der international anerkannten Regie-
rung der Volksrepublik. Diese kämpft ge-
gen schiitische Huthi-Rebellen, seit 2015
mithilfe eines von Saudi-Arabien geführ-
ten Militärbündnisses. Die Huthi wieder-
um erhalten Unterstützung von Iran.

Die jüngsten Kämpfe um Aden waren
Mitte vergangener Woche losgebrochen,
den Vereinten Nationen zufolge kamen da-
bei mindestens 40 Menschen ums Leben
und 260 wurden verletzt. UN-Hilfskoordi-
natorin Lise Grande sagte am Sonntag, es
gebe große Sorge, weil in Aden Zivilisten in
ihren Häusern gefangen seien und Wasser
und Essen zur Neige gingen. Die größte
Aufgabe sei aber jetzt, Ärzteteams zu schi-
cken, um die Verletzten zu retten.
Die von den Saudis geführte Militär-
koalition rief zu einer Waffenruhe auf, die
um Mitternacht am Sonntag beginnen soll-
te. Die Separatisten erklärten, sich daran
zu halten, und dem Sender Al Jazeera zu-
folge hatte die Kampfpause zunächst auch
Bestand.

Der saudischen Nachrichtenagentur
SPA zufolge traf sich der saudische König
Salman am Sonntag mit Jemens Präsident
Abed Rabbo Mansur Hadi in Mina, um über
die Lage zu sprechen. Diese hat sich nun zu-
sätzlich kompliziert, da die STC-Separatis-
ten von den Vereinigten Arabischen Emira-
te (VAE) unterstützt werden. Die VAE gehö-
ren aber zugleich zu den Ländern des Mili-
tärbündnisses, welches die Huthi-Rebellen
bekämpft. Jemens Präsident Hadi, der im
saudischen Exil lebt, warf dem STC und
den VAE vor, einen Staatsstreich gegen ihn
zu versuchen. Saudi-Arabien hat die Kon-
fliktparteien zu einem dringenden Krisen-
treffen aufgerufen. Der Führer der STC, Ai-
darus al-Zubaidi, erklärte im Fernsehen, er
sei bereit, an einer kurzfristigen Friedens-

konferenz teilzunehmen. Der STC stehe
auch weiter zu der Koalition, die gegen
„Irans Expansion in der Region“ kämpft.
Mit Sorge blickt auch die Bundesregie-
rung nach Aden, in dessen Großraum etwa
1,9 Millionen Menschen leben. „Wir sind
über die gewalttätigen Auseinandersetzun-
gen sehr beunruhigt“, sagte die Sprecherin
des Auswärtigen Amtes, Maria Adebahr,
am Montag in Berlin. Besorgniserregend
seien Berichte, dass Nordjemeniten aus
dem Süden vertrieben würden. Der Jemen-
krieg hat bereits zwei Millionen Menschen
aus dem Land am Südende der Arabischen
Halbinsel vertrieben. Es erleidet die
schlimmste humanitäre Krise weltweit.
Laut UN sind fast 80 Prozent der 24 Millio-
nen Einwohner auf Hilfe angewiesen. bac

München –DieWahlbeteiligung sagt al-
les: Rund 42 Prozent der Wahlberechtigten
gingen am Sonntag zur Stichwahl um das
Präsidentenamt in Guatemala, wie die
größte TageszeitungPrensa Libream Mon-
tag berichtete – das heiße, dass die Mehr-
heit der Guatemalteken beide Kandidaten
abgelehnt habe: Das waren der frühere
Chef der Gefängnisverwaltung, Alejandro
Giammattei, ein Rechtskonservativer, der
knapp 59 Prozent der abgegebenen Stim-
men erhielt, und nun vier Jahre Präsident
sein wird. Seine Gegnerin war die sich
selbst als Sozialdemokratin einstufende
Sandra Torres, die 41 Prozent erhielt und
die im Wahlkampf vor allem durch har-
sches Auftreten und sich ständig wider-
sprechende Aussagen aufgefallen war.
Giammatteis Sieg deutet darauf hin,
dass die Mehrheit der Minderheit zur Ab-
wechslung mal wieder einen Präsidenten
wünscht, der mit harter Hand regieren und
so mit der Gewaltkriminalität aufräumen
will. Kriminalität und Armut sind die Gei-
ßeln des mittelamerikanischen Landes,
die Mordrate gehört zu den höchsten der
Welt, wenige Reiche und kriminelle Dro-
genbanden kontrollieren das Land. Nach
UN-Angaben leben 70 Prozent der 18 Milli-
onen Guatemalteken in Armut.
Beides einzudämmen hat noch keiner
der demokratischen Präsidenten Guateme-
las der vergangenen Jahrzehnte geschafft,
was zu zwei Konsequenzen geführt hat: zu
einem gewaltigen Flüchtlingsstrom Rich-

tung Norden in die USA, einer Tatsache,
die das so gut wie vergessene Land auf die
geopolitische Landkarte zurückgebracht
hat; und zum Zweiten hat es dazu geführt,
dass sich nur noch eine Minderheit von
35 Prozent etwas von Wahlen verspricht,
wie eine BBC-Umfrage im Juni ergab.
Unter den gescheiterten Präsidenten der
vergangenen Jahre waren gegensätzliche Fi-

guren wie der Fernsehclown Jimmy Mora-
les, der selbsterklärte Sozialdemokrat Álva-
ro Colom oder der Ex-General Otto Pérez
Molina. Gemeinsam hatten letztere, dass
sie nach Ende ihrer Amtszeiten wegen Kor-
ruption zur Verantwortung gezogen wur-
den – ein weiterer Schaden für den Ruf der
Demokratie. Wie lästig den Politikern Er-
mittlungen sind, zeigt die Tatsache, dass
Morales der UN-Kommission gegen die
Straflosigkeit in Guatemala (Cicig) die Tür
wies, ihr Mandat läuft im September aus.

Nur eine Minderheit der Guatemalteken
glaubt, dass sich unter dem 63-jährigen
Alejandro Giammattei vieles zum Guten
wenden wird. Das Mandat der Cicig wird er
wohl nicht verlängern. Aktionismus zeigt
er in eine andere Richtung. Er hat angekün-
digt, er wolle das von seinem Vorgänger
ausgehandelte Abkommen mit den USA ab-
ändern, das Guatemala zum sicheren Dritt-
staat erklärt. Das allerdings nicht aus der
Einsicht heraus, dass Guatemala alles ande-
re als ein sicherer Drittstaat ist – sondern
weil Giammattei keine Flüchtlinge aus
Nachbarstaaten wie Honduras oder El Sal-
vador will, die Guatemala auf dem Weg in
die USA passieren müssen und in denen es
zum Teil noch schlimmer aussieht. Guate-

mala hat eine gemeinsame Grenze mit Me-
xiko, dort patrouilliert inzwischen die neue
mexikanische Nationalgarde, die eigent-
lich geschaffen wurde, um Drogenkartelle
zu bekämpfen. Zur strengeren Grenzsiche-
rung hatte US-Präsident Donald Trump
die Mexikaner genötigt, indem er ihnen
mit Zöllen drohte, die der auf den Export in
die USA angewiesenen Wirtschaft des Lan-
des geschadet hätten.
Migration ist für eine Mehrheit der ar-
men Guatemalteken derzeit die einzige Op-
tion auf ein besseres Leben. Anderthalb
Millionen von ihnen leben bereits in den
USA, die ohne Papiere nicht mitgerechnet;
ihre Überweisungen sind die wichtigste
Einnahmequelle der meisten Familien in
Mittelamerika. Von den Hunderttausen-
den Flüchtlingen aus dercaravana migran-
te,die in den letzten Monaten versucht
haben, illegal in die USA zu gelangen, stam-
men die meisten aus Guatemala.
Zwar haben Investitionen, zum Teil aus
Geldwäsche, zuletzt sogar zu einem Wachs-
tum von 3,5 Prozent geführt, doch davon
profitieren wenige, vor allem die Ober-
schicht – so auch die jetzigen Gegner in der
Stichwahl, Giammattei und Torres. Pessi-
mistisch schließt der Kommentator von
Prensa Libre: Nur wenn sich die wichtigen
gesellschaftlichen Gruppen zusammentä-
ten, um das politische System aus Spiel-
zeugparteien zu überwinden, sei der Zu-
sammenbruch Guatemalas noch aufzuhal-
ten. sebastian schoepp  Seite 4

von christoph giesen

Peking– Der Flughafen war dicht, nichts
gingmehr, alle Flüge aus Hongkong fielen
aus. Der größte Frachtflughafen der Welt,
ein Drehkreuz in Asien, an dem jährlich
gut 75 Millionen Passagiere abheben,
stand an diesem Montag für einige Stun-
den beinahe still. Nur Landungen waren
noch möglich. Viele Gesellschaften stri-
chen ihre Flüge nach Hongkong, auch die
Lufthansa.
Tausende Demonstranten hatten sich
in der Abflugs- und Ankunftshalle versam-
melt, um gegen Polizeigewalt und die
Regierung der chinesischen Sonderverwal-
tungszone zu protestieren. Sie saßen auf
dem Boden und versperrten die Check-in-
Schalter. Die meisten von ihnen waren
schwarz gekleidet. Manche riefen, die
Polizei solle einer Demonstrantin ihr
Augenlicht zurückgeben. Sie war am
Vortag bei einer Demonstration durch ein
Gummigeschoss schwer im Gesicht ver-
letzt worden. Andere hatten Fotos mitge-
bracht, Aufnahmen von Polizisten, die mit
Schlagstöcken und Tränengas gegen die
Demonstranten vorgegangen waren. Etwa
am Sonntag. Da hatte die Polizei in einer
U-Bahn-Station Tränengas eingesetzt.
Eines der Fotos zeigt eine Festnahme, an
der sich offenbar auch als Demonstranten
verkleidete Polizisten beteiligten. Gegen
17 Uhr verließen die meisten Demonstran-
ten den Flughafen, per Zug Richtung Innen-
stadt, ganz friedlich.

Seit gut zwei Monaten kommt es in der
einstigen britischen Kronkolonie Hong-
kong immer wieder zu massiven Protes-
ten, die regelmäßig mit Ausschreitungen
enden. Auslöser ist ein – inzwischen auf
Eis gelegter – Gesetzentwurf, der die
Auslieferung in die Volksrepublik China
erlaubt hätte. Die Demonstrationen entwi-
ckelten sich zu einer breiteren Bewegung.
Hongkonger befürchten einen zunehmen-
den Einfluss Pekings und fordern demo-
kratische Reformen.
Die chinesische Regierung mahnt der-
weil immer energischer, die Ordnung in
der Sonderverwaltungszone wiederherzu-
stellen und die Gewalt zu beenden. Yang
Gang, der Sprecher der für Hongkong
zuständigen Behörde, warf den gewaltbe-
reiten Demonstranten zuletzt „erste Anzei-
chen von Terrorismus“ vor. In den vergan-
genen Tagen hätten „radikale Demonstran-
ten“ wiederholt Polizisten mit „extrem
gefährlichen Werkzeugen“ angegriffen.
Dies sei eine ernsthafte Bedrohung für die
Sicherheit der Menschen in Hongkong. Die
„Kriminellen“ müssten so schnell wie
möglich vor Gericht gebracht werden.

Um in Hongkong für Ruhe zu sorgen,
setzt Peking inzwischen einzelne Unter-
nehmen unter Druck, etwa die Fluglinie
Cathay Pacific. Am Freitag hatte die chine-
sische Luftfahrtbehörde verfügt, dass Cat-
hay Pacific künftig die Namen und Daten
seiner Crews vorab den chinesischen Be-
hörden zur Verfügung stellen muss. Wer
an „illegalen Protesten“ teilgenommen ha-
be, „gewalttätig“ geworden sei oder durch
„übermäßig radikale Aktivitäten“ aufgefal-
len ist, dürfe nicht mehr in die Volksrepu-
blik einreisen. Auch der Überflug über chi-

nesisches Territorium sei dann nicht mehr
gestattet. Umsetzungsfrist: eine Woche.
Der Grund für das harsche Vorgehen:
Einem Cathay-Pacific-Piloten wird vorge-
worfen, sich Ende Juli an Ausschreitungen
beteiligt zu haben. Zudem nahmen etwa
2000 Mitarbeiter der Fluggesellschaft An-
fang vergangener Woche am Generalstreik
in Hongkong teil. Kaum hatte die Behörde
die Auflagen verkündet, sackte der Aktien-
kurs von Cathay Pacific ab.
Ein Großteil der Kurzstreckenflüge von
Cathay Pacific steuert Ziele in der Volksre-

publik an. Bei etlichen Langstreckenflü-
gen, etwa nach Europa, muss Cathay Paci-
fic über chinesisches Hoheitsgebiet flie-
gen. Die Fluggesellschaft reagierte am
Montag mit einer eindeutigen Ansage.
Vorstandschef Rupert Hogg teilte in einem
Rundschreiben an alle Angestellten mit,
dass ihnen künftig disziplinarische Maß-
nahmen drohten, bis hin zur Entlassung,
wenn sie an „illegalen Protesten“ teilnäh-
men oder diese unterstützten. Wer de-
monstriert, muss also in Hongkong künf-
tig um seinen Job bangen.

München– AmFreitag hatte er gerade
noch rechtzeitig die nötigen Unterlagen
bei der Wahlbehörde abgegeben, schon
zwei Tage später konnte Youssef Chahed
zeigen, dass er in das Rennen um die Nach-
folge des Ende Juli verstorbenen Präsiden-
ten Béji Caïd Essebsi als Favorit einsteigt:
Als Chahed, der tunesische Premier mit
Ambitionen, am Sonntag an der Malek
Ibn- Anas-Moschee im feinen Tuniser Vor-
ort Karthago einer Limousine entstieg,
stand er sofort im Mittelpunkt. Bei dem
Festtagsgebet zum höchsten islamischen
Feiertag war die Politprominenz des Lan-
des versammelt, Chahed war nicht der ein-
zige Anwesende, der sich Hoffnungen
macht, nach der vorgezogenen Wahl am 15.
September in den nahen Präsidentenpa-
last einzuziehen. Auch optisch stach er
nicht aus der Menge, trug wie die meisten
anderen eine festliche weiße Robe – und
doch konzentrierten sich die Kameras auf
den 43-Jährigen. Obwohl seine Sparpolitik
nicht nur beliebt ist, könnte Chahed der
Amtsbonus aus seiner bisherigen Funkti-
on ins nächsthöhere Amt tragen.

Obwohl in den vergangenen Jahren vie-
le Tunesier eher frustriert waren von dem
politischen Chaos in Tunis und dem aus-
bleibenden wirtschaftlichen Aufschwung
nach dem sogenannten Arabischen Früh-
ling 2011, ist das Interesse an den Wahlen
in diesem Jahr immens. Anfang Oktober
wird das Parlament neu bestimmt, mehr
als 15 000 Kandidaten bewerben sich um
die 217 Abgeordnetenplätze, auf fast 1500
unterschiedlichen Wahllisten. Und auch
die Zahl der Präsidentschaftskandidaten
ist beeindruckend bis unübersichtlich: Bis
Freitagabend hatten 98 Männer und Frau-
en ihre Bewerbung eingereicht – dreimal
mehr als bei den ersten freien Präsident-
schaftswahlen nach dem Übergang zur De-
mokratie vor fast fünf Jahren. Im Bewer-
berfeld tummeln sich einige Kandidaten,
die viel Aufmerksamkeit erzeugen, aber
nur sehr geringe Chancen haben dürften,
etwa der Anwalt Mounir Baatour, der offen
homosexuell lebt und für die Rechte von
Minderheiten eintritt oder die Popsänge-
rin Nermine Sfar.
Nachdem die tunesische Politik zuletzt
lange über eine Reform des Erbrechts ge-
stritten hatte – der verstorbene Präsident
Essebsi plante, entgegen der islamischen
Tradition weibliche Erben mit männlichen
gleichzustellen –, kündigte die Sängerin
an, weit darüber hinausgehen zu wollen
und den Erbanteil von Frauen als doppelt
so hoch wie den von Männern festzuschrei-
ben. In der eher konservativ geprägten Be-
völkerungsmehrheit mögen solche Kandi-
daten bestenfalls als schrille Paradiesvö-
gel wahrgenommen werden, dass ihre Kan-
didatur aber überhaupt möglich ist, zeigt
hingegen, wie viel Tunesien neben allen
Problemen bei seinem Demokratisierungs-
prozess bereits erreicht hat.
Aussichten auf ein Erreichen der Stich-
wahl dürfte neben Premier Chahed aber
eher Abdelfattah Mourou haben, der für
die islamisch geprägte Ennahda-Partei an-
tritt. Der Anwalt gilt als volksnah und zeigt
sich durchaus weltoffen, wenn er etwa in ei-
ner Fernsehsendung bei einer spontan Ge-
sangseinlage Beethovens „Ode an die Freu-
de“ anstimmt – auf Deutsch. Mourou kam
unter den Führungsfiguren der Ennahda-
Partei, die sich 2016 zu einer Trennung von
Politik und Religion durchrang, auf die bes-
ten Umfragewerte – steht allerdings mit
seinen 71 Jahren nicht gerade für den Gene-
rationswechsel, den sich viele im Land
nach der Amtszeit des greisen Essebsi wün-
schen.

Für dessen Partei Nidaa Tounes tritt Ver-
teidigungsminister Abdelkarim Zbidi an.
Wie stark die einst von Essebsi als breite sä-
kulare Sammelbewegung gegründete Par-
tei aber mittlerweile zerrüttet ist, zeigt ein
kurioser Fakt: Im Bewerberfeld für die Prä-
sidentschaft finden sich mehr als ein hal-
bes Dutzend ehemaliger Führungskader
von Nidaa Tounes, die neue Parteien ge-
gründet haben. Weit größere Erfolgschan-
cen als sie hat jedoch Nabil Karoui. Der
56-Jährige ist Meister des Selbstmarke-
tings – dafür verfügt der „Berlusconi Tune-
siens“ genannte Millionär praktischerwei-
se über einen eigenen TV-Sender. Im Rin-
gen um die Aufmerksamkeit der Nation
wird er Premier Chahed Konkurrenz ma-
chen. moritz baumstieger

Die Kandidatur der Sängerin


zeigt,wie viel das Land bei seiner


Demokratisierung erreicht hat


Pläne für Allianz gegen Salvini


Wende im Jemen-Krieg


Separatisten besetzen Lager der Regierungstruppen in der Hafenstadt Aden. Beide Seiten rufen zu Waffenruhe auf


Bloß weg hier


Auswanderung ist für sehr viele Guatemalteken die einzige Option. Daran wird auch der neue Präsident nichts ändern


Maulkorb für Piloten


Nach tagelangen Protesten am Flughafen Hongkong setzt Peking nun einzelne Fluglinien unter Druck.


Tripolis– Die Konfliktparteien in Liby- Wer protestiert, darf nicht mehr nach China reisen – und auch nicht mehr über chinesisches Hoheitsgebiet fliegen


en haben sich gegenseitig den Bruch


der Waffenruhe während des muslimi-


schen Opferfests vorgeworfen. Die Trup-


pen des Generals Chalifa Haftar beschul-


digten Anhänger der international aner-


kannten Regierung am Sonntag, die


Waffenruhe mit willkürlichem Be-


schuss missachtet zu haben. Die Regie-


rungstruppen erklärten dagegen, einen


Vormarsch von Haftars selbst ernannter


Libyscher Nationalarmee am Stadtrand


von Tripolis gestoppt zu haben. Das


viertägige Fest Eid al-Adha läuft seit


Sonntag. Beide Seiten hatten zuvor


erklärt, die von den Vereinten Nationen


vorgeschlagene Waffenruhe zu akzeptie-


ren. Doch am Wochenende kam es zu


einer Reihe von Zwischenfällen: Bei


einem Anschlag auf einen UN-Fahrzeug-


konvoi wurden am Samstag drei UN-


Mitarbeiter getötet. Etwa ein Dutzend


Menschen wurden bei der Explosion


vor einer Bank verletzt. Zu der Tat be-


kannte sich zunächst niemand. Auch


der Mitiga-Flughafen in Tripolis wurde


von Raketen getroffen, wie die Verwal-


tung des Airports mitteilte. Die Haupt-


stadt wird von dem abtrünnigen Gene-


ral Chalifa Haftar und seiner Armee seit


Wochen belagert. dpa, reuters


Bagdad– Die arabischen Anrainer des


Persischen Golfs brauchen nach An-


sicht des irakischen Außenministers


Mohammed al-Hakim für die Siche-


rung der Schifffahrt keine ausländische


Hilfe. Deren Einsatz würde nur Span-


nungen in der Region erhöhen, twitter-


te er am Montag. Damit reagierte er auf


das Streben Washingtons nach einer


US-geführten Mission in der Straße von


Hormus. Iran hat dort kürzlich Schiffe


aufgebracht, die USA möchten nun,


dass ein internationales Bündnis kom-


merzielle Schiffe dort im Auge behält


und potenziell begleitet. ap


Moskau– Nach den größten Protesten


seit mehr als sieben Jahren hat die russi-


sche Opposition für Samstag zu neuen


Kundgebungen für freie Wahlen aufge-


rufen. Der inhaftierte Kremlkritiker Ilja


Jaschin forderte am Montag in einem


Brief an die Wahlkommission zudem


eine Verlegung der für 8. September


angesetzten Moskauer Stadtratswahl.


Am Samstag hatten Zehntausende Men-


schen demonstriert. „Annullieren Sie


die Pseudowahlen. Setzen Sie eine neue


Abstimmung Ende des Herbstes an und


garantieren Sie die Teilnahme der Oppo-


sition“, schrieb Jaschin in dem Brief. Die


Chefin der zentralen Wahlkommission,


Ella Pamfilowa, hatte dagegen betont,


dass Druck auf die Wahlkommission


nicht akzeptabel sei. dpa


Oslo– Bereits vor einem Jahr haben die


norwegischen Sicherheitsbehörden


einen „vagen Tipp“ über die Pläne des


Mannes erhalten, der am Samstag Gläu-


bige in einer Moschee in Oslo angriff.


Das teilte der Leiter der Sicherheitsbe-


hörde, Hans Sverre Sjövold, am Montag


mit. Dem Hinweis sei nicht nachgegan-


gen worden, weil er keine konkreten


Anhaltspunkte für einen bevorstehen-


den Anschlag enthalten habe. Täglich


gingen viele derartige Hinweise besorg-


ter Bürger ein. Am Samstag war der


21-jährige Norweger mit Waffen schwen-


kend in eine Moschee gegangen, in der


sich Gläubige befanden. Schüsse fielen,


eine Person wurde leicht verletzt. Der


Täter wurde inzwischen eines terroristi-


schen Angriffs beschuldigt. In Medien-


berichten hieß es, er sei von den Schuss-


waffenmassakern in Christchurch (Neu-


seeland) und El Paso (USA) inspiriert


worden. ap


DEFGH Nr. 186, Dienstag, 13. August 2019 (^) POLITIK HF3 7
Der wohl chancenreichste Kandidat: Pre-
mier Youssef Chahed. FOTO: AFP
Die chinesische Regierung mahnt
immer energischer, die Ordnung
wiederherzustellen
Tausende Hongkonger versammelten sich am Montag in der Abflug- und Ankunftshalle des Flughafens. Sie demonstrier-
ten gegen die Polizeigewalt, eine Frau soll bei Protesten am Vortag ihr Augenlicht verloren haben. FOTO: TYRONE SIU / REUTERS
Ein Mädchen aus Guatemala hat es bis
nach Texas geschafft. FOTO: REUTERS
Investitionen, teils aus
Geldwäsche, brachten Wachstum.
Davon profitieren nur wenige
Singende Prediger
und Paradiesvögel
Fast 100 Kandidaten bewerben sich
um das Präsidentenamt in Tunesien
Waffenruhe in Libyen brüchig
Irak gegen Marinemission
Wahlkommission unter Druck
Früher Hinweis auf Täter
AUSLAND

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